Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle

Praxistipp

Zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie hat der Gesetzgeber für vom 01.07.2020 bis zum 01.01.2024 (verlängert durch das Art. 12 des Achten Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, BGBl I 2022, 1838) erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen den ermäßigten Steuersatz eingeführt. Die Begünstigung gilt nicht für die Abgabe von Getränken, somit auch nicht für die Abgabe von Milch und Milchmischgetränken, deren Milchanteil mindestens 75 % des Fertigerzeugnisses beträgt. Diese Regelung ist zum 31.12.2023 ausgelaufen.

Bei der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle erfolgt die Klassifizierung als begünstigte Lieferung von Lebensmitteln oder als regelzubesteuernde sonstige Leistung im Wege der Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalls unter Berücksichtigung der allgemeinen umsatzsteuerlichen Abgrenzungsgrundsätze.

Die frühere pauschale Vorschrift (§ 3 Abs. 9 Satz 4 und 5 UStG) wurde dagegen im Rahmen des JStG 2008 aufgehoben. Denn diese regelte, ohne zu differenzieren, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle keine begünstigte Lieferung von Lebensmitteln darstellt, sondern eine sonstige Leistung war. Die Vorschrift war aufgrund ihrer Undifferenziertheit nicht unionsrechtskonform, da so möglicherweise eine umsatzsteuerliche Lieferung unzutreffenderweise als sonstige Leistung klassifiziert würde. Nicht jede Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle stelle eine regelzubesteuernde Dienstleistung dar.

Entscheidend ist nunmehr die Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalls, die sich nach den allgemeinen umsatzsteuerlichen Grundsätzen zur Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen richtet. Eine explizite gesetzliche Regelung gibt es nicht.

Eine regelzubesteuernde Restaurationsleistung ist dabei als Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen zu beurteilen. Die Lieferung der Speisen und Getränke stellt dabei nur einen Teil der Gesamtleistung dar: Zur Restaurationsleistung gehören neben der Zurverfügungstellung einer organisatorischen Gesamtheit (Speiseraum, Garderobe, Waschräume etc.) durch den Unternehmer u.a. auch das Eindecken des Tischs, die Erläuterung der angebotenen Speisen und Getränke sowie das Servieren und anschließende Abräumen (EuGH, Urt. v. 02.05.1996 - Rs. C-231/94, Faaborg-Gelting Linien A/S, und v. 10.03.2005 - Rs. C-491/03, Hermann).

Entscheidend bei der Klassifizierung der "Abgabe von Speisen und Getränken" ist stets das qualitativ überwiegende Element des jeweiligen Umsatzes: Ein Restaurationsumsatz, der qualitativ mehr Lieferelemente als Dienstleistungselemente enthält, ist insgesamt als Lieferung von Lebensmitteln - mit der möglichen Anwendung des ermäßigten Steuersatzes - zu beurteilen. Überwiegen hingegen qualitativ - nicht quantitativ - die Dienstleistungselemente im Zusammenhang mit der Abgabe der fertigen Speise, so handelt es sich um eine sonstige Leistung, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen ist (BFH, Urt. v. 26.10.2006 - V R 58/04).

Bei der Gesamtbetrachtung werden solche Leistungen nicht als Dienstleistungselement berücksichtigt, die notwendig mit der Vermarktung des zu beurteilenden Gegenstands verbunden sind. "Vermarktungsleistungen" sind also solche Leistungen die zwangsläufig mit der Lieferung der fertigen Speise verbunden sind. Die "minimalen Vermarktungsleistungen" in Form von Auslage der Ware im Regal, Ausfertigen einer Rechnung etc. sind stets mit der Lieferung der Ware verbunden und haben keinen Einfluss auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (BFH, Urt. v. 26.10.2006 - V R 58/04).

Die folgenden Leistungen stellen beispielsweise bloße Vermarktungsleistungen dar:

Zubereitung der Speisen

Hinweis

Die Art der Zubereitung wirkt sich nicht auf die Klassifizierung der Leistung aus. Sowohl die Zubereitung einfacher bzw. standardisierter Speisen wie z.B. Pommes frites oder Nachos als auch die Zubereitungen eines Partyservices (die erheblich mehr Arbeit und Sachverstand hinsichtlich der Kreativität und Darreichungsform sowie betreffend die Beratung des Kunden erfordern) werden als Vermarktungsleistung betrachtet.

Abgabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise oder Apfelmus

Bereitstellung von Papierservietten und Abfalleimern

Erstellung von Speisekarten

Erläuterung der angebotenen Leistungen

Werden vom Unternehmer nur diese sogenannten Vermarktungsleistungen (typisch für die Lieferung zum Mitnehmen) erbracht, liegt i.d.R. eine ermäßigt zu besteuernde Lieferung vor.

Gemäß Abschn. 3.6 UStAE führt jedes Leistungselement, das über die bloße Vermarktung einer Speise hinausgeht, zu einer Dienstleistung. Derartige Leistungselemente können beispielsweise sein:

Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur (siehe unten);

Servieren der Speisen und Getränke;

Gestellung von Bedienungs-, Koch- oder Reinigungspersonal;

Durchführung von Service-, Bedien- oder Spülleistungen im Rahmen einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur oder in den Räumlichkeiten des Kunden;

Nutzungsüberlassung von Geschirr oder Besteck;

Transport zum Ort des Verzehrs (einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Leistungen wie Kühlen oder Wärmen, der hierfür erforderlichen Nutzung von besonderen Behältnissen als auch die Vereinbarung eines festen Lieferzeitpunkts).