Schlagworte: Mini-Job-Grenze, steuerfreie Prämie, Mehrfachüberschreitung
Fragestellung
Vom 01.03.2020 bis zum 31.10.2020 ist es möglich die Minijobgrenze fünfmalig aufgrund von unvorhersehbarem Arbeitsaufwand zu überschreiten. Darf in diesem Fall die Grenze fünfmal in aufeinander folgenden Monaten überschritten werden ohne dass die Minijobgrenze gefährdet wird?
Bsp.: Überschreitungen der 450 Grenzen in den Monaten Juni bis Oktober 2020 mit jeweils 200?
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Kurzgutachten
Minijob Grundsatz
Man unterscheidet zwei Arten von gewerblichen geringfügigen Beschäftigungen: Die Geringfügig entlohnte Beschäftigung (= Minijob) und die kurzfristige Beschäftigung, § 8 SGB IV.
Um Rechtsklarheit zu schaffen, sollen unterschiedliche Auslegungen in Steuer- und Sozialversicherungsrecht vermieden werden. Dies wird dadurch gewährleistet, dass der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung über das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung steuerlich gefolgt wird (Schönfeld, Plenker, Schaffhausen, Lexikon für das Lohnbüro 2020 Teil C „Geringfügige Beschäftigung“ unter 3b).
Kurzfristiger Minijob
Beim kurzfristigen Minijob darf der Arbeitseinsatz im Laufe eines Kalenderjahres drei Monate oder insgesamt 70 Tage nicht überschreiten. Das monatliche Entgelt kann schwanken.
Geringfügig entlohnte Beschäftigung
Beim 450-Euro-Minijob darf das Arbeitsentgelt monatlich 450 Euro nicht übersteigen.
Bei der monatlichen Verdienstgrenze von 450 Euro im Minijob handelt es sich um einen Durchschnittswert. Ein Überschreiten der 450-Euro-Grenze ist deshalb möglich, solange der tatsächliche Verdienst im Monatsdurchschnitt nicht über 450 Euro liegt, d.h. wenn der Minijobber im Jahr maximal 5.400 Euro verdient.
Ein nur gelegentliches und nicht vorhersehbares Überschreiten der jährlichen Entgeltgrenze von 5.400 Euro ist unschädlich und führt nicht zur Beendigung des Minijobs. Als gelegentlich ist ein Zeitraum von bis zu drei Monaten innerhalb eines Zeitjahres anzusehen.
Generell unvorhersehbare Entgelte: Minijobs, bei denen der Arbeitgeber für die Jahresprognose zur Ermittlung des regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelts allein die Einhaltung der Jahresgrenze von 5.400 EUR unterstellt, sind von der Regelung des gelegentlichen unvorhersehbaren Überschreitens ausgenommen.
Ein nur gelegentliches und nicht vorhersehbares Überschreiten der Arbeitsentgeltgrenze führt nicht zur Versicherungspflicht.
Gelegentliches Überschreiten
Als gelegentlich ist ein Zeitraum von bis zu drei Monaten innerhalb eines Zeitjahres anzusehen. Das Zeitjahr entspricht einem Zeitraum von zwölf Monaten. Das Zeitjahr endet immer mit dem Kalendermonat, für den aktuell ein unvorhersehbares Überschreiten vorliegt.
Unvorhersehbares Überschreiten
Ein unvorhersehbares Überschreiten der Entgeltgrenze liegt vor, wenn das Ereignis zu Beginn des vom Arbeitgeber für die Ermittlung des regelmäßigen monatlichen Arbeitsentgelts maßgebenden Prognosezeitraums nicht bekannt war oder sein konnte. In den zum 1.1.2019 neu aufgelegten Geringfügigkeitsrichtlinien ist angegeben, dass ein unvorhersehbares Überschreiten vorliegt, wenn eine nicht einplanbare Einmalzahlung (z.B. Gewinnbeteiligung) ausgezahlt wird. Aber auch Krankheitsvertretung und unvorhersehbare Mehrarbeit sind dort aufgeführt; Urlaubsvertretungen fallen nicht unter diese Regelungen, da diese planbar sind. (Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen - Geringfügigkeits-Richtlinien - vom 21. November 2018).
Bisher liegt keine höchstrichterliche Rechtsprechung zum Thema „unvorhersehbare Mehrarbeit“ vor. Als Anhaltspunkt für eine strenge Auslegung der Begrifflichkeit kann die Auffassung des Prüfdienstes der Deutschen Rentenversicherung zu werten sein, nach der im folgenden Fall eine unvorhersehbare Mehrarbeit abzulehnen ist:
In Asien ist die Vogelgrippe ausgebrochen und wird zur Pandemie ausgerufen. Die Bundesregierung gibt die Produktion von 80 Mio. Impfampullen in Auftrag. Aus diesem Grund beschäftigt ein Hersteller dieser Impfampullen seine bei ihm angestellten Mini-Jobber zeitweise für mehr als 450 €, wodurch die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird. Der Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung hat in seinem Prüfbescheid festgestellt, dass es sich vorliegend nicht um unvorhersehbare Mehrarbeit handelt. Der Arbeitgeber muss Sozialversicherungsbeiträge und Steuern im sechsstelligen Eurobereich nachzahlen (Abels/Besgen/Deck/Rausch, Mini-Jobs/Aushilfen/Teilzeit Rz. 431).
Sonderregelung Corona
Regelungsinhalt
Die Zeitgrenzen für die kurzfristige Beschäftigung wurden übergangsweise vom 1. März 2020 bis 31. Oktober 2020 von drei Monaten oder 70 Arbeitstagen auf fünf Monate oder 115 Arbeitstage angehoben, § 115 SGB IV.
Analog zu der vorübergehenden Erhöhung der Zeitgrenzen bei der kurzfristigen Beschäftigung kann ein gelegentliches Überschreiten der Verdienstgrenze bei 450-Euro-Minijobs für die Monate März bis Oktober 2020 bis zu 5-mal innerhalb eines Zeitjahres erfolgen. Die Möglichkeit des fünfmaligen nicht vorhersehbaren Überschreitens der Verdienstgrenze, ist also auf die Zeit vom 1. März bis 31. Oktober 2020 begrenzt.
Verdient ein Minijobber in den Kalendermonaten März bis Oktober 2020 mehr als ursprünglich vorgesehen, ist zu prüfen, wie oft dies innerhalb des letzten Zeitjahres (12-Monats-Zeitraum) geschehen ist. Der 12-Monats-Zeitraum endet immer mit dem Ende des Kalendermonats, in dem ein unvorhersehbares Überschreiten vorliegt und beginnt zwölf Monate vorher. Wurde die Verdienstgrenze innerhalb des 12-Monats-Zeitraum maximal in fünf Kalendermonaten nicht vorhersehbar überschritten, liegt ein gelegentliches Überschreiten vor.
Für jeden einzelnen Entgeltmonat ist aber zu überprüfen, ob das Überschreiten jeweils unvorhersehbar war. Unvorhersehbar heißt – vgl. oben unter 1.2.2 -, dass die Mehrarbeit im Voraus nicht vereinbart war. Diese kann sich beispielsweise ergeben, weil andere Arbeitnehmer erkrankt sind oder aufgrund der Corona-Pandemie unter Quarantäne stehen (Vgl. https://blog.minijob-zentrale.de/mehrarbeit-wegen-corona-450-euro-grenze-darf-im-minijob-ueberschritten-werden/).
(Vgl. im Einzelnen auch die Gemeinsame Verlautbarung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 30. März 2020 „Versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügigen Beschäftigungen; Vorübergehende Erhöhung der Zeitgrenzen für kurzfristige Beschäftigungen vom 1. März 2020 bis 31. Oktober 2020“).
Neben den Verlautbarungen vom 30.3.2020 gelten die Geringfügigkeits-Richtlinien ebenfalls weiter. Wann ein nicht vorhersehbares Überschreiten der Verdienstgrenze anzunehmen ist, ist deshalb wohl nach strengen Auslegungsregeln zu entscheiden (oben unter 1.2.2).
Fazit: Die Grenze dürfte wohl nur in klar zu dokumentierenden begründeten Ausnahmefällen fünfmal in aufeinander folgenden Monaten überschritten werden ohne dass die Minijobgrenze gefährdet würde. Für jede Überschreitung ist die Unvorhersehbarkeit zu prüfen. Unterlagen zum Nachweis der Unvorhersehbarkeit sind zum Lohnkonto beizufügen und aufzubewahren.
Überschreiten der Verdienstgrenze ab dem 1. November 2020:
Wird die monatliche Verdienstgrenze nach dem Corona-Begünstigungszeitraum (also ab dem 1. November 2020) überschritten, darf dies nicht in mehr als drei Kalendermonaten innerhalb eines Zeitjahres passieren, damit ein gelegentliches Überschreiten vorliegt (Vgl. unter 2.5.4 der Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 30. März 2020).
Bonuszahlungen zum ohnehin vereinbarten Verdienst
Arbeitgeber können ihren Minijobbern zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Dezember 2020 Bonuszahlungen bis zu einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.500 € nach § 3 Nr. 11a EStG steuerfrei auszahlen oder als Sachleistungen gewähren. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Beihilfen und Unterstützungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Die steuerfreien Sonderzahlungen bleiben auch in der Sozialversicherung beitragsfrei und haben keine Auswirkung auf die 5400 €-Grenze (BMF-Schreiben v. 9.4.2020, IV C 5 - S 2342/20/10009).
Fragestellung
Ein Mandant möchte auch seinen Aushilfen, die auf der 450€-Basis arbeiten, eine steuerfreie Corona -Prämie zahlen. Ist dies uneingeschränkt möglich?
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Kurzgutachten
Am 27.3.2020 beschloss der Bundesrat nach dem Bundestag das Gesetz für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherheit und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2, das sog. Sozialschutz-Paket. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte noch am selben Tag (BGBl I 2020, 575). Ziel dieses Gesetzes ist, die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie für die Bürger abzufedern. In der Corona-Krise werden Sonderzahlungen für Arbeitnehmer bis zu einem Betrag von 1.500 Euro im Jahr 2020 steuer- und sozialversicherungsfrei gestellt. Das Bundesministerium für Finanzen hat mit Schreiben v. 09.04.2020 [1] die neue Steuerfreiheit von 1.500 Euro für Beihilfen und Unterstützungen an Arbeitnehmer dargestellt.
Es gilt danach Folgendes: Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern in der Zeit vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020 aufgrund der Corona-Krise Beihilfen und Unterstützungen bis zu einem Betrag von 1.500 Euro nach § 3 Nummer 11 EStG steuerfrei in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewähren. Voraussetzung ist, dass diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Die in R 3.11 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 3 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) genannten Voraussetzungen brauchen nicht vorzuliegen.
Aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Betroffenheit durch die Corona-Krise kann allgemein unterstellt werden, dass ein die Beihilfe und Unterstützung rechtfertigender Anlass im Sinne des R 3.11 Absatz 2 Satz 1 LStR vorliegt. Arbeitgeberseitig geleistete Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld fallen nicht unter diese Steuerbefreiung.
Auch Zuschüsse, die der Arbeitgeber als Ausgleich zum Kurzarbeitergeld wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze leistet, fallen weder unter die vorstehende Steuerbefreiung noch unter § 3 Nummer 2 Buchstabe a EStG. Die steuerfreien Leistungen sind im Lohnkonto aufzuzeichnen. Andere Steuerbefreiungen, Bewertungsvergünstigungen oder Pauschalbesteuerungsmöglichkeiten (wie z. B. § 3 Nummer 34a, § 8 Absatz 2 Satz 11, § 8 Absatz 3 Satz 2 EStG) bleiben hiervon unberührt und können neben der hier aufgeführten Steuerfreiheit nach § 3 Nummer 11 EStG in Anspruch genommen werden.
Arbeitnehmer, die eine geringfügige Beschäftigung (Minijob) ausüben, sind versicherungsfrei in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Für geringfügig entlohnte Beschäftigungen gelten seit dem 1.1.2013 folgende Regelungen in der Rentenversicherung. Minijobber können nunmehr
- rentenversicherungspflichtig,
- rentenversicherungsfrei oder
- von der Rentenversicherungspflicht befreit sein.
Das (einzig) maßgebliche Kriterium für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung ist die Höhe des Arbeitsentgelts. Das Arbeitsentgelt darf regelmäßig nicht mehr als 450 Euro im Monat betragen. Diese Grenze gilt bundeseinheitlich. Hierbei handelt es sich um einen Monatswert, der auch dann gilt, wenn die Beschäftigung nicht während des gesamten Kalendermonats besteht.[2]
Bei der Prüfung der 450€-Arbeitsentgeltgrenze ist vom regelmäßigen Arbeitsentgelt auszugehen. Dazu gehören alle Entgelte auf die der Beschäftigte einen Anspruch hat (Gesetz, Tarifvertrag, Arbeitsvertrag, betriebliche Übung). Das regelmäßige Arbeitsentgelt wird in Abhängigkeit von der Anzahl der Beschäftigungsmonate, für die eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht, ermittelt.
Steuerlich ist der Minijob sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Minijobber äußerst einfach und komfortabel. Der Arbeitgeber muss bei einem monatlichen Verdienst von maximal 450 Euro pauschal 2 Prozent Lohnsteuer an die Minijob-Zentrale abführen und das war es steuerlich auch schon. Der Minijobber muss sein Minijob-Gehalt in seiner Steuererklärung nicht erklären. Sozialversicherungstechnisch richtet sich die Höhe des Gehalts nach den lohnsteuerlichen Gesichtspunkten. Ist das Extra zum Gehalt also steuerfrei oder wird lohnsteuerlich pauschalversteuert, erhöht sich auch das sozialversicherungsrechtliche Gehalt nicht.
Fazit: Daher führt die lohnsteuerfreie Auszahlung einer Corona-Sonderzahlung zur Sozialversicherungsfreiheit und kann dem Minijobber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn ausbezahlt werden. Soweit die o.a. Voraussetzungen erfüllt sind, kann die Sonderzahlung auch dem Minijobber ausbezahlt werden, ohne dass dieser seinen Minijob-Status verliert.
[1] BMF v. 09.04.2020 - IV C 5 - S 2342/20/10009 :001, NWB IAAAH-46299
[2] vgl. BSG v. 05.12.2017 - B 12 R 10/15 R, NWB QAAAG-72017