Ermessensausübung bei Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialleistungsträger; Verletzung der Unterhaltspflicht als Abzweigungsvoraussetzung
FG München, Urteil vom 14.02.2007 - Aktenzeichen 9 K 202/06
DRsp Nr. 2007/7613
Ermessensausübung bei Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialleistungsträger; Verletzung der Unterhaltspflicht als Abzweigungsvoraussetzung
1. Eine Unterhaltspflichtverletzung des kindergeldberechtigten Elternteils als Voraussetzung für eine Abzweigung des Kindergeldes an den Träger der Jugendhilfe nach § 74 Abs. 1 S. 4 EStG liegt vor, wenn der Kindergeldberechtigte vom Träger der Jugendhilfe nach §§ 90 bis 97bSGB VIII an den Kosten für die Leistungen der Jugendhilfe beteiligt wird, aber diese nicht bezahlt. Leistet der Kindergeldberechtigte jedoch Unterhalt in Höhe mindestens des Kindergeldes, ist eine Abzweigung trotz der Unterhaltspflichtverletzung in der Regel unzulässig.2. Die Familienkasse hat bei der Ausübung des ihr in § 74 Abs. 1EStG eingeräumten Ermessens den Zweck des Kindergeldes zu berücksichtigen. Enthält die Einspruchsentscheidung lediglich den Hinweis, dass im Hinblick auf die Zweckbestimmung des Kindergeldes das Ermessen regelmäßig dahingehend auszuüben sei, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Abzweigung des Kindergeldes zu erfolgen habe, so hat die Familienkasse damit eine Vorprägung der Ermessensentscheidung (Ermessensreduzierung) im Fall des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 Abs. 1FGO angenommen und damit das ihr obliegende Ermessen nicht ausgeübt.
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