Der BFH hat geklärt, in welchen Fällen keine Pflicht besteht, die Steuererklärung elektronisch zu übermitteln.
Demnach gilt: Auch bei Gewinneinkünften von mehr als 410 € ist die elektronische Übermittlung nicht verpflichtend, wenn zusätzlich die Voraussetzungen der Veranlagungsfälle nach § 46 Abs. 2 EStG erfüllt sind. Der BFH ging dabei auch auf das Verhältnis der Veranlagungstatbestände ein.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 28.10.2020 (X R 36/19) dazu Stellung genommen, ob bei Gewinneinkünften eine elektronische Übermittlung der Einkommensteuererklärung erforderlich ist, wenn keine Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung besteht.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Die Eheleute A und B, welche im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden, erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. A erzielte darüber hinaus gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage, die gesondert festgestellt wurden (11.600 €).
Unstreitig waren A und B sowohl gem. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG als auch nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet. A und B reichten ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr in Papierform beim Finanzamt (FA) ein.
Diese akzeptierte das FA nicht und setzte Zwangsmittel fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos, der BFH folgte dem nicht.
Pflicht zur Abgabe der Erklärung in elektronischer Form
A und B sind für das Streitjahr zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung verpflichtet, weil die Voraussetzungen der Veranlagungstatbestände des § 46 Abs. 2 Nr. 1 und 3a EStG erfüllt sind.
Eine solche Einkommensteuererklärung ist grundsätzlich in eigenhändig unterschriebener Form abzugeben. Diese Verpflichtung haben A und B erfüllt. Abweichend davon ist die Einkommensteuererklärung jedoch nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, wenn Gewinneinkünfte erzielt werden und es sich nicht um einen der Veranlagungsfälle gem. § 46 Abs. 2 Nr. 2–8 EStG handelt.
A hat Gewinneinkünfte durch den Betrieb der Photovoltaikanlage erzielt. Da A und B nach Ansicht des BFH aber (auch) unter den Veranlagungstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG fallen, fehlt es an der – negativ formulierten – weiteren Voraussetzung gem. § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG.
Der Gesetzeswortlaut spricht nach Ansicht des BFH dafür, dass es für die Erfüllung dieses Ausnahmetatbestands von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung ausreicht, wenn einer der Veranlagungsfälle des § 46 Abs. 2 Nr. 2–8 EStG erfüllt ist.
Dies gilt für den BFH auch dann, wenn zusätzlich der Veranlagungstatbestand gem. § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfüllt ist. Ein vom Wortlaut abweichender Normzweck ist für den BFH jedenfalls nicht mit hinreichender Eindeutigkeit erkennbar.
Zudem kann der BFH § 25 Abs. 4 Satz 1 zweiter Halbsatz EStG nicht in der Weise auslegen, dass bei Gewinneinkünften die Gewinnermittlung entweder gem. § 5b EStG (Bilanzierung) oder gem. § 60 Abs. 4 EStDV (Einnahmenüberschussrechnung) elektronisch zu übermitteln ist. Dies ist nach Auffassung des BFH kein zwingender Grund für eine vom Wortlaut nicht getragene Auslegung.
Denn die elektronische Gewinnermittlung mit ihren zahlreichen Kennzahlen bleibt unter dem Gesichtspunkt einer effizienten Verwaltung (u.a. automatisierter Vergleich mit den Vorjahreskennzahlen und dadurch schnelle Erkennung wesentlicher Veränderungen) auch dann sinnvoll, wenn die Einkommensteuererklärung als solche – in die der Gewinn ohnehin nur als auf eine einzige Zahl zusammengefasstes Ergebnis der detaillierten Gewinnermittlung eingetragen wird – in Papierform abgegeben wird.
Aus diesen Gründen hob der BFH die Entscheidung des Finanzgerichts auf und gab der Klage statt.
Praxishinweis: Der BFH hat eine für die Praxis wichtige Entscheidung gefällt: Auch bei Gewinneinkünften von mehr als 410 € ist ein Steuerpflichtiger nicht zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung verpflichtet, wenn zusätzlich die Voraussetzungen eines der Veranlagungstatbestände gem. § 46 Abs. 2 Nr. 2–8 EStG erfüllt sind. Denn es besteht kein genereller Vorrang des Veranlagungstatbestands des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vor den anderen Veranlagungstatbeständen. Daraus folgt, dass insbesondere für viele Betreiber von Photovoltaikanlagen, die lediglich als Nebenerwerb unterhalten werden, künftig keine elektronische Einkommensteuererklärung abgegeben werden muss.
BFH, Urt. v. 28.10.2020 - X R 36/19
RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht