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Anmerkung: Im Folgenden sehen Sie unseren ursprünglichen Beitrag zum Thema Erbschaftsteuer Betriebsvermögen (Stand: Vor Inkrafttreten der Reform)
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Bei der Erbschaftsteuer wird Betriebsvermögen durch besondere Verschonungsregeln geschützt. Lesen Sie im folgenden Artikel, was aktuell gilt und was sich ändert.
Warum ändern sich die erbschaftsteuerlichen Regeln für Betriebsvermögen gerade?
Der BFH hat dem BVerfG wieder einmal die geltenden erbschaft- und schenkungsteuerlichen Regelungen aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken vorgelegt. Der Kern der Kritik sind die umfangreichen Vergünstigungen beim Erwerb unternehmerischen Vermögens.
Das Bundesverfassungsgericht hat die die Ansicht des BFH bestätigt und bemängelt eine gleichheitswidrige Besserstellung der unternehmerischen Erwerber gegeben (sehen Sie hier in unserem On-Demand Webinar, wie das BVerfG am 17.12.2014 im Detail entschieden hat).
Die Folge: Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, die Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen neu zu regeln. Bislang hat die Koalition sich bei dieser Erbschaftsteuerreform aber noch nicht zu einem Kompromiss durchgerungen.
Hinweis: Auf unserer Seite Erbschaftsteuerreform 2016 haben wir für Sie eine Übersicht erstellt, mit der Sie sich schnell zum aktuellen Stand bei der Reform informieren.
Im Folgenden werden die derzeit noch geltenden Regelungen zur Verschonung betrieblichen Vermögens dargestellt.
Der gemeine Wert als Grundlage der Bewertung
Der Wertansatz des betrieblichen Vermögens erfolgt mit dem gemeinen Wert nach § 9 Abs. 1 BewG. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um gewerbliches Betriebsvermögen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften handelt bzw. um das Betriebsvermögen von Freiberuflern oder auch von Anteilen an Kapitalgesellschaften.
Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften, für die Kurswerte existieren (z.B. Anteile an börsennotierten Unternehmen), wird der Wert zunächst aus Verkäufen und fremden Dritten abgeleitet, soweit diese weniger als ein Jahr zurückliegen.
Sollten derartige Verkäufe nicht vorliegen, ist der gemeine Wert unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten nach einer anerkannten Methode zu ermitteln (z.B. DCF-Verfahren, ggf. besondere Bewertungsverfahren z.B. bei Freiberuflerpraxen).
Der Substanzwert nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG gilt jedoch immer als Mindestwert. Über § 109 BewG gelten diese Grundsätze auch für Betriebsvermögen von Einzelunternehmen und Personengesellschaften.
Alternativ kann das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 200 ff. BewG eingesetzt werden, wenn es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Der hierdurch ermittelte Wert entspricht dann in der Praxis mehr oder weniger dem tatsächlichen Verkehrswert der Einheit, einzelne Komponenten des Verfahrens wie z.B. der Kapitalisierungsfaktor sind in der Literatur durchaus umstritten.
Die Verschonungsregelungen bei der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen im Einzelnen
Nach Abschluss des Bewertungsverfahrens, mit einem Wert für den Betrieb oder Anteil, welcher zumindest per se zumindest nicht in allen Fällen unter dem Verkehrswert liegt, werden dann die Verschonungsregelungen der §§ 13a, 13b ErbStG auf den Erwerb angewendet.
1. Die Regelverschonung
Nach diesem Modell bleiben gemäß § 13b Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 ErbStG 85% des Wertes von begünstigten Erwerben außer Ansatz. Als begünstigt gelten insbesondere:
- inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen sowie inländisches Betriebsvermögen
- inländisches Betriebsvermögen von Freiberufler- und Personengesellschaften und
- Betriebsvermögen in EU/EWR-Betriebsstätten.
Ausgenommen ist wiederum Vermögen, dass über 50% aus so genanntem Verwaltungsvermögen besteht, § 13b Abs. 2 ErbStG. Zum Verwaltungsvermögen gehören insbesondere
- Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke und ähnliche Rechte (regelmäßig Vermietungen), Ausnahmen z.B. für Grundstücke im Rahmen von Betriebsaufspaltungen,
- Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital 25 % oder weniger beträgt,
- Beteiligungen an gewerblich tätigen sowie gewerblich geprägten Personengesellschaften sowie an Freiberuflerpersonengesellschaften, soweit bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt,
- Anteile an Kapitalgesellschaften bei unmittelbarer Beteiligung am Nennkapital von mehr als 25 % sowie bei mittelbarer Beteiligung, soweit bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % ausmacht,
- Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen sowie z.B. Kunstgegenstände, wenn der Handel mit den Objekten nicht Hauptzweck eines Gewerbebetriebs ist.
Außerdem wurde durch den neuen § 13b II Nr. 4a ErbStG im Rahmen des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes eine Neuregelung eingeführt, welche die Umwandlung eines eigentlich nicht begünstigten Vermögens in Betriebsvermögen durch Einbringung in eine Gesellschaft verhindern soll (sog. Cash-Gesellschaften).
Zum Verwaltungsvermögen gehört nun auch der Bestand an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen etc., soweit diese saldiert 20 % des Werts des Betriebsvermögens des Betriebs bzw. der Gesellschaft übersteigen.
Auf die restlichen 15% des Betriebsvermögens, die nicht unter die Verschonungsregelung fallen, ist nach § 13a Abs. 2 ErbStG ein Abzugsbetrag von EUR 150.000 anwendbar. Dieser mindert sich sukzessive, soweit das verbleibende Vermögen Euro 150.000 übersteigt.
2. Lohnsummen- und Behaltensregelungen
Durch die Lohnsummenregelung soll sichergestellt werden, dass die Löhne des Betriebs auch in den Jahren nach dem Erwerb das Niveau zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht deutlich unterschreiten. Diese Reglung dient dem Arbeitsplatzerhalt.
Hierbei darf nach § 13a Abs. 1 ErbStG innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschritten werden. Ausgangslohnsumme ist hierbei die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Wirtschaftsjahre vor dem Jahr der Entstehung der Steuer. Die Vergünstigung fällt bei Verstoß prozentual zum bereits abgelaufenen 5-Jahreszeitraum weg. Die Lohnsummenregelung gilt für Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern.
Der Verschonungsabschlag und der Abzugsbetrag fallen auch weg, wenn der Betrieb innerhalb von fünf Jahren ab Übertragung veräußert wird, § 13a Abs. 5 ErbStG. Auch hier gilt unter bestimmten Umständen nur ein zeitanteiliger Wegfall. Wird der Veräußerungserlös innerhalb von 5 Monaten reinvestiert, bleibt die Begünstigung erhalten.
3. Die Optionsverschonung
Durch die Optionsverschonung in § 13a Abs. 8 ErbStG ist eine 100%-Verschonung für das betriebliche Vermögen möglich. Die Wahl der Optionsverschonung erfolgt durch unwiderrufliche Erklärung. An die komplette Steuerfreistellung sind verschärfte Voraussetzungen geknüpft:
- es gilt eine Lohnsummenfrist von sieben Jahren, die maßgebliche Lohnsumme beträgt 700%,
- die Behaltensfrist erhöht sich auf sieben Jahre und
- die zulässige Quote an begünstigungsunschädlichem Verwaltungsvermögen reduziert sich auf 10%.
Besonderheiten beim Steuersatz
Im Rahmen des § 19a ErbStG gelten beim Erwerb betrieblichen Vermögens Besonderheiten beim Steuersatz. Hiernach ist von der tariflichen Erbschaftsteuer ein Entlastungsbetrag abzuziehen, wenn das Betriebsvermögen nicht bereits durch § 13b Abs.4 ErbStG begünstigt ist. Der Erwerber muss außerdem zu der Steuerklasse II oder III gehören.
Autor: Thorsten Wagemann, Steuerberater/ Dipl.-Wirtschaftsjurist, München