Welche steuerlichen Folgen hat eine Restschuldbefreiung im Insolvenzfall? Der BFH hat entschieden, dass die Restschuldbefreiung für die Ermittlung des Gewinns aus einer Betriebsaufgabe auch dann ein rückwirkendes Ereignis darstellt, wenn der Betrieb erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben worden ist. In diesem Fall sind die daraus resultierenden Steuern Masseverbindlichkeiten.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 06.04.2022 (X R 28/19) seine Grundsätze für die Erteilung der Restschuldbefreiung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens sowie für die Ermittlung des Gewinns aus einer Betriebsaufgabe weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Der verheiratete Kläger K betrieb ein Restaurant, aus dem er erhebliche Verluste erwirtschaftete, die zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen führten. Daraufhin übergab er das Restaurant an einen anderen Betreiber und nahm eine nichtselbständige Tätigkeit auf.
Das Finanzamt (FA) setzte die Einkommensteuer auf 0 € fest und erließ Verlustfeststellungsbescheide. Nach Erteilung der Restschuldbefreiung ergingen geänderte Einkommen- und Verlustfeststellungsbescheide, wobei die erlassenen Restschulden im Jahr der Insolvenzeröffnung angesetzt und die späteren Verlustfeststellungsbescheide entsprechend reduziert wurden.
Die geänderten Bescheide wurden teilweise ausschließlich gegen K und teilweise gegen K sowie dessen Ehefrau gerichtet. Einspruch und Klage des K beim Finanzgericht (FG) blieben weitgehend erfolglos. Der BFH sah den Fall aber teilweise anders als das FG.
Entscheidung im Besprechungsfall
Da vom FG keine Feststellungen zu den Zeitpunkten sowohl der Betriebsaufgabe als auch der Beendigung des Insolvenzverfahrens getroffen wurden, hob der BFH die Entscheidung des FG auf.
Denn es ist unklar, ob der allein an den K gerichtete Einkommensteuerbescheid überhaupt wirksam bekanntgegeben wurde. Wäre dies nicht der Fall, wären auch die Änderungen der Verlustfeststellungsbescheide fehlerhaft und diese somit aufzuheben.
Ein Betrieb wird regelmäßig durch den Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verwaltung der Masse aufgegeben. Hierdurch - und nicht durch das Handeln des Insolvenzschuldners - wird der Tatbestand des § 16 Abs. 3 EStG verwirklicht.
Die steuerliche Rückwirkung gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO führt zum Wegfall der in der Aufgabebilanz ausgewiesenen betrieblichen Verbindlichkeiten. Damit stellt sich der BFH ausdrücklich gegen die Ansicht des Bundesfinanzministeriums, welches die Restschuldbefreiung im Jahr der Erteilung berücksichtigen will.
Anknüpfungspunkt für die Folgen aus der Restschuldbefreiung bleibt damit die Zugehörigkeit des Betriebs zur Insolvenzmasse zum Zeitpunkt seiner Aufgabe. Die Steuern, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen, stellen Masseverbindlichkeiten dar.
Verfahrensrechtlich hat das FA Steuern, die insolvenzrechtlich Masseverbindlichkeiten sind, durch Steuerbescheid festzusetzen. Während des Insolvenzverfahrens sind die Bescheide an den Insolvenzverwalter bekanntzugeben.
Werden diese Steuerbescheide stattdessen dem Schuldner bekanntgegeben, liegt ein Bekanntgabefehler vor, der dem Eintritt der Wirksamkeit der Bescheide entgegensteht und auch nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden kann. Die Klage hätte in diesem Fall Erfolg.
Wurde hingegen der Betrieb nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben, und ist dieses im Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide bereits aufgehoben, kann das FA diese Steuerbescheide nicht mehr dem Insolvenzverwalter bekanntgeben.
Somit wären die angegriffenen Bescheide zu Recht gegenüber K und seiner Ehefrau bekanntgegeben worden und ihre Klage wäre unbegründet. An wen die Steuerbescheide zu richten sind, muss das FG im vorliegenden Fall aber noch feststellen.
Praxishinweis: Der BFH hat seine Grundsätze wie folgt weiter konkretisiert: Die Erteilung der Restschuldbefreiung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens stellt für die Ermittlung des Gewinns aus einer Betriebsaufgabe auch dann ein rückwirkendes Ereignis dar, wenn der Betrieb erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben worden ist.
Die aus der Restschuldbefreiung resultierenden Steuern sind im Fall der Betriebsaufgabe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Masseverbindlichkeiten, da sie Folge der Verwaltung durch den Insolvenzverwalter sind.
BFH, Urt. v. 06.04.2022 - X R 28/19
Erstellt von Axel Scholz, RA und StB, FA für Steuerrecht