Erbschaftsteuer: Bundestag stimmt Vermittlungsausschuss zu

Der Bundestag hat am 29.9.2016 das neue Erbschaftsteuergesetz wie vom Vermittlungsausschuss empfohlen beschlossen. Damit fehlt nur noch grünes Licht aus dem Bundesrat, damit das neue Erbschaftsteuerrecht in Kraft tritt.

Der lange Weg zum neuen ErbStG

Die Erbschaftsteuer musste neu geregelt werden, nachdem das Bundesverfassungsgericht am 17.12.2014 das geltende Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt hatte. Das Gericht hatte insbesondere die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen bei großen Vermögen als zu weitgehend betrachtet.

Das Erbschaftsteuerrecht sieht eine Verschonung des Betriebsvermögens in Höhe von 85 % vor, wenn innerhalb von fünf Jahren der vierfache Betrag der durchschnittlichen Jahreslöhne gezahlt (400 %) und der Betrieb weitergeführt wurde. Die Verschonung konnte auf 100 % erhöht werden, wenn die Lohnsumme 700 % betrug und der Betrieb sieben Jahre gehalten wurde. Zudem kritisierte das BVerfG die Lohnsummenregelung, die erst bei Unternehmen ab 20 Mitarbeitern greift sowie die vielfältigen Umgehungsmöglichkeiten. Das BVerfG hatte den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 30.06.2016 für eine verfassungskonforme Neuregelung zu sorgen.

Der Bundestag hat am 24.06.2016 mit großer Mehrheit die Anpassung der Erbschaft- und Schenkungsteuer an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschlossen. Gegenstand war der Gesetzentwurf der Regierung zur "Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkung­steuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" (BT-Drucks 18/5923, 18/6279) mit den Änderungen nach der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 18/8911).

Der Bundesrat hat in seiner 947. Sitzung am 8. Juli 2016 jedoch beschlossen, zu dem Gesetz gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der grundlegenden Über­arbeitung zu verlangen.

In den frühen Morgenstunden des 22.09.2016 hat der Vermittlungsausschuss nun eine Einigung erzielt, die noch von Bundestag und Bundesrat bestätigt werden muss (Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 22.09.2016 – BT-Drucksache 18/9690).

ErbStG: Die wichtigsten Änderungen im Überblick

Im Kern ergeben sich unter Berücksichtigung der bereits vom Bundestag und nun im Vermittlungsausschuss vorgenommenen Korrekturen am Gesetzentwurf folgende Änderungen. (Hinweis: Einen optimalen Überblick über alle Änderungen erhalten Sie hier in unserer Gratis-Synopse ErbStG).

Verschonungsregel bei großem Betriebsvermögen

Die Verschonungsregel bei großem Betriebsvermögen hat sich im Kern gegenüber dem Regierungsentwurf nicht geändert. Bei einem begünstigten Vermögen von 26 Mio. € oder höher pro Erwerber ist eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung oder alternativ ein Verschonungsabschlagsmodell vorgesehen.

Abschmelzmodell: Der Verschonungssatz von 85 % bzw. 100 % wird abgeschmolzen um 1 Prozentpunkt je volle 750.000 €, die der Erwerbswert über der Schwelle von 26 Mio. € liegt. Die Abschmelzung erfolgt bis zu einem Erwerbswert von 89,75 Mio. € (bei der Regelverschonung) bzw. 90 Mio. (bei der Optionsverschonung) auf „Null“.

Erlassmodell: Erlass der Steuer, soweit nachgewiesen wird, dass das verfügbare Vermögen zur Steuerbegleichung nicht ausreicht (Verschonungsbedarfsprüfung). Zum verfügbaren Vermögen gehören 50 % des (mit-)erworbenen nicht begünstigten Vermögens und 50 % des beim Erwerber bereits vorhandenen nicht begünstigten (Privat-) Vermögens.

Sonderbegünstigung für Familienunternehmen

Die im Regierungsentwurf vorgesehene erhöhte Prüfschwelle von 52 Millionen € bei vorstehender Verschonungsregel war bereits im Gesetzesbeschluss durch eine besondere Steuerbefreiung ersetzt worden, wenn gesellschaftsvertragliche oder satzungsmäßige Ausschüttungs- und Entnahmerestriktionen, Verfügungsbeschränkungen und Abfindungs-regelungen bestehen. Diese sind jedoch jetzt nochmals verschärft worden:

  • So muss die Entnahme oder Ausschüttung jetzt auf höchstens 37,5 % des um die auf den Gewinnanteil oder die Ausschüttungen aus der Gesellschaft entfallenden Steuern vom Einkommen gekürzten Betrages des steuerrechtlichen Gewinns beschränkt sein. Vorher war keine Betragsmäßige Größenordnung angegeben;
  • zusätzlich muss sich die Verfügung über die Beteiligung an der Personengesellschaft oder den Anteil an der Kapitalgesellschaft auf Mitgesellschafter, auf Angehörige oder auf eine Familienstiftung beschränken und
  • für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft eine Abfindung vorgesehen sein, die unter dem gemeinen Wert der Beteiligung an der Personengesellschaft oder des Anteils an der Kapitalgesellschaft liegt.

Die Höhe des Abschlags entspricht der im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung gegenüber dem gemeinen Wert und darf 30 % nicht übersteigen.

Lohnsummenregelung

Im Rahmen der Lohnsummenregelung müssen je nach Verschonungsmodell (Regel- oder Optionsverschonung) Löhne und Gehälter für eine bestimmte Zeit nach der Übertragung stabil bleiben. Die Prüfung der Lohnsummen soll nach dem im Vermittlungsausschuss unveränderten Gesetzesbeschluss nun bei einer Unternehmensgröße von mehr als fünf Arbeitnehmern greifen. Für Betriebe von sechs bis 15 Beschäftigten gibt es gestaffelte Regelungen. An die Stelle der Mindestlohnsumme von 400 % (Regelverschonung) tritt bei

  • mehr als fünf, aber nicht mehr als zehn Beschäftigten eine Mindestlohnsumme von 250 %
  • mehr als zehn, aber nicht mehr als 15 Beschäftigten eine Mindestlohnsumme von 300 %.

Begünstigtes Vermögen

Im Regierungsentwurf war noch eine grundlegende Änderung des (schädlichen) Verwaltungsvermögensbegriffs vorgesehen. Von diesem Vorhaben hatte sich bereits der Gesetzesbeschluss verabschiedet. Auch nach dem Vermittlungsverfahren wird nun an dem bisherigen Begriff des schädlichen Verwaltungsvermögens vom Grundsatz her festgehalten.

Dem Verwaltungsvermögen hinzugefügt werden nach dem Vermittlungsergebnis Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten Lebensführung dienende Gegenstände.

Einschränkungen soll es zudem bei der der Begünstigung von Finanzmitteln geben: demnach sollen nur noch die Netto-Finanzmittel bis zu 15 % (statt bisher 20%) des Unternehmenswerts begünstigt sein. Über diese Grenze hinausgehende Finanzmittel werden in die Ermittlung des schädlichen Verwaltungs-vermögens einbezogen. Das Vermittlungsergebnis enthält zudem zusätzliche Missbrauchsbekämpfungsregelungen, um eine Wiederbelebung der sog. „Cash-GmbH“ zu vermeiden.

Achtung: Anders als nach dem Gesetzesbeschluss im Sommer vorgesehen, kommt nicht mehr zum Wegfall der nur 10%-igen Verwaltungsvermögensquote für die Inanspruchnahme der 100%-Steuerbefreiung. Als weitere Voraussetzung für die Inanspruchnahme der vollständigen Steuerbefreiung wird geregelt, dass das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen besteht.

Stundungsmöglichkeit

Es bleibt bei der im Gesetzesbeschluss vorgesehenen Erweiterung der Stundungsregelungen bei Erwerben von Todes wegen. Die maximale Stundungsdauer beträgt aber nach dem Vermittlungsergebnis nur noch 7 statt 10 Jahre. Zudem ist nur noch der erste Jahresbetrag zinslos zu Stunden. Die weiteren Jahresbeträge sind zu verzinsen. Die Stundung erstreckt sich lediglich auf die Steuer, die auf das begünstigte Vermögen entfällt. Lohnsummenregelung und Behaltensfrist müssen eingehalten worden sein.

Unternehmensbewertung

Der Kapitalisierungsfaktor beim vereinfachten Ertragswertverfahren nach § 199 ff. BewG, das der Bewertung von Einzelunternehmen, Personengesellschaften, nicht notierten Anteilen von Kapitalgesellschaften und freiberuflichem Betriebsvermögen dient, sollte nach dem Gesetzes­beschluss vom Sommer auf eine Bandbreite zwischen 10 und 12,5 angepasst werden. Hierdurch sollte der anhaltenden Niedrigzinsphase und der damit einhergehenden Überbewertung von Unternehmen vorgebeugt werden. Nach derzeitigem Stand liegt der Kapitalisierungsfaktor bei 17,86. Das Vermittlungsergebnis schreibt den Kapitalisierungsfaktor nun auf 13,75 fest.

Hinweis: Auch diese etwas abgemilderte Absenkung wird sich als Entlastung für alle Fälle von Übertragungen erweisen. Sie hat zudem über die Erbschaftsteuer hinausgehende Bedeutung.

Inkrafttreten des neuen ErbStG

Das BVerfG hatte dem Gesetzgeber eine Frist zur Neuregelung bis zum 01.07.2016 gesetzt. Die Neuregelungen sollen deshalb auch nach dem Vermittlungsergebnis zum 01.07.2016 rückwirkend in Kraft treten. Die Änderung beim Kapitalisierungsfaktor für die Unternehmens­bewertung soll fur Bewertungsstichtage ab dem 1. Januar 2016 angewendet werden.

 

 

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