I. Fragen/Gutachten zum Vorliegen von mechanischem Versehen
Von Steuerberater Marian Schildhorn, LL.B.
1. Ist eine unterlassene AfA durch eine Systemumstellung im Buchhaltungsprogramm ein mechanisches Versehen?
In den ESt Erklärungen 2015 und 2016 wurden nach einer Systemumstellung versehentlich die Afa-Beträge nicht eingetragen. Bescheide ergingen ohne Berücksichtigung der Afa. Erst nach Bestandskraft der Bescheide wurde der Fehler erkannt. In den Vorjahren waren die Afa Beträge eingetragen und auch unstrittig.
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Korrekturmöglichkeit?
Im vorliegenden Fall (ivF) ist fraglich, ob die Einkommensteuerbescheide 2015 und 2016 dahingehend geändert werden können, dass die unterlassene Abschreibung geltend gemacht werden kann. Es kommt eine Änderung nach § 129 AO oder § 173 I Nr. 2 AO in Betracht.
Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist.
Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist, der Fehler auf bloße mechanische Versehen zurückzuführen und die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen ist (BFH – Urteil vom 21.10.1987 – IX R 156/84).
Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn ein sogenannter Übernahmefehler dergestalt vorliegt, dass das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH – Urteil vom 03.06.1987 – X R 61/81).
Allerdings muss sich bei einem solchen Übernahmefehler die Unrichtigkeit aus der Erklärung oder den dieser beigefügten Anlagen ergeben (BFH BStBl. 72, 550; 91, 22; 09, 946, 948 f.; BFH/NV 08, 1801, 1802; 14, 825, 826 - Tz. 10): Dabei muss ausgeschlossen sein, dass ein Rechtsirrtum des Veranlagungsbeamten vorliegt.
IvF liegt nach meiner Auffassung und den Sachverhaltsschilderungen kein Rechtsirrtum vor, sondern ein rein mechanisches Versehen, das in einen Übernahmefehler mündet. Ich halte daher die Anwendung von § 129 AO für möglich. Die Systemumstellung beruht auf keinerlei rechtlichen Beurteilung, sondern stellt einen rein mechanischen Vorgang dar.
Ebenfalls kommt als Ermächtigungsgrundlage eine Korrektur § 173 I Nr. 2 AO in Betracht. Dabei müssen Tatsachen, die rechtserheblich sind, dem Finanzamt nachträglich bekannt geworden sein und kein grobes Verschulden vorliegen.
Tatsache ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (BFH – Urteil vom 21.07.1989 – III R 303/84).
IvF kommen als Tatsache die Eigentumsverhältnisse an dem Gebäude in Betracht. Die AfA kann nur derjenige geltend machen, der wirtschaftlicher oder zivilrechtlicher Eigentümer ist, §§ 7 I EStG, 39 AO. Die Existenz des Gebäudes im Eigentum des Steuerpflichtigen stellt somit die Tatsache i.S.d. § 173 I Nr. 2 AO dar.
Ein nachträgliches Bekanntwerden dieser Tatsache liegt jedoch nicht vor, da durch die Abgabe der Anlage V in der Einkommensteuererklärung die maßgeblichen Eigentumsverhältnisse eingetragen wurde. Eine Änderung nach § 173 I Nr. 2 AO scheidet daher aus. Die AfA kann nicht über § 173 I Nr. 2 AO berücksichtigt werden.
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2. Vergessene gewerbesteuerliche Kürzung der Haftungsvergütung als mechanisches Versehen?
Es handelt sich um eine GmbH & Co. KG. Die Komplementär-GmbH erhält eine Haftungsvergütung von der GmbH & Co. KG, weitere Einnahmen hat die GmbH nicht.
Die Haftungsvergütung wird bei der GmbH & Co. KG als Betriebsausgabe und bei der Komplementär-GmbH als Einnahme verbucht. In der Gewerbesteuer wird die Haftungsvergütung wieder als Kürzung gemäß § 9 Nr. 2 GewStG (Gewinn aus Personengesellschaften) eingetragen.
Ist gibt in der Vergangenheit Jahre, wo die Haftungsvergütung bei der Gewerbesteuer gem. §9 Nr.2 GewStG nicht gekürzt wurde, so dass ein entsprechender Gewinn entstanden ist, der zu einer Gewerbesteuerzahlung bei der Stadt geführt hat.
Im vorliegenden Fall (ivF) ist fraglich, ob eine Änderung nach § 129 AO in Betracht kommt. Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist.
Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist, der Fehler auf bloße mechanische Versehen zurückzuführen und die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen ist (BFH – Urteil vom 21.10.1987 – IX R 156/84).
Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn ein sogenannter Übernahmefehler dergestalt vorliegt, dass das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH – Urteil vom 03.06.1987 – X R 61/81). Fraglich ist daher, ob die Nichteintragung der Haftungsvergütung bei der Gewerbesteuer ein mechanisches Versehen darstellt, welches offenbar ist.
Ein Fehler ist dann offenbar i.S.d. § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar und eindeutig oder augenfällig ist (BFH – Urteil vom 13.06.2012 – VI R 85/10). Die Unrichtigkeit muss sich ohne weiteres aus der Erklärung oder den dieser beigefügten Anlagen oder aber aus den Akten des Finanzamts ergeben. IvF handelt es sich nach meiner Auffassung nicht um ein mechanisches Versehen, sondern um einen Rechtsanwendungsfehler.
Fehler bei der Auslegung, Anwendung oder Nichtanwendung einer Rechtsvorschrift stellen keine offenbare Unrichtigkeit dar (BFH – Urteil vom 28.05.2015 – VI R 63/13). Bereits die ernsthafte Möglichkeit eines Rechtsfehlers schließt eine Berichtigung nach § 129 AO aus.
Ein mechanisches Versehen könnte ivF nur dann vorliegen, wenn in einem Vorjahr eine Eintragung erfolgte, dies aber in einem nachfolgenden Jahr unterblieben ist. IvF wurde aber nur vergessen, die Vorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG anzuwenden.
Dies lässt eine Möglichkeit auf einen Rechtsanwendungsfehler zu. Nach meiner Auffassung scheidet daher eine Korrektur nach § 129 AO aus. Auch § 173 I Nr. 2 AO scheidet aus, da keine Tatsache vorliegt (die rechtliche Subsumtion unter § 9 GewStG stellt keine Tatsache dar).
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3. Zinsberechnung bei § 7g als mechanisches Versehen?
Durch einen Eingabefehler wurde irrtümlich bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns eines im Jahr 2014 ausgeschiedenen Gesellschafters einer OHG ein Wert von insgesamt EUR 3.887,- hinzugerechnet.
Die Betextung der irrtümlichen Hinzurechnung auf der Berechnungsliste lautete „Hinzurechnung von Zinsen nach § 7g. Ebenfalls wurde eine in sich falsche Formel zur Berechnung dieser Zinsen offen auf der Berechnung angegeben. Die Berechnungsliste liegt dem Finanzamt seit der Einreichung der Steuererklärung 2014 vor.
- Der ursprüngliche GuE-Bescheid 2014 mit dem falsch berechneten Veräußerungsgewinn für den Gesellschafter ist unter Berücksichtigung des VDN n. § 164 (1) AO am 08.06.2016 ergangen.
- Am 30.12.2016 erging ein geänderter GuE-Bescheid 2014, welcher nach n. § 164 (2) geändert wurde. Der Bescheid enthält ebenfalls noch den falsch berechneten Veräußerungsgewinn, da sich die Änderung nur auf die Nichtabziehbarkeit von Zinsen nach § 4 (4a) EStG in Höhe von insgesamt EUR 50,- bei dem ausgetretenen Gesellschafter bezog. Mit diesem Bescheid wurde jedoch der VDN nach § 164 AO aufgehoben.
- Am 02.04.2019 ergeht nun ein weiterer GuE-Bescheid 2014, welcher nach § 7g Abs. 3 Satz 2. EStG aufgrund der Nichtanschaffung eines gebildeten Investitionsabzugsbetrages im Jahr 2014 rückwirkend geändert wurde. Der Anteil am IAB für den Gesellschafter beträgt EUR 29.600,-.
Im April haben wir einen Antrag auf Änderung des Veräußerungsgewinns nach § 129 AO gestellt mit der Begründung, dass es keine Zinsen nach § 7 g gibt und es sich um einen Formelfehler handelt. Dieser Antrag erging gegen den Bescheid vom 02.04.2019.
Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, dass der Sachverhalt für einen unvoreingenommenen Dritten nicht klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit ersichtlich gewesen ist und ein Eingabe- oder Übertragungsfehler seitens des Finanzbeamten nicht vorliegt.
Weiterhin haben wir einen Antrag nach § 177 AO gestellt mit der Bitte um Änderung des Veräußerungsgewinns mit der Begründung, dass die Zinsen nach § 7g deklariert wurden und der Bescheid vom 02.04.2019 nach § 7g geändert wurde.
Die Änderung zu Ungunsten des Gesellschafters von EUR 29.600,- wäre ausreichend für die Korrektur. Der Antrag wurde ebenfalls abgelehnt mit der Begründung, dass der Adressat des zu korrigierenden Steuer-VA und der von der Kompensation Betroffene identisch sein müssen. Angegeben wurde zu der Ablehnung eine Fundstelle (Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 250. Lieferung 11.2018, 177 AO Rz. 92).
Nach § 177 I AO sind, wenn die Voraussetzungen für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten des Steuerpflichtigen vorliegen, soweit die Änderung reicht, zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen solche Rechtsfehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind.
Voraussetzung für eine Änderung ist, dass überhaupt eine Änderung erfolgt, die den Änderungsrahmen vorgibt (BFH – Urteil vom 07.02.2012 – VIII B 63/11). § 177 I und II AO setzen voraus, dass die Korrektur, ebenso wie die vorzunehmende Kompensation, in objektiver und subjektiver Hinsicht ein und denselben Regelungsgegenstand betreffen.
Der Adressat des zu korrigierenden Steuerbescheids und der von der Kompensation Betroffene müssen dabei identisch sein. Nach Literaturmeinung und einer BFH – Ansicht können damit Änderungsbescheide, die den laufenden Gewinn geändert haben, mangels gleichem Regelungsgegenstand, nicht mit Rechtsfehlern bei der Berechnung eines Veräußerungsgewinns verrechnet werden (Loose in Tipke/Kruse, Rz. 7, von Wedelstädt in Beermann/Gosch, Rz. 32, BFH – Urteil vom 29.07.1977 – VIII R 67/76).
Die Feststellung des Veräußerungsgewinns hat im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung somit einen eigenen Regelungscharakter, der in keinem Zusammenhang zur Änderung nach § 7g III (laufender Gewinn) steht.
Somit ist eine Kompensation nach § 177 AO nicht möglich. Eine Kompensation ist nur möglich, wenn die Hinzurechnung nach § 7g III EStG auch den Veräußerungsgewinn beeinflusst. Gem. § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.
Es muss sich um mechanische Fehler handeln, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können. Sofern jedoch die Möglichkeit eines Fehlers bei der Tatsachenwürdigung oder der rechtlichen Würdigung besteht, scheidet eine Berichtigung auf dieser Grundlage aus (BFH – Urteil vom 24.07.1984 – VIII R 304/81, 14.06.2007 – IX R 2/07).
Es muss sich um einen Fehler handeln, der in einem sonstigen mechanischen, zumal unbewussten, gedankenlos – gewohnheitsmäßigen, unwillkürlichen Fehler besteht. Hervorgerufen muss der Fehler durch Unachtsamkeit, Flüchtigkeit, Gedankenlosigkeit oder Abgelenktheit (Tehler, DStR 2009, 1019). Offenbar ist ein Fehler nur, wenn er bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH – Urteil vom 04.06.2008 – X R 47/07).
Der Fehler muss auch grundsätzlich bei Erlass des Verwaltungsakts verursacht werden. Der Fehler muss daher in der Sphäre des Finanzamts liegen. Jedoch kann nach der ständigen Rechtsprechung des BFH eine offenbare Unrichtigkeit ausnahmsweise dann vorliegen, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH – Urteil vom 17.06.2004 – IV R 9/02).
Tatbestandsmäßige Voraussetzung ist jedoch, dass der Fehler für die Finanzbehörde erkennbar war. Die Unrichtigkeit muss sich ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen oder beigefügter Anlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben (BFH – Urteil vom 27.05.2009 – X R 47/08).
Eine mangelhafte Amtsermittlung stellt keine offenbare Unrichtigkeit dar (BFH – Urteil vom 31.07.1990 – I R 116/88). Sofern tatsächlich ein Berechnungsfehler vorliegt, der nicht auf einer materiell – rechtlichen Würdigung des § 7g EStG beruht, kommt eine Änderung in Betracht, da sich dieser aus der Anlage ergibt.
Bei einer falschen rechtlichen Würdigung, dass keine Zinsen vorliegen und diese jedoch angesetzt wurden, kommt ein mechanisches Versehen nicht in Betracht. Es liegt nach meiner Auffassung ein Anwendungsfehler im materiellen Recht näher. Auch eine andere Korrekturvorschrift scheidet aus.
II. Fragen/Gutachten zum Vorliegen eines mechanischen Versehens beim Erlass eines VA
1. Liegt ein Fehler beim Erlass eines Verwaltungsakts vor?
A reicht die Steuererklärung für das Jahr 2014 beim Finanzamt ein. Zu den deklarierten Einkünften aus KSO werden die einzelnen Steuer- bzw. Erträgnis-Bescheinigungen der jeweiligen Banken beigefügt, aus denen sich die Einzelerträge ergeben.
Im Rahmen einer Mitteilung aus dem Ausland werden die Kapitaleinkünfte für das Jahr 2014 nochmals vom Finanzamt abgefragt. Die Meldung der ausländischen Bank an das Finanzamt weist nunmehr Einzelerträge aus, die bereits in der Erträgnisaufstellung aufgeführt, aber durch die Bank nicht in die Steuerbescheinigung der Gesamt-Erträge übernommen wurden.
Die Summe der nunmehr durch die Bank gemeldeten Erträge liegt aufgrund der ZBstG vom 17.12.2004 (nicht alle Erträge sind meldepflichtig) unter den Erträgen laut Steuerbescheinigung aus 2014.
Das Finanzamt räumt auf Anfrage ein, dass sowohl die Erträgnisaufstellung mit Einzelerträgen als auch die Steuerbescheinigung bereits bei der Veranlagung 2014 vorgelegen haben.
Darstellung BANK
Kapitalerträge
Dividende 10.05. € 11
Dividende 10.09. € 4 € 11
Erträge gesamt 2014 € 35
Meldung Bank für 2014 € 15 (11 + 4)
Im vorliegenden Fall (ivF) ist fraglich, ob der Steuerbescheid 2014 geändert werden kann. Als Änderungsvorschriften kommen dabei § 173 I Nr. 2 AO und § 129 AO in Betracht.
Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist.
Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist, der Fehler auf bloße mechanische Versehen zurückzuführen und die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen ist (BFH – Urteil vom 21.10.1987 – IX R 156/84).
Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn ein sogenannter Übernahmefehler dergestalt vorliegt, dass das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (BFH – Urteil vom 03.06.1987 – X R 61/81).
Ein offenbar mechanisches Versehen eines Dritten (Arbeitgeber, Bank, Versicherer bei Lohn-, Kapitalertrag-, Renten- oder Beitragsbescheinigungen unterlaufene Fehler) kann ebenfalls einen Übernahmefehler auslösen (FG Niedersachsen, EFG 14, 1743; FG Düsseldorf EFG 15, 1328).
Allerdings muss sich bei einem solchen Übernahmefehler die Unrichtigkeit aus der Erklärung oder den dieser beigefügten Anlagen ergeben (BFH BStBl. 72, 550; 91, 22; 09, 946, 948 f.; BFH/NV 08, 1801, 1802; 14, 825, 826 - Tz. 10): Dabei muss ausgeschlossen sein, dass ein Rechtsirrtum des Veranlagungsbeamten vorliegt. IvF ist der Sachverhalt entsprechend gelagert.
Die Bank hat eine falsche Steuerbescheinigung ausgegeben, die von der Erträgnisaufstellung differiert. Es handelt sich dabei auch um keinen Rechtsirrtum, sondern um ein mechanisches Versehen dergestalt, dass die Erträge nicht richtig in die Steuerbescheinigung übernommen wurden. Somit liegt ivF ein Übernahmefehler vor, der zur Änderung nach § 129 AO führt.
Ohne weitere juristische Ausführungen stimme ich bezüglich einer Änderbarkeit nach § 173 I Nr. 2 AO der Auffassung der Finanzverwaltung zu. Die Tatsache als Lebenssachverhalt besteht ivF in den Einzelerträgen. Diese waren aus den Steuerakten bekannt, auf die positive Kenntnis und Wahrnehmung des Veranlagungsbeamten kommt es nicht an.
Somit liegt kein nachträgliches Bekanntwerden dieser Tatsachen vor. Eine Änderung nach § 173 I Nr. 2 AO scheidet daher aus.