- Das für eine Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen eine Prüfungsanordnung erforderliche besondere Feststellungsinteresse im Sinne von § 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung fehlt, wenn die Prüfungsergebnisse bereits bescheidmäßig umgesetzt worden sind (Anschluss an Senatsurteil vom 20.02.1990 - IX R 83/88, BFHE 160, 391, BStBl II 1990, 789).
- Dies gilt auch, wenn die Umsetzung der Prüfungsergebnisse in mehreren Bescheiden unterschiedlicher Finanzbehörden erfolgt ist.
BFH, Urt. v. 11.03.2025 - IX R 30/22
Kurzfassung
Der BFH hat entschieden, dass das für eine Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen eine Prüfungsanordnung erforderliche besondere Feststellungsinteresse i.S.v. § 41 Abs. 1 der FGO fehlt, wenn die Prüfungsergebnisse bereits bescheidmäßig umgesetzt worden sind (Anschluss an BFH, Urt. v. 20.02.1990 - IX R 83/88, BFHE 160, 391 = BStBl II 1990, 789). Dies gilt auch, wenn die Umsetzung der Prüfungsergebnisse in mehreren Bescheiden unterschiedlicher Finanzbehörden erfolgt ist.
Ursprünglicher Urteilsfall FG Niedersachsen vom 19.11.2021 - 7 K 169/21
Beim Kläger handelt es sich um eine natürliche Person, welche in verschiedenen Bereichen gewerblich tätig ist. Er ist u.a. als Veranstalter eines jährlich stattfindenden Festivals tätig.
Hierzu engagierte er in- und ausländische Künstler, Künstlergruppen und Produktionsgesellschaften. Letztere unterlagen mit ihren Gagen dem Steuerabzug nach § 50a EStG.
Die Anmeldungen über den Steuerabzug bei Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige reichte der Kläger zunächst bei dem nach Auffassung des Beklagten damals für den Steuerabzug nach § 50a EStG zuständigen Finanzamt und nachfolgend beim BZSt, welches nach Auffassung des Beklagten für nach dem 31.12.2013 zufließende Vergütungen für den Steuerabzug nach § 50a EStG zuständig ist, ein.
Seit 2016 betreibt der Kläger das Festival nicht mehr als Einzelunternehmen; Veranstalterin ist nunmehr die K GmbH & Co. KG, deren Hauptgesellschafter der Kläger ist. Das Finanzamt erließ 2015 eine Prüfungsanordnung zur Durchführung einer Lohnsteueraußenprüfung für den Prüfungszeitraum Januar 2012 bis Dezember 2014.
Im Rahmen der angeordneten Außenprüfung sollte der Steuerabzug gem. §50a Abs. 1 Nr.1 EStG geprüft werden. Im Mai 2016 wurde eine weitere Prüfungsanordnung für den Zeitraum Januar 2015 bis Dezember 2015 erlassen. Ein Prüfungsbericht lag für den vorherigen Zeitpunkt bisher nicht vor, obwohl die Außenprüfung bereits am 01.10.2015 begonnen hatte. Das beklagte Finanzamt führte bei dem Kläger aufgrund gesonderter Prüfungsanordnungen jeweils vom 23.03.2015 für den Kläger und von ihm betriebene Unternehmen auch Außenprüfungen (beginnend im Mai 2015) zur Gewerbe-, Einkommen- und Umsatzsteuer sowie Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die Veranlagungszeiträume 2014 und 2015 durch.
Zudem wurde durch das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerverkürzung und Steuerhinterziehung eingeleitet. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens waren ebenfalls Räumlichkeiten des Klägers durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt worden.
Gegen keine Prüfungsanordnung erhob der Kläger Einspruch. Im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass der Kläger seiner Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Steuerabzugsbeträge nach § 50a Abs. 5 Satz 2 und 3 EStG i.V.m. § 73e EStDV nicht vollständig nachgekommen war.
Das Finanzamt (für 2012 und 2013) sowie das BZSt (für 2014 und 2015) erließen daraufhin Haftungsbescheide bzw. Nacherhebungsbescheide gegenüber dem Kläger als Vergütungsschuldner.
Gegen beide Bescheide sind seit 2018 Klagen vor dem FG Niedersachsen (Haftungsbescheid) und dem FG Köln (Nacherhebungsbescheid) anhängig. In beiden Verfahren führt der Kläger an, die Prüfungsanordnungen seien von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden und deshalb nichtig.
Die Nichtigkeit führe zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich der Prüfungsfeststellungen. Zudem erhob der Kläger 2021 die vorliegende Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen die ergangenen Prüfungsanordnungen.
Das FG hatte der Klage teilweise stattgegeben, da nach dessen Ansicht für die Jahre 2014 und 2015 das BZSt für eine Außenprüfung sachlich zuständig gewesen wäre, und befand die Prüfungsanordnungen insoweit als nichtig.
BFH-Urteil vom 11.03.2025 - IX R 30/22
Gegen das Urteil des FG Niedersachsen hatten sowohl der Beklagte als auch der Kläger Revision eingelegt.
Mit seiner Revision rügt das Finanzamt die Verletzung des § 41 Abs. 1 FGO und vertritt die Ansicht, dass der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit habe. Der Kläger führt an, dass das FG Bundesrecht verletzt habe, da es die Prüfungsanordnungen nicht auch für die Jahre 2012 und 2013 als nichtig gewertet habe.
Hinweis: Gem. § 41 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Eine Nichtfeststellungsklage ist sodann begründet, wenn der angefochtene Verwaltungsakt gem. § 125 AO einen besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehler enthält. Nach Ansicht des BFH ist die angefochtene Entscheidung des FG Niedersachsen aufzuheben, soweit das FG festgestellt hat, dass die Anordnung für eine Außenprüfung betreffend den Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 EStG vom 30.05.2016 in Gänze und die entsprechende Prüfungsanordnung vom 15.09.2015 hinsichtlich des Prüfungsjahres 2014 nichtig sind. Die Revision des Finanzamts ist demnach begründet. Die Revision des Klägers ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Begründung gab der BFH an, dass das vorherige Urteil an dem Rechtsfehler leidet, die Feststellungsklage als zulässig anzusehen.
Es fehlt an einem für die Feststellung der Nichtigkeit der Prüfungsanordnungen erforderlichen berechtigten Interesse i.S.v. § 41 Abs. 1 FGO. Ein berechtigtes Interesse für eine Festellungsklage kann sowohl in rechtlicher als auch in wirtschaftlicher oder ideeller Art vorliegen.
Die Rechte des Klägers müssen ohne gerichtliche Feststellung gefährdet sein. Die Feststellung muss geeignet sein, zu einer Verbesserung der Rechtsposition des Klägers zu führen (BFH, Urt. v. 28.09.2022 - X R 7/21, BFHE 278, 254 = BStBl II 2023, 178, Rdnr. 32 sowie v. 29.07.2003 - VII R 39/02, VII R 43/02, BFHE 202, 411 = BStBl II 2003, 828, Abs. 2b, jeweils m.w.N.).
Ein berechtigtes Interesse besteht dagegen nicht, wenn der Kläger sein Prozessziel auf anderem Weg schneller, einfacher und billiger erreichen kann (BFH, Urt. v. 20.02.1990 - IX R 83/88, BFHE 160, 391 = BStBl II 1990, 789, Rdnr. 2).
Des Weiteren stützt sich der BFH auf das Senantsurteil vom 20.02.1990 (IX R 83/88, BFHE 160, 391 = BStBl II 1990, 789), welches besagt, dass, wenn sich ein Kläger ausschließlich auf die Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung beruft und die Prüfungsfeststellungen bereits in einem Bescheid ausgewertet sind, es an einem nichtigkeitsfeststellungsklageberechtigten Interesse fehle.
Es bedarf keines vorgelagerten gerichtlichen Feststellungsausspruchs zur Nichtigkeit, wenn das Ziel des Steuerpflichtigen ist, in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen einen der Außenprüfung nachfolgenden Steuerbescheid ein Verwertungsverbot der Prüfungsfeststellungen zu erreichen.
Eine Feststellungsklage ist demnach nur zulässig, wenn sie benötigt wird und geeignet ist, ein Verwertungsverbot auszulösen (Seer, in: Tipke/Kruse, § 196 AO Rdnr. 43; Gosch, in: Gosch, § 196 AO Rdnr. 182). Eine Gefährdung der Rechte des Klägers ist trotz des Erlasses mehrerer Auswertungsbescheide von unterschiedlichen Finanzbehörden nicht erkennbar. Der Kläger kann sowohl im Haftungs- als auch im Steuernachforderungsverfahren den Einwand der Nichtigkeit der Prüfungsanordnungen unmittelbar geltend machen, um sein Ziel eines Verwertungsverbots zu erreichen.
Fazit
Die Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung führt zu einem formellen Verwertungsverbot bezüglich der Prüfungsfeststellungen, die auf einer nichtigen Prüfungsanordnung beruhen (Intemann, in: Koenig, Kommentar zur AO, 4. Aufl. 2021, Rdnr. 63 ff., zu § 196 AO mit Rechtsprechungsnachweisen). Ein Steuerpflichtiger hat deshalb ein berechtigtes Interesse an der Feststellung daran, dass bzw. ob die Prüfungsanordnungen des Finanzamts nichtig sind oder nicht. Auch dieser Verfahrensgang zeigt wieder, wie unterschiedlich Gerichte Einzelfälle würdigen können.
Diplom-Finanzwirtin, Steuerberaterin Julia Goldbaum, Düsseldorf