Immobilienerbe: Was gilt beim Wert von Nutzungsrechten?

Wie ist der Grundstückswert für die Erbschaftsteuer bei Nutzungsrechten zu bestimmen? Was gilt für den Wert eines Nießbrauchsrechts? Nach dem BFH ist der Grundstückswert auch dann gesondert festzustellen, wenn er zur Berechnung des Jahreswerts von Nutzungen benötigt wird. Auch wenn sich das Nutzungsrecht nur auf einen Grundstücksteil bezieht, ist der Wert des Gesamtgrundstücks zu ermitteln. 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 02.12.2020 (II B 38/20, NV) entschieden, dass für die Ermittlung eines Nießbrauchwerts der zugrundeliegende Grundstückswert gesondert zu ermitteln ist. Als Grundlage hat dabei das gesamte Grundstück zu dienen, auch wenn das Nießbrauchrecht sich nur auf Teile des Grundstücks bezieht.

Sachlage im Streitfall

Die Klägerin war die Lebensgefährtin des Erblassers, in dessen Eigentum zum Todeszeitpunkt ein Anteil von drei Vierteln an der gemeinsam mit der Lebensgefährtin bewohnten Immobilie stand. Der restliche Anteil stand im Eigentum der Lebensgefährtin. Im Wege eines Vermächtnisses hat er seiner Lebensgefährtin ein lebenslanges Nießbrauchrecht an seinem Anteil des Hauses eingeräumt.

Das Finanzamt (FA) setzte den Wert des Nießbrauchs abweichend von der Ermittlung der Klägerin fest. Mit der eingelegten Klage beanstandet die Klägerin u.a. den vom FA angesetzten Mietzins. 

Im Rahmen des Verfahrens vor dem Finanzgericht (FG) wurde zu der Höhe des ortsüblichen Mietzinses ein Sachverständigengutachten eingeholt, in welchem das Haus jedoch als Einfamilienhaus beurteilt wurde. Das FG setzte in entsprechender Höhe den Mietzins an und gab der Klage insoweit statt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision, da es sich bei dem Haus nicht um ein Einfamilienhaus, sondern um ein Zweifamilienhaus handele, für das andere Maßstäbe anzulegen seien. Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wurde vom BFH als unbegründet zurückgewiesen.

Ermittlung des Werts eines Nießbrauchrechts

Der Wert des Nießbrauchrechts ermittelt sich gem. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 14 ff. BewG. Im Streitfall ermittelt sich der Wert des Nießbrauchs anhand der ortsüblichen Miete für den Teil des Hauses, der nicht im Eigentum der Klägerin steht. 

Da es sich um ein lebenslanges Nießbrauchrecht handelt, ist der anhand der ortsüblichen Miete ermittelte Jahreswert mit dem Vervielfältiger für die Lebenserwartung der Klägerin zu multiplizieren.

Als jährlicher Höchstbetrag für den Wert des Nießbrauchrechts ist jedoch gem. § 16 BewG maximal der durch 18,6 geteilte Wert des Grundstücks anzusetzen. 

Der Wert des Grundstücks wurde zwar im Streitfall von dem Belegenheitsfinanzamt gesondert ermittelt und festgestellt, allerdings wurde dieser nur der Erbengemeinschaft und nicht der Klägerin mitgeteilt. Insoweit liegt daher ein Bekanntgabemangel vor. 

Anders als von der Klägerin gefordert, ist jedoch aufgrund dieses Bekanntgabemangels der Höchstbetrag des Nießbrauchrechts lediglich auf den auf die Klägerin übergegangenen Anteil von einem Viertel zu ermitteln. 

Die Unterscheidung, ob im Streitfall ein Ein- oder Zweifamilienhaus vorliege, ist nach der Ansicht des BFH zudem ohne Relevanz, da laut dem Sachverständigen die ortsübliche Miete sowohl für ein Ein- als auch für ein Zweifamilienhaus anzusetzen sei.

Praxishinweis

Der BFH stellt mit seinem Beschluss klar, dass aufgrund eines Bekanntgabemangels eines Feststellungsbescheids nicht der Höchstbetrag für den Wert eines Nießbrauchrechts von einer anderen Bemessungsgrundlage ermittelt werden kann. 

Für die Ermittlung eines Grundbesitzwerts ist nach der Entscheidung des BFH und der Auffassung der Finanzverwaltung stets der gesamte Wert des Grundstücks zu ermitteln, auch wenn nur ein Teil des Grundstücks übergeht.

BFH, Beschl. v. 02.12.2020 - II B 38/20 (NV)

Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater, M.A. und Diplom-Finanzwirt (FH)