Wann greift die Pflicht zur Einreichung einer E-Bilanz? Und wann ist die elektronische Übermittlung für Kleinbetriebe unzumutbar? Der BFH hat entschieden: Eine „unbillige Härte“ liegt nicht schon deshalb vor, weil Einkünfte gering oder negativ sind. Ausschlaggebend ist, ob die entstehenden Kosten angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung unverhältnismäßig sind.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 21.04.2021 (XI R 29/20) dazu Stellung genommen, unter welchen Umständen von der Härtefallregelung bei der Abgabe der E-Bilanz Gebrauch gemacht werden kann.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Die klagende haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG) mit einem Stammkapital von 2.500 € reichte die Steuererklärungen und Bilanzen für etliche Veranlagungszeiträume in Papierform ein. Für ein Jahr übermittelte die UG die Steuererklärungen elektronisch, während sie ihre Bilanz sowie ihre Gewinn- und Verlustrechnung weiterhin in Papierform einreichte.
In den Erläuterungen des letzten Körperschaftsteuerbescheids wies das Finanzamt (FA) die UG darauf hin, dass die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung gem. § 5b EStG elektronisch zu übermitteln seien.
Dennoch reichte die UG die Bilanz nebst Gewinn- und Verlustrechnung für das Folgejahr nicht nach dem amtlich vorgeschriebenen Datensatz elektronisch ein, während sie ihre Steuererklärungen erneut in elektronischer Form übermittelte.
Das FA forderte die UG unter Verweis auf die einschlägigen Vorschriften auf, die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch zu übermitteln.
Per E-Mail übersandte die UG die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung und beantragte gleichzeitig, die Unterlagen auf diesem Weg einreichen zu dürfen. Das FA lehnte dies ab, Einspruch und Klage waren erfolglos. Der BFH bestätigte dies.
Generelle Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung
Wird der Gewinn gem. § 4 Abs. 1, § 5 oder § 5a EStG ermittelt, so ist gem. § 5b Abs. 1 Satz 1 EStG der Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln. Die UG als Variante der GmbH ist eine Kapitalgesellschaft, welche ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt.
Der BFH stellt in diesem Zusammenhang vorsorglich fest, dass die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung von Daten an die Finanzverwaltung (einschließlich der Pflicht zur Schaffung der dafür erforderlichen Voraussetzungen) verfassungsgemäß ist.
Ausnahme bei unbilliger Härte
Allerdings kann auf Antrag die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten.
Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist.
Für eine persönliche Unzumutbarkeit wäre erforderlich, dass die UG nach den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten der für sie handelnden Personen nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.
Dies ist nach Ansicht des BFH nicht der Fall. Denn die UG hat ihre Steuererklärungen bereits elektronisch übermittelt, sie konnte also die Möglichkeiten der Datenfernübertragung nutzen.
Auch die wirtschaftliche Unzumutbarkeit verneint der BFH. Eine solche liegt vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre.
Für den erkennenden Senat des BFH liegt eine „unbillige Härte“ nicht schon dann vor, wenn die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind.
Im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit sind nicht nur der erklärte Gewinn und Umsatz im Veranlagungszeitraum, die u.a. Eingang in die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung finden, sondern auch der übrige Inhalt der zu übermittelnden Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung in die Betrachtung mit einzubeziehen.
Denn die maschinelle Übermittlung von steuererheblichen Daten an die Finanzverwaltung dient sowohl der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung als auch der Gewährleistung einer effektiven und möglichst einfachen Verwaltung.
Daraus folgert der BFH, dass nicht (nur) die Höhe der erklärten Umsätze oder der erklärten Einkünfte, sondern (auch) der Umfang des Jahresabschlusses maßgeblich ist.
Auch bei Kleinstbetrieben besteht kein voraussetzungsloser, „automatischer“ Anspruch auf eine Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Bilanz. In diesem Zusammenhang stellt der BFH fest, dass Kosten i.H.v. 40,54 € pro Wirtschaftsjahr keinen erheblichen finanziellen Aufwand darstellen.
Entscheidung im Besprechungsfall
Nach Ansicht des BFH ist zu prüfen, ob vor diesem Hintergrund der finanzielle Aufwand für die UG unzumutbar ist. Insbesondere ist der den Steuerpflichtigen zumutbare Aufwand für die Datenübermittlung nicht auf Kleinbeträge begrenzt.
Daran ändert sich für den BFH auch dadurch nichts, dass keine Übermittlungsmöglichkeit durch ein Programm oder eine Online-Anwendung der Finanzverwaltung (z.B. ELSTER) besteht.
Allerdings besteht darauf auch kein rechtlicher Anspruch, weil die Einreichung einer Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung auf Papier Kosten verursacht und das Vorhandensein entsprechender Technik, welche der Steuerpflichtige auf seine Kosten selbst beschaffen muss, voraussetzt.
Diese Kosten mussten schon bisher nicht vom Fiskus erstattet werden, sondern konnten, soweit es um die Einkünfteermittlung geht, aufgrund des objektiven Nettoprinzips gewinnmindernd berücksichtigt werden.
Zudem ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige ggf. noch fehlende technische Voraussetzungen zur Datenübermittlung auf seine Kosten schafft, also z.B. für einen noch fehlenden Internetzugang sorgt und sich ein Eingabegerät sowie die dazu erforderliche Software (z.B. ein Betriebssystem) beschafft.
Für die Software zur Übermittlung gilt nichts anderes. Aus diesen Gründen hält der BFH die UG für verpflichtet, den Jahresabschluss nach amtlichem Datensatz elektronisch zu übertragen.
Praxishinweis: Der BFH hat hinsichtlich der Verpflichtung zur elektronischen Übertragung festgestellt, dass § 5b Abs. 1 EStG verfassungsgemäß ist. Eine „unbillige Härte“ i.S.d. § 5b Abs. 2 EStG liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind.
Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand gem. § 150 Abs. 8 Satz 2 erster Halbsatz AO vor. Ein finanzieller Aufwand i.H.v. 40,54 € für die durch § 5b Abs. 1 EStG vorgeschriebene elektronische Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz ist auch für einen „Kleinstbetrieb“ nicht (wirtschaftlich) unzumutbar.
BFH, Urt. v. 21.04.2021 - XI R 29/20
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht