LAG Berlin-Brandenburg - Urteil vom 27.04.2022
23 Sa 905/21
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3; EFZG § 3 Abs. 1; FGr 1-TV (DB-Konzern) i.d.F.v. 12.12.2016 Abschn. III § 18; FGr 1-TV (DB-Konzern) i.d.F.v. 12.12.2016 Abschn. VI § 38; FGr 1-TV (DB-Konzern) i.d.F.v. 12.12.2016 Abschn. VI § 41 Abs. 6;
Vorinstanzen:
ArbG Cottbus, vom 22.04.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ca 876/20

Ergänzende Auslegung eines TarifvertragsMittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die GrundrechteUngleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen bezüglich der tariflichen Überzeitzulage

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.04.2022 - Aktenzeichen 23 Sa 905/21

DRsp Nr. 2022/16477

Ergänzende Auslegung eines Tarifvertrags Mittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen bezüglich der tariflichen Überzeitzulage

1. Tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Voraussetzung für eine ergänzende Auslegung ist, dass entweder eine unbewusste Regelungslücke besteht oder eine Regelung nachträglich lückenhaft geworden ist. 2. Die Tarifvertragsparteien sind nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden. Tarifnormen sind im Ausgangspunkt dennoch uneingeschränkt am allgemeinen Gleichheitssatz zu messen. Die Tarifvertragsparteien können durch die Ausstrahlungswirkung von Art. 3 Abs. 1 GG darin beschränkt sein, ihre Tarifautonomie als kollektivierte, von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Privatautonomie auszuüben. 3. Es sind keine sachlichen Rechtfertigungsgründe für eine Tarifregelung ersichtlich, die bei der Überzeitzulage eine Ungleichbehandlung zwischen erkrankten und nicht erkrankten Arbeitnehmern vorsieht.

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgericht Cottbus vom 22.04.2021 - 3 Ca 876/20 - abgeändert: