GmbH-Anteile: Bewertungsgrundsätze bei disquotalen Rechten

Welche Folgen haben disquotale Gewinnbezugs- und Stimmrechte für die Bewertung eines GmbH-Anteils? Nach dem BFH gilt: Fallen diese Rechte deutlich geringer aus, als es dem Anteil am Nominalkapital entspricht, mindert dies regelmäßig den gemeinen Wert, sofern die Liquidation der Gesellschaft nicht konkret absehbar ist. Der BFH ging zudem auf den Vertrauensschutz bei einer Zuwendungsbestätigung ein.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 16.11.2022 (X R 17/20) entschieden, dass Gewinnbezugs- und Stimmrechte, die weit niedriger als der anteilige Kapitalanteil ausfallen, bei der Bewertung eines GmbH-Anteils gewinnmindernd zu berücksichtigen sind, sollte die Liquidation der Gesellschaft noch nicht zeitnah vorgesehen sein.

Sachlage im Streitfall

Der Kläger war alleiniger Anteilseigner einer Holding-GmbH. Er übertrug 89 % der Anteile der GmbH auf eine gemeinnützige Stiftung i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. 

Auf diesen Gesellschaftsanteil entfielen jedoch lediglich 1 % der Stimmrechte sowie der Gewinnbezugsrechte. Die restlichen Stimmanteile und Gewinnbezugsrechte verblieben auf den weiterhin vom Kläger gehaltenen GmbH-Anteilen. 

Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger mittels einer von der Stiftung ausgestellten Zuwendungsbestätigung den Übertrag der GmbH auf die Stiftung als Spende i.S.d. § 10b EStG geltend. Die Bewertung des GmbH-Anteils wurde dabei in Höhe des anteiligen gemeinen Werts der GmbH vorgenommen.

Das Finanzamt veranlagte zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde der Spendenabzug jedoch überprüft. 

Die Außenprüfung bewertete den übertragenen Anteil an der GmbH in Höhe der übergegangenen Gewinnbezugsrechte von 1 % und ließ lediglich einen geringeren Spendenabzug zu. 

Nach erfolglosem Einspruchs- und Klageverfahren gegen den entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid sah auch der BFH die Revision als unbegründet an und wies diese zurück.

Bewertung eines GmbH-Anteils bei disquotalen Gewinnbezugsrechten

Nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. können Zuwendungen insgesamt i.H.v. bis zu 20 % des Gesamtbetrags der Einkünfte abgezogen werden. Zu den Zuwendungen gehört nach § 10b Abs. 3 Satz 1 EStG auch der Übertrag von Wirtschaftsgütern mit Ausnahme von Nutzungen und Leistungen auf steuerbegünstigte Körperschaften. 

Auch Spenden in den Vermögensstock einer nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreiten Stiftung des privaten Rechts können im Veranlagungszeitraum der Zuwendung und in den folgenden neun Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag von 1 Mio. € zusätzlich zu den Höchstbeträgen nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahres 2007 abgezogen werden.

Die Bewertung von übertragenen Anteilen an Kapitalgesellschaften kann dabei grundsätzlich nach dem Stuttgarter Verfahren, nach den speziellen Regelungen des § 97 Abs. 1b BewG anhand des Anteils am Nennkapital sowie nach dem gemeinen Wert des Anteils nach § 9 BewG erfolgen.

Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Im Streitfall ist nach Ansicht des BFH die Bewertung nach dem anteiligen gemeinen Wert i.S.d. § 9 BewG vorzunehmen. 

Das Stuttgarter Verfahren sowie die Bewertung nach § 97 Abs. 1b BewG scheiden im Streitfall für die Bewertung des GmbH-Anteils aus, da beide Verfahren nicht für ertragsteuerliche Zwecke anzuwenden sind. Daher hat die Bewertung nach dem gemeinen Wert gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 9 BewG zu erfolgen.

Der gemeine Wert wird danach durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Zu berücksichtigen sind dabei gem. § 9 Abs. 2 BewG alle Umstände im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, die den Preis beeinflussen können. 

Nicht zu beachten sind dagegen ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse. Bei der Bewertung nach dem gemeinen Wert sind auch die vom Nominalanteil abweichenden Gewinnbezugs- und Stimmrechte zu berücksichtigen. 

Es handele sich dabei um wesentliche preisbeeinflussende Umstände i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 2 BewG, die bei der Bewertung des Anteils unbedingt zu berücksichtigen sind.

Praxishinweis

Der Kläger hat sich im Streitfall auf die Vertrauensschutzregelung nach § 10b Abs. 4 Satz 1 EStG berufen. Nach dieser darf der Steuerpflichtige auf die Richtigkeit der Zuwendungsbestätigung vertrauen, wenn er die Bestätigung nicht durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt hat oder ihm die Unrichtigkeit der Bestätigung nicht bekannt war. 

In dieser Angelegenheit verwies der BFH den Streitfall an das Finanzgericht zurück, damit dieses nochmals prüfen kann, ob den Kläger in Bezug auf die Bewertung des GmbH-Anteils eine grobe Fahrlässigkeit trifft. Auf eine von einer gemeinnützigen Körperschaft ausgestellte Zuwendungsbestätigung können Steuerpflichtige jedoch grundsätzlich vertrauen. 

Lediglich in Konstellationen wie im vorliegenden Fall kann in Einzelfällen die Vertrauensschutzregelung ggf. nicht angewendet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige selbst (mittelbar) an der Ausstellung der Zuwendungsbestätigung mitgewirkt hat.

BFH, Urt. v. 16.11.2022 - X R 17/20

Erstellt von Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)

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