Der BFH hat die AfA-Bemessung bei einem „verlängerten Vorbehaltsnießbrauch“ geklärt. Hierbei wird die belastete Immobilie veräußert und durch Immobilien ersetzt, bei denen erneut ein entsprechender Nießbrauch eingeräumt wird.
Nach dem BFH handelt es sich, wenn der Austausch mit Zustimmung des Nießbrauchers erfolgt, steuerrechtlich um das Fortbestehen des ursprünglichen Vorbehaltsnießbrauchs.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 24.05.2022 (IX R 1/21) seine Grundsätze zum verlängerten Nießbrauchvorbehalt weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Die klagenden Eheleute K übertrugen ihr Hausgrundstück zunächst im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge auf ihre Kinder, behielten sich dabei jedoch ein Nießbrauchrecht bis zum Tod des Längstlebenden von ihnen vor.
Weil die Eheleute in die Nähe ihrer Kinder zogen, vereinbarten sie mit diesen, dass die Eltern beim Verkauf der Immobilie ihre Nießbrauchrechte löschen lassen, diese jedoch in der Weise fortbestehen sollten, dass aus dem Verkaufserlös eine oder mehrere andere Immobilien auf den Namen der Kinder erworben werden, an denen wiederum ein Nießbrauchrecht zugunsten der Eltern bestellt wird.
In ihrer Einkommensteuererklärung bezifferten die Kläger die ihnen im Zusammenhang mit der Vermietung der beiden neu angeschafften Objekte entstandenen AfA aufgrund der Anschaffungskosten in Abhängigkeit von ihrer statistischen Lebenserwartung.
Das Finanzamt wandte hingegen die Abschreibungssätze des § 7 EStG an. Einspruch und Klage der Eheleute blieben erfolglos, der BFH folgte dem.
Entscheidung im Besprechungsfall
Einleitend stellte der BFH fest, dass beim Vorbehaltsnießbrauch der Nießbrauchberechtigte die Abschreibungen geltend machen kann.
Wenn ein mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastetes Grundstück mit Zustimmung des Nießbrauchers gegen ein anderes Grundstück ausgetauscht und dem bisherigen Nießbraucher an dem neuen Grundstück wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, handelt es sich um das Fortbestehen des Vorbehaltsnießbrauchs.
Dies gilt nicht nur in Fällen, in denen der aus dem Vorbehaltsnießbrauch verpflichtete Eigentümer über die Ersatzimmobilie bei Veräußerung der belasteten Immobilie bereits verfügen konnte, sondern auch dann, wenn er erst durch den Veräußerungserlös die Ersatzimmobilie anschaffen kann und sich der Nießbrauch in dem Zeitraum zwischen der Veräußerung der Altimmobilie und der Anschaffung der Ersatzimmobilie vereinbarungsgemäß ununterbrochen auf den Veräußerungserlös erstreckt.
Dabei ist es unerheblich, wenn sich das Surrogat aus zwei oder mehr Ersatzimmobilien zusammensetzt, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten den erzielten Erlös in der Summe nicht überschreiten.
Nach diesen Maßstäben wurde der an der Altimmobilie bestellte Vorbehaltsnießbrauch an den Ersatzimmobilien im Weg der Surrogation fortgesetzt. Dementsprechend haben die Kläger die Anschaffungs- und Herstellungskosten für die Ersatzimmobilien getragen und können die Abschreibungen geltend machen.
Da es sich um die Anschaffung und Herstellung von Gebäuden handelt, die nach dem 31.12.1924 fertiggestellt wurden (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), beträgt die AfA für die angeschaffte Eigentumswohnung sowie für das Appartement lediglich 2 %. Eine höhere AfA steht den Eheleuten K nicht zu.
Praxishinweis: Der BFH hat mit dieser Entscheidung für den verlängerten Nießbrauch Folgendes festgelegt:
Wird eine mit einem Vorbehaltsnießbrauch belastete Immobilie mit Zustimmung des Nießbrauchers gegen eine andere Immobilie in der Weise ausgetauscht, dass dem Nießbraucher an der neuen Immobilie aufgrund einer zuvor getroffenen Vereinbarung wiederum ein Nießbrauch eingeräumt wird, und trägt der Nießbraucher die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Ersatzimmobilie, so setzt sich der Vorbehaltsnießbrauch an der erworbenen Immobilie fort (verlängerter Vorbehaltsnießbrauch).
Wenn der Eigentümer die Ersatzimmobilie nur aus dem Veräußerungserlös anschaffen oder herstellen kann, dann gilt ebenfalls nichts anderes, sofern sich der Nießbrauch im Zeitraum zwischen der Veräußerung der Altimmobilie und der Anschaffung der Ersatzimmobilie ununterbrochen auf den Veräußerungserlös erstreckt.
Ein obligatorisches Nießbrauchrecht ist einem dinglichen Nießbrauch steuerrechtlich insoweit gleichzustellen.
BFH, Urt. v. 24.05.2022 - IX R 1/21
Erstellt von Axel Scholz, RA und StB, FA für Steuerrecht