Das 34-seitige BMF-Schreiben vom 6. März 2025 (IV C 1 - S 2256/00042/064/043) behandelt steuerliche Einzelfragen zur Behandlung von Kryptowerten im Ertragsteuerrecht.
Es definiert Kryptowerte, erläutert verschiedene Funktionen und Technologien wie Blockchain und Mining, und ordnet Einkünfte aus Kryptoaktivitäten unterschiedlichen Einkunftsarten zu, darunter
- Gewerbebetrieb,
- Kapitalvermögen und
- private Veräußerungsgeschäfte.
Zudem werden Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten im betrieblichen und privaten Bereich dargelegt und eine Anwendungs- und Nichtbeanstandungsregelung für frühere Veranlagungszeiträume getroffen. Wir fassen die wichtigsten Inhalte des Schreibens in Form eines FAQ zusammen.
1. Was sind Kryptowerte im Sinne dieses Schreibens und wie werden sie nach ihrer Funktion unterschieden?
Kryptowerte sind die digitale Darstellung eines Wertes oder eines Rechts, die unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können. Nach ihrer Funktion werden sie unterschieden in:
- Currency oder Payment Token: Dienen als Tauschmittel, werden aber auch zu Spekulationszwecken gehalten. Beispiele sind Bitcoin und Ether.
- Utility Token: Vermitteln bestimmte Nutzungsrechte, z. B. Zugang zu einem Netzwerk oder das Recht, sie gegen eine Ware oder Dienstleistung einzutauschen.
- Security Token: Sind ihrer Funktion nach mit herkömmlichen Wertpapieren vergleichbar. Es ist möglich, dass Kryptowerte eine Kombination dieser Funktionen aufweisen (hybride Kryptowerte). Für die steuerliche Beurteilung ist die tatsächliche Funktion im jeweiligen Anwendungsfall maßgeblich. Non-Fungible Token (NFTs) werden in diesem Schreiben nicht behandelt.
2. Wie werden Einkünfte aus der Blockerstellung (Mining und Forging) ertragsteuerrechtlich behandelt?
Einkünfte aus der Blockerstellung können entweder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG oder als sonstige Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nummer 3 EStG steuerbar sein, abhängig von den Umständen des Einzelfalls.
- Gewerbebetrieb: Eine gewerbliche Tätigkeit liegt vor, wenn die Blockerstellung nachhaltig auf Wiederholung angelegt ist, auf Dauer zur Gewinnerzielung geeignet ist und eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Die erhaltene Blockbelohnung und die Transaktionsgebühren sind Betriebseinnahmen. Bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich sind die Kryptowerte als nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter zu aktivieren. Bei Einnahmenüberschussrechnung erfolgt der Abzug der Anschaffungskosten erst bei Veräußerung oder Entnahme.
- Sonstige Einkünfte aus Leistungen: Wenn keine gewerbliche Tätigkeit vorliegt (z. B. mangels Nachhaltigkeit), können die Einkünfte als sonstige Einkünfte steuerbar sein. Die erhaltenen Kryptowerte sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt der Anschaffung anzusetzen. Werbungskosten wie Hard- und Software oder Stromverbrauch können berücksichtigt werden. Eine Steuerpflicht besteht nicht, wenn die Summe der Einkünfte aus Leistungen weniger als 256 € im Kalenderjahr beträgt.
3. Wie werden Einkünfte aus Staking, dem Betrieb einer Masternode und Lending von Kryptowerten steuerlich behandelt?
- (Passives) Staking: Einnahmen aus der Bereitstellung von Kryptowerten für Staking-Pools oder Plattformen (ohne aktive Teilnahme an der Blockerstellung) unterliegen in der Regel als Fruchtziehung der privaten Vermögensverwaltung der Besteuerung nach § 22 Nummer 3 EStG (sonstige Einkünfte aus Leistungen). Die erhaltenen Kryptowerte sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Zugangs (vereinfacht: Einbuchung in der Wallet) anzusetzen. Gehören die gestakten Kryptowerte zum Betriebsvermögen, stellen die Gegenleistungen Betriebseinnahmen dar.
- Betrieb einer Masternode: Die ertragsteuerrechtliche Behandlung entspricht der Blockerstellung im Wege des Proof of Stake (siehe Frage 2).
- Lending: Einkünfte aus der zeitweisen Überlassung von Kryptowerten gegen Vergütung sind steuerbar. Gehören die Kryptowerte zum Betriebsvermögen, stellen die Erträge Betriebseinnahmen dar. Im Privatvermögen sind die Einkünfte gemäß § 22 Nummer 3 EStG (sonstige Einkünfte aus Leistungen) steuerbar. Die erhaltenen Kryptowerte sind mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Zuflusses zu bewerten.
4. Wie werden Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowerten im Privatvermögen besteuert?
Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowerten, die im Privatvermögen gehalten werden, können Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nummer 2 in Verbindung mit § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 EStG darstellen, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die Gewinne bleiben steuerfrei, wenn die Summe der Gewinne aus allen privaten Veräußerungsgeschäften im Kalenderjahr weniger als 1.000 € beträgt (bis 2023: 600 €). Der Veräußerungsgewinn ermittelt sich aus dem Veräußerungserlös abzüglich der Anschaffungs- und Werbungskosten. Beim Tausch von Kryptowerten ist als Veräußerungserlös der Marktkurs der erhaltenen Kryptowerte anzusetzen. Für die Bestimmung der Verwendungsreihenfolge gilt grundsätzlich die Einzelbetrachtung. Ist diese nicht möglich, kann vereinfacht die FiFo-Methode (First in First out) angewendet werden, wobei eine walletbezogene Betrachtung gilt.
5. Wie werden durch Hard Forks und Airdrops erhaltene Kryptowerte ertragsteuerrechtlich behandelt?
- Hard Forks: Im Privatvermögen führt eine Hard Fork nicht direkt zu Einkünften. Werden die durch die Fork entstandenen neuen Kryptowerte jedoch innerhalb eines Jahres nach Anschaffung der ursprünglichen Kryptowerte veräußert, können die Gewinne als private Veräußerungsgewinne steuerpflichtig sein. Die Anschaffungskosten der ursprünglichen Kryptowerte sind auf die neuen und alten Kryptowerte im Verhältnis der Marktkurse zum Zeitpunkt der Fork aufzuteilen. Der Anschaffungszeitpunkt der neuen Kryptowerte entspricht dem der ursprünglichen Kryptowerte. Im Betriebsvermögen stellen die neuen Kryptowerte separate Wirtschaftsgüter dar, deren Anschaffungskosten entsprechend aufgeteilt werden.
- Airdrops: Der Erhalt von Kryptowerten durch Airdrops kann zu sonstigen Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nummer 3 EStG führen, wenn der Empfänger eine Leistung erbringen muss (z. B. Teilen in sozialen Medien). Erfolgt die Zuteilung ohne Gegenleistung, kann eine Schenkung vorliegen. Bei einer steuerpflichtigen Leistung sind die erhaltenen Kryptowerte mit dem Marktkurs im Zeitpunkt des Erwerbs anzusetzen. Erfolgt später eine Veräußerung, kann dies als privates Veräußerungsgeschäft steuerpflichtig sein. Im Betriebsvermögen stellen betrieblich veranlasste Airdrops Betriebseinnahmen dar.
6. Welche Besonderheiten gelten für die ertragsteuerrechtliche Behandlung von Utility und Security Token?
- Utility Token: Die Einlösung von Utility Token gegen die damit verbundenen Produkte oder Dienstleistungen ist ertragsteuerrechtlich unbeachtlich. Die Veräußerung von Utility Token kann jedoch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften generieren, wenn die Haltefrist von einem Jahr nicht überschritten wird. Dies gilt auch, wenn Utility Token als Tauschmittel verwendet werden.
- Security Token: Die ertragsteuerrechtliche Einordnung von Security Token hängt von den im Einzelfall vermittelten Rechten und Ansprüchen ab. Sie können wie Wertpapiere behandelt werden, was zu Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) führen kann. Handelt es sich um Schuldverschreibungen, ist zu prüfen, ob eine Kapitalforderung oder ein Sachleistungsanspruch besteht. Die Veräußerung kann gegebenenfalls zu Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften führen.
7. Welche Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten bestehen im Zusammenhang mit Kryptowerten?
Steuerpflichtige sind verpflichtet, wahrheitsgemäße Angaben in ihren Steuererklärungen zu machen und bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Bei Erwerb oder Veräußerung über ausländische oder dezentrale Handelsplattformen bestehen erweiterte Mitwirkungspflichten, die die Beschaffung und Offenlegung relevanter Informationen umfassen.
- Betriebsvermögen: Es gelten die allgemeinen steuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten gemäß Abgabenordnung (AO) und Handelsgesetzbuch (HGB).
- Privatvermögen: Steuerpflichtige sollten Aufzeichnungen führen, die jedes Veräußerungsgeschäft nachvollziehbar machen (Art, Menge, Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkt, Kosten, Kurse). Transaktionsübersichten von Handelsplattformen und Wallet-Anbietern sollten aufbewahrt werden. Auf Anforderung des Finanzamts sind detaillierte Angaben zu Anschaffung, Veräußerung, Staking, Lending, Airdrops etc. zu machen.
8. Welche Anwendungs- und Nichtbeanstandungsregelungen sind zu beachten?
Dieses Schreiben ist ab seiner Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil I auf alle offenen Fälle anzuwenden. Für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2024 werden bestimmte Kursbestimmungen und von den GoBD abweichende Aufzeichnungen außerhalb des Anwendungsbereichs der GoBD nicht beanstandet, sofern sie auf den bis zur Veröffentlichung dieses Schreibens geltenden Vorgaben beruhten.
Kryptowährungen: Glossar der Schlüsselbegriffe
- Blockchain: Eine dezentrale, manipulationssichere Datenbank, die Transaktionen in Blöcken speichert, welche chronologisch miteinander verkettet sind. Sie liegt in der Regel nicht unter zentraler Kontrolle und basiert auf der Distributed-Ledger-Technologie (DLT).
- Distributed-Ledger-Technologie (DLT): Eine Technologie, die es ermöglicht, Daten über ein dezentrales Netzwerk von Computern zu speichern und zu synchronisieren, ohne dass eine zentrale Autorität erforderlich ist.
- Kryptowert: Die digitale Darstellung eines Wertes oder eines Rechts, der bzw. das unter Verwendung der DLT oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann.
- Currency oder Payment Token: Ein Kryptowert, der als Tauschmittel eingesetzt und auch zu Spekulationszwecken gehalten wird, ohne den Status einer gesetzlichen Währung zu haben. Beispiele sind Bitcoin und Ether.
- Utility Token: Ein Kryptowert, der bestimmte Nutzungsrechte oder einen Anspruch auf eine zukünftige Ware oder Dienstleistung vermittelt.
- Security Token: Ein Kryptowert, der in seiner Funktion mit herkömmlichen Wertpapieren vergleichbar ist und in der Regel Vermögenswerte oder Beteiligungen repräsentiert.
- Mining (Proof of Work): Ein Prozess zur Validierung von Transaktionen und Hinzufügung neuer Blöcke zur Blockchain, der rechenintensive Aufgaben erfordert. Miner werden dafür mit neu geschaffenen Kryptowerten und Transaktionsgebühren belohnt.
- Forging/Staking (Proof of Stake): Ein Konsensmechanismus, bei dem Blockersteller (Forger oder Validator) anhand der Menge an Kryptowerten (Stake), die sie im Netzwerk „eingesetzt“ haben, ausgewählt werden, um neue Blöcke zu erstellen und dafür Belohnungen zu erhalten.
- Wallet: Eine digitale „Geldbörse“ oder genauer ein „Schlüsselbund“, die private und öffentliche Schlüssel zur Verwaltung und Durchführung von Kryptowert-Transaktionen speichert. Die Kryptowerte selbst verbleiben in der Blockchain.
- Öffentlicher Schlüssel: Eine Adresse in der Blockchain, die zur Identifizierung eines Kontos dient und an die Kryptowerte gesendet werden können. Er ist öffentlich einsehbar.
- Privater Schlüssel: Ein geheimer, kryptografischer Schlüssel, der den Zugriff auf die mit dem zugehörigen öffentlichen Schlüssel verbundenen Kryptowerte ermöglicht und zur Autorisierung von Transaktionen dient.
- Hard Fork: Eine dauerhafte Abspaltung einer Blockchain, die zu einer neuen, inkompatiblen Blockchain und damit zu neuen Kryptowerten führt.
- Airdrop: Die „unentgeltliche“ Verteilung von Kryptowerten, in der Regel als Marketingmaßnahme, bei der Nutzer möglicherweise bestimmte Aufgaben erfüllen müssen oder Kryptowerte ohne eigenes Zutun erhalten.
- Initial Coin Offering (ICO): Eine Methode zur Kapitalbeschaffung, bei der neue Kryptowerte im Tausch gegen andere Kryptowerte oder Fiat-Währungen ausgegeben werden.
- Lending: Die Überlassung von Kryptowerten an Dritte gegen eine Vergütung (Zinsen).
- Non-Fungible Token (NFT): Ein einzigartiger Kryptowert, der nicht gegen einen anderen identischen Kryptowert ausgetauscht werden kann und dem ein Individualisierungsmerkmal zugeordnet ist.
- Smart Contract: Ein auf einer Blockchain gespeicherter Programmcode, der bestimmte Interaktionen automatisiert ausführt, sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt sind.
- Decentralized Exchange (DEX): Eine dezentrale Handelsplattform, die den direkten Handel zwischen Nutzern ohne Zwischenschaltung eines Intermediärs ermöglicht.
- First in First out (FiFo): Eine Methode zur Bestimmung der Verwendungsreihenfolge von veräußerten Wirtschaftsgütern, bei der angenommen wird, dass die zuerst angeschafften Güter auch zuerst veräußert werden.
- Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 EStG): Gewinne aus der Veräußerung bestimmter privater Wirtschaftsgüter (einschließlich Kryptowerten) innerhalb einer bestimmten Frist (in der Regel ein Jahr zwischen Anschaffung und Veräußerung).
- Sonstige Einkünfte (§ 22 Nummer 3 EStG): Eine Auffangkategorie für Einkünfte, die keiner anderen Einkunftsart zuzuordnen sind, beispielsweise Einkünfte aus Leistungen.
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG): Einkünfte aus einer selbstständigen, nachhaltigen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht und Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr.
- Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG): Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, z. B. Zinsen oder Dividenden, sowie Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanlagen, unter Umständen auch Security Token.