Wie auch Schmid in BC 2023, 132 ausführt, haben mehrere Grundbesitzerverbände angekündigt, Musterklagen gegen das Bundesmodell einzureichen.
Mit den Musterklagen soll unter anderem gerügt werden, dass im Bundesmodell pauschale Werte angesetzt werden und umfassende Typisierungen greifen. So ist z.B. ein Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts im Bundesmodell nicht möglich. Auch der Nachweis von niedrigeren Bodenrichtwerten oder niedrigeren Mieten ist nicht vorgesehen - dies könnte einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot darstellen.
Eine erste Klage zum Bundesmodell bei dem FG Baden-Württemberg unter dem AZ (8 K 2368/22) vorliegen, die vom Bund der Steuerzahler unterstützt wird.
Im Ergebnis dürften die Musterklagen auf die nachfolgenden Überlegungen gestützt werden (vgl. insoweit auch Becker in Haufe „Sind Rechtsmittel gegen die neuen Grundsteuerwertbescheide ratsam?“):
Die neuen Bewertungsverfahren sehen sowohl im Bereich des Grundvermögens als auch im Bereich des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (aus Vereinfachungsgründen) umfassende Typisierungen vor. Nach der Rechtsprechung des BVerfG steht es dem Gesetzgeber zwar grundsätzlich frei, bestimmte Bewertungsparameter typisierend festzulegen und deren Rechtsverbindlichkeit bei der Bewertung von Grundbesitz anzuordnen, solange die Grenzen der Typisierung eingehalten sind. Die Typisierung, die der Bewertung zugrunde liegt, rechtfertigt aber keine Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall.
Das Übermaßverbot ist verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder - anders ausgedrückt - die Folgen auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind (vgl. z. B. BFH, Urteil v. 2.7.2004, II R 22/02, BFH/NV 2004, S. 1519, m. w. N.).
Der Gesetzgeber hat sich im Bundesmodell dafür entschieden, den typisiert ermittelten Grundstückswert als Belastungswert heranzuziehen. Hierbei akzeptiert er aber extreme Nivellierungen der Grundsteuerwerte durch die typisierte Bewertung. Das Bundesmodell sieht keine Möglichkeit vor, einen niedrigeren gemeinen Wert als den sich nach den Bewertungsvorschriften des BewG ergebenden nachzuweisen. Die Möglichkeit des Nachweises von tatsächlich niedrigeren Bodenrichtwerten (oder auch Vergleichsmieten) gebietet aber das grundgesetzliche Übermaßverbot. Für das Bundesmodell muss daher die Möglichkeit eröffnet werden, durch ein Gutachten nachzuweisen, dass der tatsächliche Bodenwert des Grundstücks erheblich von dem nach § 247 Abs. 1 Satz 2 BewG unangepassten Bodenrichtwert abweicht.
Zudem stehen die finanziellen Auswirkungen der Grundsteuer erst nach Festsetzung der nachfolgenden Grundsteuerbescheide durch die Gemeinden fest. Zu diesem Zeitpunkt werden die Grundsteuerwertbescheide (als Grundlagenbescheide) jedoch regelmäßig bereits bestandskräftig sein. Die Rechtsfolgen der Grundsteuerwertbescheide lassen sich damit in Ermangelung angepasster Hebesätze bis zum Ende der Rechtsbehelfsfrist der Grundlagenbescheide nicht absehen. Dies könnte gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierende Bestimmungsgebot, dass auch im Steuerrecht gilt, verstoßen.
Das Bestimmungsgebot besagt, dass der Bürger erkennen muss, welche Rechtsfolgen sich aus seinem Verhalten ergeben können. Die staatliche Reaktion auf sein Handeln muss also voraussehbar sein, andernfalls bestünde die Gefahr einer staatlichen Willkür. Der Bestimmtheitsgrundsatz schafft also Rechtssicherheit.
Eine Einspruchseinlegung mit der Begründung, dass die neuen Grundsteuerregelungen verfassungswidrig sind, dürfte nicht unbedingt erfolgsversprechend sein, um die Bescheide langfristig offen zu halten. Die Finanzverwaltung weist nämlich Einsprüche, mit denen die Verfassungswidrigkeit von Rechtsnormen geltend gemacht wird, regelmäßig mit der Begründung zurück, dass sie an geltendes Recht gebunden sei, solange keine Entscheidung des BVerfG vorliege, dass die Normen verfassungswidrig seien.
Dem Vernehmen nach machen die Finanzämter derzeit wegen der Fülle der Einspruchsverfahren von diesem Vorgehen zunächst keinen Gebrauch und stellen die Entscheidung über die Einsprüche zurück. Sie berufen sich dabei auf § 363 Abs. 2 Satz 1 AO.
Die sog. Zwangsruhe des Einspruchsverfahrens kommt erst in Betracht, wenn ein Musterverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des neuen Bewertungsverfahrens vor dem BFH bzw. dem BVerfG anhängig ist (vgl. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO).
Auf: www.haufe.de/steuern/kanzlei-co/einspruch-gegen-die-neuen-grundsteuerwertbescheide_170_581360.htmlfindet sich das nachfolgende Muster, einer Einspruchsbegründung zum Bundesmodell, das die vorstehenden Überlegungen berücksichtigt.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit lege(n) ich/wir Einspruch gegen den oben genannten Steuerbescheid vom tt.mm.jjjj ein. Den Einspruch begründe(n) ich/wir wie folgt:
Die dem Bescheid zugrunde liegenden gesetzlichen Regelungen des Bewertungsgesetzes sind meines/unseres Erachtens verfassungswidrig.
Die Grundsteuerwerte werden in einem typisierten Verfahren ermittelt. Bei der Wertbestimmung des Grund und Bodens besteht ein Anpassungsverbot an einen evtl. niedrigeren gemeinen Wert, weshalb objektspezifische Besonderheiten nicht berücksichtigt werden können.
Es besteht auch keine Möglichkeit, durch ein Sachverständigengutachten den Nachweis zu führen, dass der tatsächliche gemeine Wert niedriger ist. Dies verletzt das verfassungsrechtliche Gebot des Übermaßprinzips. Wenn die Festsetzung der Grundsteuer durch die Gemeinde an den Wert des Grundstücks anknüpfen soll, muss der Wert des Grundstücks realitätsgerecht ermittelt werden.
Die finanziellen Auswirkungen der Grundsteuer stehen zudem erst fest, nachdem die Gemeinden die Grundsteuerbescheide erlassen haben. Dann werden die (anzufechtenden) Grundlagenbescheide in nahezu allen Fällen bereits in Bestandskraft erwachsen sein. Aufgrund der zeitlichen Diskrepanz zwischen dem Erlass der Grundlagen- und Folgebescheide verstoßen die Grundlagenbescheide gegen den staatlichen Bestimmtheitsgrundsatz.
Ich/wir beantrage(n) deshalb das Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 Satz 1 AO bis die finanziellen Konsequenzen der Bescheide klar ersichtlich sind. Zudem kommt auch aufgrund bereits anhängiger Musterverfahren zur Verfassungsmäßigkeit der neuen Bewertungsregelungen im Bundesmodell (vgl. die beim FG Berlin-Brandenburg anhängigen Verfahren 3 K 3170/22 und 3 K 3018/23) bzw. hilfsweise wegen der bereits beim FG Baden-Württemberg unter den Aktenzeichen 8 K 2368/22 und 8 K 2491/22 anhängigen Klageverfahren zum baden-württembergischen Ländermodell ein Ruhen des Verfahrens in Betracht. Ich/Wir stimme(n) einem solchen Ruhen des Verfahrens bereits jetzt zu.
Darüber hinaus beantragen wir die Aufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 AO in den angefochtenen Bescheid. Durch die Aufnahme dieser Nebenbestimmung könnte der Bescheid innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist jederzeit geändert werden.
Für den Fall, dass Sie meinen/unseren Ausführungen nicht folgen und Anträgen nicht entsprechen wollen, beantrage(n) ich/wir die Erörterung des Sach- und Rechtsstands nach § 364a AO.
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Überdies besteht wohl die Möglichkeit des Downloads eines Mustereinspruchs zur Grundsteuer (Bundesmodell) beim Bund der Steuerzahler, vgl. steuerzahler.de/publikationen/detail/mustereinspruch-grundsteuer-bundesmodell/. Allerdings konnte der Download bisher nicht erfolgreich gestartet werden.
Demgegenüber stellt Herold in KP 2023, 30-32 folgenden Mustereinspruch zur Verfügung:
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Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit legen wir gegen den Bescheid über die Feststellung des Grundsteuerwerts vom (Datum) Einspruch ein und beantragen gleichzeitig ein Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine eventuelle Verfassungswidrigkeit des aktuellen Bewertungs- und Grundsteuergesetzes. Zwar ist derzeit weder eine Klage beim Bundesfinanzhof noch eine Klage beim Bundesverfassungsgericht anhängig, doch diese werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in Kürze eingereicht werden. Wir würden es daher als unbillig empfinden, wenn Sie unseren Einspruch nicht ruhen lassen.
Wir berufen uns bei unserem Einspruch auf die Aussagen des Verfassungsrechtlers Gregor Kirchhof (vgl. dazu: www.iww.de/s7325; Kirchhof, „Die neue Grundsteuer ist in einigen Bundesländern verfassungswidrig“). Dieser hat in einem Interview mit focus.de ausgeführt: „Eigentlich sollte eine gleichheitsgerechte Vereinfachung gelingen. Doch ist das System weiterhin zu kompliziert.“ Die vielen Parameter würden sich nicht „zu einem folgerichtigen Bewertungssystem“ verbinden. „Die Grundsteuer des Bundes ist bereits deshalb gleichheitswidrig“.
Wir behalten uns eine weitergehende Begründung unseres Einspruchs vor.
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Es bietet sich daher an, die Textbausteine zu verwenden und entsprechend anzupassen - insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits Einsprüche eingelegt wurden.