Aus Überentnahmen ergeben sich nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen. Der BFH hat bestimmt, wie Überentnahmen im Fall mehrstöckiger Personengesellschaftsstrukturen zu ermitteln sind. Demnach gilt auch hier die betriebsbezogene Betrachtung. Weder der Abzug noch die Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG stellen ein Wirtschaftsgut dar, das als Einlage berücksichtigt werden kann.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 27.09.2023 (IV R 8/21) entschieden, dass die Übertragung eines Gewinns nach § 6b EStG auf einen anderen Rechtsträger kein einlagefähiges Wirtschaftsgut darstellt und somit auch nicht zu einer überentnahmemindernden Einlage beim übertragenden Rechtsträger führen kann.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin ist eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Im Streitjahr erzielte sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb und war an einer Grundstücksgesellschaft, ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG, beteiligt.
Die Klägerin erzielte aus der Veräußerung eines Grundstücks einen Gewinn und machte von der Möglichkeit Gebrauch, den bei der Veräußerung erzielten Gewinn von den Anschaffungskosten der Grundstücke der Tochtergesellschaft sowie ihrer Gesellschafterin nach § 6b EStG abzuziehen.
Im Rahmen einer Außenprüfung kam das Finanzamt (FA) zu dem Ergebnis, dass dem erklärten Gewinn nicht abziehbare Schuldzinsen außerbilanziell nach § 4 Abs. 4a EStG hinzuzurechnen seien.
Mit einem Einspruch machte die Klägerin u.a. geltend, dass bei der Ermittlung der Überentnahmen auch die Übertragung nach § 6b EStG entsprechend hätte berücksichtigt werden müssen.
Sie rügte außerdem, dass die betriebsbezogene Betrachtung bei mehrstöckigen Personengesellschaften nicht anzuwenden sei.
Sowohl die anschließende Klage beim Finanzgericht als auch die Revision vor dem BFH blieben erfolglos.
Ermittlung von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG
Nach § 4 Abs. 4a EStG sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen im Wirtschaftsjahr übersteigen.
Die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen erfolgt pauschal mit einem Zinssatz von 6 % des jährlich fortgeführten Saldos der Überentnahmen jedes Wirtschaftsjahrs.
Die sich so ergebenden nicht abziehbaren Schuldzinsen werden unter Abzug eines Freibetrags i.H.v. 2.050 € dem Gewinn außerbilanziell hinzugerechnet.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Die von der Klägerin befürwortete konzernübergreifende Betrachtung bei der Ermittlung der Überentnahmen lehnt der BFH ab. Die Ermittlung der Überentnahmen hat jeweils betriebsbezogen zu erfolgen.
Die Entnahme eines Gewinnvortrags durch die Muttergesellschaft im Rahmen einer mehrstöckigen Personengesellschaftsstruktur ist daher als Einlage zu qualifizieren.
Jede Überführung oder Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem betrieblichen Bereich eines Steuerpflichtigen in einen anderen betrieblichen Bereich desselben oder eines anderen Steuerpflichtigen stellt demnach eine Entnahme beim abgebenden und eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb i.S.d. § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG dar.
Auch aus der Übertragung der Rücklage resultieren keine Auswirkungen auf die Ermittlung der Überentnahmen.
Weder der Abzug nach § 6b Abs. 1 EStG noch die Übertragung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG stellen ein einlagefähiges Wirtschaftsgut dar und können daher nicht als Einlage berücksichtigt werden.
Praxishinweis
Der BFH wendet die betriebsbezogene Betrachtung bei der Ermittlung der Überentnahmen äußerst konsequent an. So dient auch eine Entnahme zur konzerninternen Finanzierung betriebsfremden Zwecken und ist daher ebenfalls bei der Ermittlung nach § 4 Abs. 4a EStG zu berücksichtigen.
BFH, Urt. v. 27.09.2023 - IV R 8/21