Freiberufler: Gewerbliche Einkünfte bei Arbeitsteilung

Wann ist bei einer Gemeinschaftspraxis von gewerblichen Einkünften auszugehen? Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat eine Arztpraxis wegen der Arbeitsteilung unter den Gesellschaftern insgesamt als Gewerbebetrieb eingestuft. Im Streitfall war ein Arzt überwiegend mit Verwaltungsaufgaben betraut - die Beratung und Behandlung von Patienten machte nur noch einen geringen Anteil seiner Tätigkeit aus.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) hat mit Urteil vom 16.09.2021 (4 K 1270/19) entschieden, dass bei Erledigung der Verwaltungstätigkeiten in einer Arztpraxis durch lediglich einen der Gesellschafter die Praxis insgesamt gewerblich geprägt sein kann, da der betreffende Gesellschafter mangels direkten Patientenkontakts nicht mehr die Anforderungen an die selbständig ausgeübte Tätigkeit als Arzt erfüllt und dadurch die gesamten Einkünfte der Partnerschaft als gewerblich „infiziert“.

Sachlage im Streitfall

Die Klägerin ist eine Partnerschaftsgesellschaft, die von mehreren Zahnärzten gemeinsam geführt wurde. In der Feststellungserklärung hatte die Klägerin die Einkünfte aus der Praxis als selbständige Einkünfte qualifiziert und entsprechend deklariert. Die Einkünfte wurden erklärungsgemäß der Besteuerung zugrunde gelegt.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung legte die Steuerberaterin der Klägerin einen Tätigkeitsbericht vor, nach dem einer der Ärzte fast ausschließlich mit organisatorischen Aufgaben und der Vertretung der Praxis gegenüber Behörden betraut war.

Ärztliche Behandlungen führte dieser Arzt selbst nur noch in einem sehr geringen Umfang durch. Die Steuerberaterin trug dazu vor, dass es sich bei dieser Arbeitsaufteilung um eine typische Gegebenheit freiberuflicher Praxen handele und der betreffende Arzt aufgrund seiner Seniorität nicht mehr direkt behandelnd tätig werden musste.

Die Betriebsprüfung qualifizierte die Einkünfte dennoch nicht mehr als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, sondern ordnete diese den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu, da in einer freiberuflichen Partnerschaftsgesellschaft jeder Gesellschafter die Merkmale der selbständigen Arbeit erfüllen müsse.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies auch das FG die Klage als unbegründet zurück. Es ließ jedoch die Möglichkeit der Revision zu.

Voraussetzung für eine freiberufliche Tätigkeit

Zu Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, worunter nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG u.a. auch die selbständige Berufstätigkeit von Ärzten fällt.

Dies gilt auch für freiberufliche Mitunternehmerschaften i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Eine Personengesellschaft entfaltet jedoch nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S.v. § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen.

Dazu muss zum einen jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs - also die entsprechende Berufsqualifikation - vorweisen können und zum anderen auf Basis der eigenen Fachkenntnisse eigenverantwortlich tätig werden. Dies setzt die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in der Praxis voraus.

Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u.a. die Organisation, die Arbeitsplanung und die Beaufsichtigung der Mitarbeiter gehören, kann die tatsächliche „Arbeit am Patienten“ nicht ersetzen.

Nach der Auffassung des FG gibt es zwar keine allgemeinen zeitlichen Vorgaben für den Anteil der eigenverantwortlichen praktischen Arbeit, eine gewisse persönliche Teilnahme an der praktischen Arbeit ist jedoch unverzichtbar.

Ein Delegieren der Aufgaben von Ärzten auf ihre Mitarbeiter ist lediglich für Voruntersuchungen und die Behandlung bei sog. „Routinefällen“ möglich. Die Behandlung von problematischen Fällen muss sich der Arzt selbst vorbehalten.

Die Übernahme von nahezu ausschließlich kaufmännischen Leitungs- und Managementaufgaben stellt somit keine freiberufliche, sondern eine gewerbliche Tätigkeit dar.

Dies führt dazu, dass der eine Arzt mit seiner gewerblichen Tätigkeit gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 EStG die anderen Gesellschafter „infiziert“, so dass die Praxis insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt.

Praxishinweis: Jeder Gesellschafter in einer freiberuflichen Praxis bzw. Kanzlei sollte weiterhin einen gewissen Anteil an der tatsächlichen praktischen Tätigkeit ausführen.

Dies gilt nicht nur für Ärzte, sondern auch für andere Heilberufe oder Rechtsanwaltskanzleien.

Ebenso sollte der Umfang von gewerblichen Tätigkeiten, wie z.B. die Erbringung von Laborleistungen durch einen Arzt, klar von der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit abgegrenzt werden oder zumindest einen Umfang von 3 % nicht übersteigen.

Dieser Anteil ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs noch als unschädlich anzusehen und infiziert nicht die gesamten freiberuflichen Einkünfte zu gewerblichen Einkünften um.

 

FG Rheinland Pfalz, Urt. v. 06.09.2021 - 4 K 1270/19

Erstellt von Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)

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