LAG Rheinland-Pfalz - Urteil vom 09.02.2022
8 Sa 194/20
Normen:
ArbGG § 58 Abs. 2; ArbGG § 67 Abs. 1; ZPO § 391; ZPO § 427; ZPO § 444;
Vorinstanzen:
ArbG Mainz, vom 27.05.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Ca 236/20

Wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGBUmfassende Interessenabwägung vor Ausspruch der fristlosen KündigungVortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit als wichtiger GrundBeweiskraft der ArbeitsunfähigkeitsbescheinigungAbgestufte Darlegungs- und Beweislast bei Erschütterung des Beweiswerts der ArbeitsunfähigkeitsbescheinigungNon-liquet-Situation nach der Beweisaufnahme

LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.02.2022 - Aktenzeichen 8 Sa 194/20

DRsp Nr. 2022/11254

Wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB Umfassende Interessenabwägung vor Ausspruch der fristlosen Kündigung Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit als wichtiger Grund Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Abgestufte Darlegungs- und Beweislast bei Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung "Non-liquet-Situation" nach der Beweisaufnahme

1. Bei einer fristlosen Kündigung ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich", d. h. typischerweise, als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Umstände des Falls jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. 2. In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Zu berücksichtigen sind regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.