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Wann liegen die Voraussetzungen für die Berichtigung steuerlicher Bescheide vor? Der BFH hat geklärt, wann eine „offenbare Unrichtigkeit“ nach § 129 AO gegeben ist. Demnach muss der Fehler klar und deutlich erkennbar sein. Falls danach weitere Sachverhaltsermittlungen für die korrekten Angaben erforderlich sind, schadet das nicht unbedingt. Maßstab ist die Sicht eines unvoreingenommenen Dritten.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 08.12.2021 (I R 47/18) entschieden, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage nicht ausreicht. Auf einer zweiten Stufe sind noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur Einstufung der tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin ist eine GmbH, deren Gesellschafter sich dazu verpflichteten, zur Stärkung des Kapitals der Gesellschaft Darlehensforderungen gegenüber einer weiteren Gesellschaft i.H.v. umgerechnet 2.315.000 € unentgeltlich in die Gesellschaft einzubringen. Die Einlagen sollten als Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ausgewiesen werden.
Mit der entsprechenden Körperschaftsteuererklärung reichten die Gesellschafter den Jahresabschluss ein, aus dem eine Kapitalrücklage i.H.v. insgesamt 2.315.017,50 € hervorging.
In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung des steuerlichen Einlagekontos war jedoch ein entsprechender Zugang nicht eingetragen worden, wodurch das Finanzamt (FA) auch die Höhe des steuerlichen Einlagekontos weiterhin bei 0 € feststellte.
Nachdem der Fehler aufgefallen war, beantragte die Klägerin die Änderung dieses Feststellungsbescheids gem. § 129 AO, was das FA jedoch ablehnte.
Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ebenfalls als unbegründet ab. Der BFH sah die Revision der Klägerin jedoch als begründet an und wies die Sache an das FG zurück.
Offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO
Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.
Die Voraussetzung hierfür ist, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Als offenbare Unrichtigkeiten gelten mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler.
Nicht unter diese Norm fallen dagegen andere Fehler, wie z.B. die Auslegung einer Rechtsnorm oder eine falsche Tatsachenwürdigung.
Eine Anwendung des § 129 AO kommt daher bereits nicht mehr in Betracht, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Fehler auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung, einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem Auslegungsfehler beruht.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Der BFH geht nach den Feststellungen des FG davon aus, dass es erkennbar war, dass der Bescheid zur Feststellung des steuerlichen Einlagekontos i.S.d. § 27 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG erkennbar unrichtig war, da der Jahresabschluss die Kapitalrücklage inklusive entsprechender Erläuterung zu der Erhöhung dieser auswies.
Im Gegensatz zum FG sieht der BFH es jedoch als nicht erforderlich an, dass § 129 AO auch die Erkennbarkeit des zutreffenden Werts des steuerlichen Einlagekontos fordert.
Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos der Klägerin nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage i.S.d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, schließt entgegen der Auffassung des FG eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO nicht aus.
Der BFH hält darüber hinaus in dem vorliegenden Fall einen Rechtsfehler für ausgeschlossen und daher eine Korrektur des steuerlichen Einlagekontos für möglich.
Praxishinweis: Der BFH hat mit dieser Entscheidung den Anwendungsbereich des § 129 AO weiter definiert. Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen einer tatsächlich offenbaren Unrichtigkeit und einem Rechtsfehler schwer zu differenzieren sein.
Steuerpflichtige und Steuerberater sollten daher jeweils herausstellen, dass der Fehler tatsächlich auch für das FA anhand der vorliegenden Unterlagen hätte erkennbar sein können und somit ein Rechtsfehler auszuschließen ist.
BFH, Urt. v. 08.12.2021 - I R 47/18
Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)