BAG - Urteil vom 24.05.2023
10 AZR 119/21
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3; ArbZG § 6 Abs. 6; MTV Obst- und Gemüseverarbeitende Industrie und Fruchtsaftindustrie BW v. 09.11.2004 § 4 Nr. 2 S. 1; MTV Obst- und Gemüseverarbeitende Industrie und Fruchtsaftindustrie BW v. 09.11.2004 § 5 Nr. 2 Buchst. b)-c);
Vorinstanzen:
LAG Baden-Württemberg, vom 04.12.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 12 Sa 61/20
ArbG Karlsruhe, vom 25.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 8 Ca 5/20

Umfassende Normsetzungsbefugnis der TarifvertragsparteienDer Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG als Grenze der TarifautonomieEinschätzungsprärogative der TarifvertragsparteienSubsidiarität des § 6 Abs. 5 ArbZG gegenüber tariflichen Regelungen zum Nachteilsausgleich bei NachtarbeitAuslegung des normativen Teils des TarifvertragsAnpassung nach oben bei nicht ausreichender Rechtfertigung unterschiedlicher tariflicher Zuschläge für Nachtarbeit

BAG, Urteil vom 24.05.2023 - Aktenzeichen 10 AZR 119/21

DRsp Nr. 2023/9342

Umfassende Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien Der Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG als Grenze der Tarifautonomie Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien Subsidiarität des § 6 Abs. 5 ArbZG gegenüber tariflichen Regelungen zum Nachteilsausgleich bei Nachtarbeit Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags Anpassung "nach oben" bei nicht ausreichender Rechtfertigung unterschiedlicher tariflicher Zuschläge für Nachtarbeit

1. Die Tarifvertragsparteien sind nicht unmittelbar an Grundrechte gebunden, wenn sie tarifliche Normen setzen. Mit der Normsetzung auf Grundlage der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie üben die Tarifvertragsparteien keine delegierte Staatsgewalt aus. Sie nehmen vielmehr privatautonom ihre Grundrechte wahr. Mit der kollektiv ausgeübten privatautonomen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge ist eine unmittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien nicht zu vereinbaren. 2. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bildet als fundamentale Gerechtigkeitsnorm eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie. Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte dazu, gleichheitswidrige Differenzierungen in Tarifnormen zu unterbinden. Dementsprechend ist Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheitswidrigen Differenzierungen führen.