Schlagworte: Jahresabschluss, Unterschrift, Corona-Bedingungen
Fragestellung
Es geht um eine GmbH mit 2 Geschäftsführern, die nicht Gesellschafter sind.
Zusammen mit der Gesellschaft wurden der Jahresabschluss und die Steuererklärungen fertiggestellt, ebenso die Ausfertigung für den Bundesanzeiger. Es müsste jetzt alles unterschrieben werden.
Ein Geschäftsführer ist da und arbeitet in Deutschland. Der 2. Geschäftsführer befindet sich jedoch seit Anfang 2020 in China. Wann er zurückkehrt ist unklar. Er kann somit nicht im Original unterschreiben.
- Ist auch die Unterschrift nur eines Geschäftsführers ausreichend?
- Welche Unterschriftsmöglichkeiten gibt es noch (gescannt, gefaxt, ...)?
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Kurzgutachten
Ist auch die Unterschrift nur eines Geschäftsführers ausreichend?
Unterzeichnung der Steuererklärungen
Gem. § 150 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn
- keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,
- nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,
- keine mündliche oder konkludente Steuererklärung zugelassen ist und
- eine Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle nach § 151 AO nicht in Betracht kommt.
- Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen, § 150 Abs. 2 AO.
Ordnen die Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist, § 150 Abs. 3 AO.
Für die Gewerbesteuererklärung ergibt sich die Notwendigkeit der eigenhändigen Unterschrift aus § 14a GewStG. Für die Körperschaftsteuererklärung ergibt sich die Notwendigkeit der eigenhändigen Unterschrift aus §31 Abs. 1a KStG. Für die Umsatzsteuerjahreserklärung ergibt sich die Notwendigkeit der eigenhändigen Unterschrift aus § 18 Abs. 3 UStG.
Eigenhändige Unterschrift i. S. d. § 150 Abs. 3 AO bedeutet nach § 126 Abs. 1 BGB, dass der Erklärungspflichtige bzw. dessen gesetzlicher Vertreter die Erklärung selbst durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens zu unterzeichnen hat, Schwarz/Pahlke, AO, § 150, Rn. 41. Die Unterschriftsleistung durch einen Bevollmächtigten ist bei gesetzlicher Anordnung der Eigenhändigkeit grundsätzlich nicht zulässig.
Die gewillkürte Vertretung bei eigenhändiger Unterschriftspflicht kommt nach § 150 Abs. 3 AO nur in zwei Ausnahmefällen in Betracht:
- zum einen, wenn der Erklärungspflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht schreiben kann bzw. infolge geistiger Gebrechen die Bedeutung seiner Unterschrift nicht zu erkennen vermag, ohne dass seine Handlungsfähigkeit weggefallen ist.
- zum anderen ist Vertretung zulässig, wenn der Erklärungspflichtige infolge längerer Abwesenheit die Unterschrift nicht vollziehen kann. Hierbei muss es sich um einen längeren Aufenthalt in weiterer Entfernung vom Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort handeln, der eine sachgerechte Erfüllung der Erklärungspflicht ausschließt. Bei einer Abwesenheit von wenigen Tagen hat der Erklärungspflichtige für die rechtzeitige eigenhändige Unterschrift Sorge zu tragen, sodass regelmäßig auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldhaften Verhaltens nicht in Betracht kommen wird. Eine seit Längerem geplante mehrwöchige Urlaubsreise im europäischen Ausland ist keine längere Abwesenheit i. d. S., wenn die postalische Erreichbarkeit gewährleistet ist.
In den dargestellten Ausnahmefällen kann die Behörde nach § 150 Abs. 3 S. 2 AO die Nachholung der Unterschrift verlangen, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist, Schwarz/Pahlke, AO, § 150, Rn. 43.
Die Vertretung bei eigenhändiger Unterzeichnungspflicht ist in der Erklärung kenntlich zu machen, damit die Finanzbehörde ggf. auch die Nachholung veranlassen kann
Fehlt bei einer Steuererklärung die Unterschrift überhaupt oder hat unzulässiger Weise ein Bevollmächtigter unterzeichnet, obgleich Eigenhändigkeit der Unterschriftsleistung erforderlich war, so sind die Steuererklärungen nicht wirksam abgegeben. Sie sind damit allerdings nicht ohne Weiteres bedeutungslos, BFH vom 23.11.1961, Az.: IV 364/60 U, BStBl. II 1962, 139. Soweit die Steuererklärung nur eine Wissenserklärung ist, kann sie der Besteuerung auch ohne Unterschrift zugrunde gelegt werden. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags kommt insoweit nicht in Betracht.
Unabhängig von der Frage der Einzel- bzw. Gesamtvertretungsbefugnis der beiden Geschäftsführer, lässt sich vor dem Hintergrund der vorstehend skizzierten Rechtsquellen gegenüber dem Finanzamt nach hiesiger Beurteilung zumindest argumentieren, dass der sich in China befindende Geschäftsführer infolge längerer (durch das Corona-Virus bedingter) Abwesenheit die eigenhändige Unterschrift nicht vollziehen kann und infolgedessen den sich in Deutschland befindenden Geschäftsführer als Bevollmächtigten zur weiteren Unterzeichnung der Steuererklärung ernannt hat.
Unterzeichnung des Jahresabschlusses
Gem. § 245 HGB ist der Jahresabschluss vom Kaufmann unter Angabe des Datums zu unterzeichnen. Der Jahresabschluss ist von sämtlichen Geschäftsführern einer GmbH bzw. von sämtlichen Vorstandsmitgliedern einer AG zu unterzeichnen. Die Unterzeichnungspflicht gilt auch dann, wenn einzelne Unterzeichnungspflichtige nicht mit dem Jahresabschluss einverstanden sind.
Sind mehrere Personen unterzeichnungspflichtig, so besteht die Unterzeichnungspflicht sämtlicher Personen auch dann, wenn eine oder mehrere Personen aus wichtigem Grund (z. B. Reise oder Krankheit) abwesend ist. Eine Vertretung durch einen Mitunterzeichnungspflichtigen ist nicht zulässig (höchstpersönliche Rechtshandlung).
Nur wenn die Mitwirkung einer unterzeichnungspflichtigen Person durch höhere Gewalt (z. B. lebensgefährliche Krankheit o. ä. langfristige Verhinderung) unmöglich ist, kann eine Mitwirkungspflicht nicht gefordert werden, Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, HGB, § 245, Rn. 7.
Unabhängig von der Frage der Einzel- bzw. Gesamtvertretungsbefugnis der beiden Geschäftsführer, lässt sich vor dem Hintergrund der vorstehend skizzierten Rechtsquellen gegenüber dem Finanzamt nach hiesiger Beurteilung zumindest argumentieren, dass der sich in China befindende Geschäftsführer infolge längerer (durch das Corona-Virus bedingter) Abwesenheit – und damit infolge höherer Gewalt – die eigenhändige Unterschrift nicht vollziehen kann und infolgedessen die Unterschrift des sich in Deutschland befindenden Geschäftsführers genügt.
Welche Unterschriftsmöglichkeiten gibt es noch?
Steuererklärungen, die keine eigenhändige Unterschrift erfordern, können, wenn sie auf einem zulässigen Vordruck erstellt sind, uneingeschränkt per Telefax übermittelt werden, BMF vom 20.1.2003, Az.: IV D 2 – S 0321 – 4/03, BStBl. I 2003, 74. Gleiches wird für die Übersendung als Anhang zu einer E-Mail gelten. Die Übermittlung einer eigenhändig zu unterschreibenden Steuererklärung per Fax genügte allerdings nach bisheriger Ansicht der Finanzverwaltung nicht für die wirksame Abgabe der Steuererklärung, BFH vom 17.12.1998, Az.: III R 87&96, BStBl. II 1999, 313.
Auch für eine eingescannte Kopie sollte dies gelten. Der BFH hat dem allerdings mit guten Gründen widersprochen, BFH vom 8.10.2014, Az.: VI R 82/13, BStBl. II 2015, 359. Dadurch, dass das entsprechende Urteil im BStBl. veröffentlicht wurde, hat die Finanzverwaltung die Entscheidung akzeptiert und in der Zwischenzeit auch ausdrücklich aufgegeben, BMF vom 16.4.2015, Az.: IV A 3 – 0321/07/10003, BStBl. I 2015, 438.
Da es sich bei den die GmbH betreffenden Steuererklärungen um solche handelt, die eine eigenhändige Unterschrift erfordern (vgl. bitte oben), scheiden die vorstehend dargestellten alternativen Unterschriftsmöglichkeiten aus.