Die neue Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hat in ihrem Koalitionsvertrag zahlreiche steuerliche Änderungen angekündigt. Bis zu deren Umsetzung wird es aber noch ein wenig dauern, viele Änderungen werden wohl erst ab dem Jahr 2023 gelten. Auch ohne abgeschlossene Gesetzgebungsverfahren der neuen Regierung ergeben sich dennoch zum Jahreswechsel 2021/22 zahlreiche steuerliche Änderungen, die bereits von der Vorgängerregierung beschlossen worden und ab dem Jahresbeginn 2022 zu beachten sind.
Auf die nachfolgenden Änderungen weisen wir ohne Anspruch auf Vollständigkeit hin:
Allgemeine Tarifentlastung bei der Lohn-/Einkommensteuer
Aufgrund einer bereits Ende 2020 beschlossenen Gesetzesänderung (Zweites Familienentlastungsgesetz v. 01.12.2020, BGBl I 2020, 2616) wird der sog. Grundfreibetrag ab 2022 erneut angehoben, nämlich von 9.744 € auf 9.984 €. Die Folge ist eine kleine Entlastung für alle Steuerzahler. Die Änderung dient zum Ausgleich der sog. kalten Progression und soll dafür sorgen, dass das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum steuerfrei bleibt. Die übrigen Werte des Tarifs werden für 2022 ebenfalls nach rechts verschoben, so beginnt beispielsweise der Spitzensteuersatz ebenfalls erst bei einem höheren Einkommen (58.597 € statt 57.919 €).
Alleinerziehende
Alleinerziehende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten einen steuerlichen Entlastungsbetrag, bisher grundsätzlich in Höhe von 1.908 € jährlich (§ 24b EStG). Aufgrund des höheren Betreuungsaufwands gerade für Alleinerziehende in Zeiten von Corona und der damit verursachten Aufwendungen war der Entlastungsbetrag bereits für die Jahre 2020 und 2021 auf 4.008 € angehoben und damit mehr als verdoppelt worden. Die praktische Umsetzung erfolgte durch einen zeitlich begrenzten Erhöhungsbetrag in Höhe von 2.100 €. Bereits Ende 2020 ist die Befristung gesetzlich aufgehoben worden (Jahressteuergesetz 2020 v. 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096), so dass die Erhöhung des Entlastungsbetrags auf 4.008 € auch ab dem Jahr 2022 weiter gilt. Sie wird nunmehr aber vollständig in die Lohnprogramme eingebaut. Im Lohnsteuerabzugsverfahren ab 2022 wird die Anhebung damit automatisch über die Steuerklasse II berücksichtigt.
Hybrid-Elektrofahrzeuge
Für teure Elektro-Autos und bestimmte Hybrid-Firmenwagen erfolgt grundsätzlich eine Halbierung des Listenpreises. Hier kommt es jedoch zu einer bereits länger beschlossenen Verschärfung ab 2022 (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451; § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 2 und Satz 3 Nr. 2 EStG).
Die steuerliche Förderung (d.h. die Halbierung) dieser Fahrzeuge erfolgt nur, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Das Fahrzeug muss
- eine Kohlenstoffdioxidemission von höchstens 50 g je gefahrenen km haben oder
- die Reichweite unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Antriebsmaschine
- bei Anschaffung bis Ende 2021 mindestens 40 km betragen bzw.
- bei Anschaffung nach dem 31.12.2021 60 km betragen.
Für bis Ende 2021 angeschaffte Hybriddienstwagen ändert sich also im Jahr 2022 nichts. Einige ab dem nächsten Jahr neu angeschaffte Fahrzeuge erfüllen jedoch die Voraussetzungen für die Listenpreishalbierung nicht mehr. Die Verschärfung gilt auch für Fahrzeuge, die zwar 2021 bestellt, aber nicht mehr vor dem Jahreswechsel ausgeliefert werden. Die neue Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag weitere Verschärfungen für Hybridfahrzeuge angekündigt.
Abschreibungen
Im Rahmen der Corona-Pandemie war die vorübergehende (Wieder-)Einführung einer degressiven Abschreibung in Höhe von 25 % erfolgt. Sie kann für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in Anspruch genommen werden, die in den Jahren 2020 und 2021 angeschafft oder hergestellt worden sind. Eine Verlängerung ist jedoch nicht geplant. Bei Neuinvestitionen ab 2022 gilt damit wieder regelmäßig die lineare AfA.
Sachbezugsfreigrenze und Gutscheine
Ab dem Jahr 2022 wird die steuerfreie Sachbezugsfreigrenze für Arbeitnehmer von 44 € auf 50 € monatlich angehoben (Jahressteuergesetz 2020 v. 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096). Das soll die vom Gesetzgeber beabsichtigte Vereinfachung durch die Sachbezugsfreigrenze in einem etwas erweiterten Umfang auch weiterhin zulassen.
Gutscheine sind aber ab 2022 nur noch dann im Rahmen der Sachbezugsfreigrenze begünstigt, wenn sie ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen (das ist bereits seit dem Jahr 2020 Voraussetzung) und - neu - in ihren Einlösungsmöglichkeiten eingeschränkt sind und damit die Kriterien des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes zur Abgrenzung von Geldmitteln erfüllen (BMF-Schreiben v. 13.04.2021 - IV C 5 - S 2334/19/10007 :002; BStBl I 2021, 624).
Gutscheine (und ggf. auch gegen Sachleistungen einlösbare Geldkarten) gehören weiterhin zu den Sachbezügen, wenn sie bei einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen im Inland ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen. Begünstigt sind demnach Centergutscheine, Kundenkarten von Shopping-Malls und sog. "City-Cards". Begünstigt sind aber z.B. auch von einer bestimmten Tankstellenkette ausgegebene Tankkarten zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen in den einzelnen Tankstellen mit einheitlichem Marktauftritt. Karten eines Online-Händlers sind nur begünstigt, wenn sie zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen aus seiner eigenen Produktpalette berechtigen. Gutscheine oder Geldkarten gehören ebenfalls zu den Sachbezügen, wenn sie unabhängig von einer Betragsangabe dazu berechtigen, Waren oder Dienstleistungen ausschließlich aus einer sehr begrenzten Waren- oder Dienstleistungspalette zu beziehen.
Steuerbefreiungen
Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld sind grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn. Aufgrund der in der Corona-Krise strukturell flächendeckenden Gewährung von Kurzarbeitergeld und zur Vermeidung von sozialen Härten war eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds durch den Arbeitgeber vorübergehend steuerfrei gestellt worden (§ 3 Nr. 28a EStG). Die Steuerbefreiung ist jedoch auf Zuschüsse begrenzt, die für Lohnzahlungszeiträume geleistet werden, die vor dem 01.01.2022 enden. Pläne des Gesetzgebers für eine Verlängerung sind nicht bekannt.
Die mehrmals verlängerte Zahlungsfrist für steuerfreie "Corona-Beihilfen" bis zu 1.500 € je Arbeitnehmer läuft hingegen noch bis zum 31.03.2022 weiter (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz v. 10.03.2021, BGBl I 2021, 330). Die Prämie kann jedoch nur einmalig je Dienstverhältnis und nicht jährlich gewährt werden.
Voraussichtliche Verlängerungen
Weitere Steuervergünstigungen aus der Pandemiezeit laufen Ende 2021 gesetzlich aus. Dazu gehören u.a. die Homeoffice-Pauschale sowie die angehobenen Grenzen beim Verlustrücktrag.
- Steuerpflichtige können in ihrer Steuererklärung für jeden Kalendertag, an dem sie ausschließlich in der häuslichen Wohnung arbeiten, einen Betrag von 5 €, maximal 600 € im Jahr geltend machen (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 4 EStG).
- Um Liquidität zu sichern, ist der steuerliche Verlustrücktrag für die Jahre 2020 und 2021 erweitert und auf 10 Mio. € bzw. 20 Mio. € bei Zusammenveranlagung angehoben worden (§ 10d EStG).
Beide Maßnahmen sollen nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung verlängert werden. deshalb ist mit einer Weitergeltung im Jahr 2022 zu rechnen.
Körperschaftsteuer-Option
Mit einem neuen § 1a KStG wird Personenhandelsgesellschaften, Partnerschaftsgesellschaften und ihren Gesellschaftern die Möglichkeit eingeräumt, ertragsteuerlich und verfahrensrechtlich wie eine Kapitalgesellschaft und deren nicht persönlich haftende Gesellschafter behandelt zu werden (Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts v. 25.06.2021, BGBl I 2021, 2050).
Ausgeübt wird die Option zur Körperschaftsbesteuerung durch einen unwiderruflichen Antrag, der spätestens einen Monat vor Beginn des Wirtschaftsjahrs, ab dem die Option gelten soll, beim zuständigen Finanzamt zu stellen ist. Die Option zur Körperschaftsbesteuerung kann erstmalig für nach dem 31.12.2021 beginnende Wirtschaftsjahre ausgeübt werden. Entspricht das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr, war der Antrag für 2022 bis spätestens 30.11.2021 zu stellen. Für 2023 ergibt sich dann das Wahlrecht erneut. Mit BMF-Schreiben vom 10.11.2021 (IV C 2 - S 2707/21/10001 :004) hat die Verwaltung bereits frühzeitig einen Anwendungserlass zur Körperschaftsteueroption herausgegeben.
Abwehr von Steueroasen
Das Steueroasen-Abwehrgesetz vom 25.06.2021 (BGBl. I 2021, 2056) sieht ab 2022 die Einführung von Abwehrmaßnamen mit Blick auf Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu bestimmten nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten vor (u.a. verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, Versagung Dividendensteuerbefreiung). Nicht kooperative Länder sind Steuerhoheitsgebiete, die keine hinreichende Transparenz in Steuersachen gewährleisten, unfairen Steuerwettbewerb betreiben oder sich nicht zur Umsetzung der BEPS-Mindeststandards gegen Gewinnverlagerung der OECD verpflichtet haben. Sie werden auf der sog. schwarzen Liste der EU gelistet, aktuell z.B. Panama.
Umsatzsteuer Landwirte
Um den Vorgaben des Unionsrechts Rechnung zu tragen, wird der Durchschnittssatz für Pauschallandwirte angepasst. Für das Jahr 2022 wird er auf 9,5 % festgelegt (statt bisher 10,7 %).
Grundsteuerwerte
Die Grundsteuerreform nimmt ab 2022 Fahrt auf. Die Grundsteuer in der bisherigen Form kann zwar noch bis zum 31.12.2024 erhoben werden. Ab dem 01.01.2025 wird für die Ermittlung der Grundsteuer dann erstmalig eine neue Berechnungsgröße zugrunde gelegt. Zukünftig wird für die Berechnung der Grundsteuer nicht mehr auf den Einheitswert, sondern auf den Grundsteuerwert abgestellt (Grundsteuer-Reformgesetz v. 26.11.2019, BGBl I 2019, 1794).
Der Stichtag für die erste Feststellung des Grundsteuerwerts ist der 01.01.2022. Folglich müssen sämtliche Grundstücke in Deutschland, unabhängig davon, ob diese selbstgenutzt oder vermietet werden, auf den 01.01.2022 neu bewertet werden. Somit müssen die Eigentümer für jedes Grundstück eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts erstellen und einreichen. Die Erklärungspflicht besteht jedoch nicht bereits kraft Gesetzes. Vielmehr bedarf es einer Aufforderung durch die Finanzbehörde. Es ist damit zu rechnen, dass die meisten Bundesländer auf eine öffentliche Bekanntmachung zurückgreifen werden.