Wann kann das Finanzamt eine privaten Nutzung von betrieblichen Fahrzeugen annehmen? Der BFH hat im Fall eines zweisitzigen „Handwerkerfahrzeugs“ entschieden, dass nur nach Feststellungen im Einzellfall von einer Privatnutzung ausgegangen und die 1-%-Regelung angesetzt werden kann. Zudem ging der BFH auf die Schätzungsbefugnis des Finanzamts bei Lücken in der Abfolge von Rechnungsnummern ein.
Mit Beschluss vom 31.05.2023 (X B 111/22) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Privatnutzung eines Handwerker-Kfz durch Anwendung der 1-%-Methode nur bei entsprechender Einzelfeststellung angesetzt werden kann.
Die mangelnde Vollständigkeit der Ausgangsrechnungen kann jedoch im Einzelfall eine Schätzungsbefugnis begründen.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger betreibt einen Hausmeisterservice als Einzelunternehmer. Zu seinem Betriebsvermögen gehörten in den Streitjahren ein Mercedes-Benz Vito und ein Multicar M26 (ein Kleinst-Lkw).
Ein weiteres Kfz im Privatvermögen besaß er nicht. Das Finanzamt (FA) ging daher davon aus, dass der Vito von dem Kläger auch privat genutzt wird, und versteuerte die Privatnutzung im Rahmen der 1-%-Methode.
Das Finanzgericht (FG) traf im Hinblick auf die Eigenschaften des Vito die Feststellung, dass es sich um ein zweisitziges Fahrzeug gehandelt habe, das keine Einrichtungen zu betrieblichen Zwecken (z.B. fest eingebaute Fächer für Werkzeuge) aufwies.
Das FG kam daher zu dem Ergebnis, dass das Fahrzeug grundsätzlich auch privat genutzt werden könne und mangels eines weiteren Kfz im Privatvermögen sowie angesichts des ländlichen Wohnsitzes des Klägers von einer Privatnutzung auszugehen ist.
Es wies daher die Klage ab. Auch der BFH wies die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ab.
Versteuerung der privaten Kfz-Nutzung
Die Nutzung eines betrieblichen Kfz für private Zwecke stellt eine Entnahme dar, welche gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG grundsätzlich mit einem Teilwert anzusetzen ist.
Bei einer privaten Kfz-Nutzung ist ein Fahrtenbuch zu führen, anhand dessen die privaten und betrieblichen Fahrten aufgezeichnet und die Kosten entsprechend aufgeteilt werden können.
Aus Vereinfachungsgründen kann die Ermittlung des privaten Kfz-Anteils auch anhand der Sonderregelung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG festgestellt werden, wenn der Pkw zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird.
Bei dieser ist für jeden Kalendermonat der Privatnutzung 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zzgl. der Kosten für Sonderausstattung und einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen.
Für die private Nutzung von Elektro- und Hybridfahrzeugen kann der private Nutzungsanteil auf lediglich 0,25 % bzw. 0,5 % beschränkt werden.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach Ansicht des BFH hat das FG im Streitfall nicht rechtsfehlerhaft entschieden, dass das betriebliche Kfz privat genutzt wurde. Daher war die 1-%-Methode zur Ermittlung des Entnahmewerts anzuwenden.
Der Kläger trug außerdem vor, dass das Fehlen fortlaufender Rechnungsnummern eine vom FA vorgenommene Hinzuschätzung nicht rechtfertigen könne.
Der BFH stellte diesbezüglich jedoch fest, dass der nach Hinzuschätzung des FA ermittelte Gesamtgewinn grundsätzlich durch einen Hausmeisterservice erzielt werden könne. Die entsprechende Hinzuschätzung durch Ansatz des Entnahmewerts hat das FA daher nach Auffassung des BFH zu Recht vorgenommen.
Praxishinweis: Der Ansatz der privaten Kfz-Nutzung ist ein in Betriebsprüfungen häufig auftretendes Streitthema. Wird kein oder kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt, erfolgt die Ermittlung des privaten Nutzungsanteils anhand der 1-%-Methode.
Übersteigt der so ermittelte pauschale Nutzungswert die tatsächlich für das Kfz entstandenen Gesamtkosten, kann der Entnahmewert jedoch auf die tatsächlich entstandenen Kosten beschränkt werden.
BFH, Beschl. v. 31.05.2023 - X B 111/22
Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)