Die 11 besten Tipps zur „Rettung“ von erbschaftsteuerlichen Vorteilen

Nach dem Ableben eines Mandanten können die bekannten erbschaftsteuerrechtlichen Gestaltungen im Vorfeld (z.B. Testamentserstellung) nicht mehr genutzt werden. Individuelle Vermögenszuweisungen sind grundsätzlich nicht mehr möglich, da der Erblasser keine Weisungen mehr vornehmen kann. Häufig stehen die Erben dann vor dem Problem, dass Auseinandersetzungen des Nachlasses zu Vermögensverschiebungen und damit zu Schenkungen zwischen ihnen führen. Da insoweit in der Regel nur geringe Freibeträge existieren (z.B. bei Geschwistern), sollten die nachstehend skizzierten Möglichkeiten, das Nachlassvermögen – abweichend von der gesetzlichen oder gewillkürten Erbfolge – steuergünstig zu verteilen, geprüft werden.

1. Formunwirksames Testament vorhanden?

Verfügungen von Todes wegen sind zivilrechtlich nur von Bedeutung, wenn die hierfür vorgesehenen Formvorschriften beachtet worden sind. Dem formunwirksam Bedachten stehen keinerlei Rechte aus der Verfügung zu; sie sind schlichtweg nichtig (§ 125 BGB).

Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO ist die bürgerlich-rechtliche Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts für die Besteuerung aber unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Es ist einheitliche Rechtsauffassung,1 dass § 41 Abs. 1 AO auch auf Verfügungen von Todes wegen anzuwenden ist. Wird eine Verfügung des Erblassers von Todes wegen ausgeführt, obwohl sie zivilrechtlich unwirksam ist und beruht die Ausführung der Verfügung auf der Beachtung des erblasserischen Willens, den Begünstigter und Belasteter anerkennen, so hat die Besteuerung nach dem ErbStG das wirtschaftliche Ergebnis dieses Vollzugs zu beachten.2

Tipp 1

So kann z.B. ein formunwirksames Vermächtnis der Besteuerung dann zugrunde gelegt werden, wenn feststeht, dass – vom Formmangel abgesehen – eine Anordnung des Erblassers von Todes wegen vorliegt und der Beschwerte dem Begünstigten das diesem zugedachte Vermögen überträgt, um dadurch den Willen des Erblassers zu vollziehen.3

Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zur Verhinderung von Missbräuchen stellt die Rechtsprechung einige Anforderungen gerade an den Nachweis einer Erklärung des Erblassers, aus der sein unwirksam geäußerter letzter Wille abgeleitet wird. Andernfalls entstünden schwer widerlegbare Behauptungen über die Existenz insbesondere mündlicher Verfügungen von Todes wegen.

Danach setzt die erbschaftsteuerrechtliche Beachtung unwirksamer Verfügungen von Todes wegen zweierlei voraus:

  1. Es muss eine – wenn auch den Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Testaments nicht genügende – Anordnung des Erblassers vorliegen, die dieser im Hinblick auf seinen Tod getroffen hat.
  2. Die von den an dem Erbfall Beteiligten getroffene Regelung muss aufgrund der Anordnung des Erblassers ausgeführt worden sein. Nur in diesem Fall haben die Bereicherung des Begünstigten und die Verminderung der Bereicherung des Beschwerten ihre Wurzeln im erblasserischen Willen.

Der Nachweis des Erblasserwillens kann grundsätzlich mit allen gängigen Beweismitteln erbracht werden. Folglich kommen zu diesem Zweck beispielsweise Zeugenaussagen (Pflegepersonal, Ärzte etc.) oder auch schriftliche Aufzeichnungen (Briefe, Notizen etc.) in Betracht.4

Nach aktueller Rechtsprechung des BFH5 ist nicht erforderlich, dass die unwirksame Verfügung von Todes wegen in vollem Umfang befolgt wird. Auch die lediglich eingeschränkte Befolgung weist die für die erbschaftsteuerrechtliche Berücksichtigung erforderliche Verbindung zur Willenserklärung des Erblassers auf. Erbschaftsteuerrechtlich beachtlich ist in einem solchen Fall die unwirksame Verfügung von Todes wegen dann insoweit, als sie tatsächlich ausgeführt wird.6

2. „Heilung“ eines Berliner Testaments/ Pflichtteilsgeltendmachung

Das Berliner Testament ist dadurch gekennzeichnet, dass sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben einsetzen und bestimmen, dass der beiderseitige Nachlass beim Tod des überlebenden Ehegatten auf eine dritte Person, dem Schlusserben (dies sind in der Regel die gemeinsamen Kinder), übergehen soll (§ 2269 BGB). Hier gilt das sogenannte Einheitsprinzip, d.h., der überlebende Ehegatte wird Vollerbe des Erblassers. Das Vermögen des verstorbenen Ehegatten und des überlebenden Ehegatten verschmilzt zu einer Einheit. Der Schlusserbe wird nur Erbe des überlebenden Ehegatten.

Steuerlicher Nachteil des Berliner Testamentes, wonach die Kinder im ersten Erbfall enterbt sind, ist der „Verlust“ der Freibeträge der Kinder nach dem erstverstorbenen Elternteil. Dies lässt sich jedoch vermeiden:

 Tipp2: Ausschlagung des Ehegatten

Durch die Ausschlagung kann ein Berliner Testament in Gänze„umgangen“ werden. Der Erwerb des überlebenden Ehegatten als Alleinerbe wird „übersprungen“ und auf die Nachfolgegeneration (Kinder) übergeleitet. Auf diese Weise fällt der erbschaftsteuerrelevante Vermögensübergang auf den Ehegatten vollständig weg, die Freibeträge der Kinder nach dem erstverstorbenen Elternteil können genutzt werden.

Tipp 3: Geltendmachung des Pflichtteils

Eine weitere Möglichkeit der Nutzung der Freibeträge nach dem erstverstorbenen Elternteil ist die Pflichtteilsgeltendmachung. Insoweit ist zunächst unbedingt zu prüfen, ob die Geltendmachung aufgrund einer im Testament enthaltenen Pflichtteilsstrafklausel auch Folgen für den Erwerb nach dem Ableben des zweiten Elternteils hat. Sofern dies zu bejahen ist, könnte eine Abfindung für die Nichtgeltendmachung des Pflichtteils vereinbart werden.

Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Geldanspruch, der in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils besteht (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs hängt zum einen von der Höhe des gesetzlichen Erbteils ab, zum anderen vom gemeinen Wert des Nachlasses. Der Pflichtteilsanspruch ist mit dem Nennwert anzusetzen, da er eine Kapitalforderung darstellt (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG).

Erbschaftsteuerrechtlich gilt als Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 dritte Variante ErbStG der Erwerb aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs unter Bezugnahme auf die §§ 2303 ff. BGB. Dies bezieht sich auf den Pflichtteilsanspruch gem. § 2317 BGB, nach h.M.7 einschließlich eines Zusatzpflichtteils nach § 2305 BGB und eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB. Erwerbsgegenstand ist der (Zahlungs-)Anspruch und nicht der Vermögenserwerb infolge Erfüllung dieses Anspruchs.8 Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) ErbStG entsteht die Steuer erst mit Geltendmachung des Anspruchs. Korrespondierend dazu sieht § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG vor, dass der Erbe (erst) ab diesem Zeitpunkt eine Nachlassverbindlichkeit abziehen darf. Mithilfe der Wahl des richtigen Zeitpunkts der Geltendmachung hat der Pflichtteilsberechtigte die Möglichkeit, eine Zusammenrechnung mit früheren Erwerben (§ 14 ErbStG) zu verhindern. Dies kann er erreichen, indem er die Geltendmachung erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist vornimmt.

Es besteht auch die Möglichkeit, den Pflichtteilsanspruch nach Ablauf der zivilrechtlichen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 2332 BGB) mit steuerlicher Wirkung geltend zu machen.9 Dies setzt aber voraus, dass der Erbe endgültig auf die Verjährungseinrede (§ 214 Abs. 1 BGB) verzichtet oder die Verjährungseinrede nicht erhebt und die Leistung erbringt.

Hinweis: Hat der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten des Erblassers Zuwendungen von diesem erhalten, dann werden diese dem Berechtigten auf den Pflichtteil angerechnet (§ 2315 Abs. 1 BGB). Voraussetzung ist aber, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Zuwendung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten die Bestimmung getroffen hat, dass eine Anrechnung erfolgen soll. Muss eine Anrechnung durchgeführt werden, ist zunächst die Zuwendung dem Nachlass hinzuzurechnen. Von diesem fiktiven Nachlasswert ist der Pflichtteilsanspruch zu berechnen. Anschließend ist der anzurechnende Betrag vom Pflichtteilsanspruch abzuziehen. Hat der Erblasser mehrere Pflichtteilsberechtigte hinterlassen, dann ist die Anrechnung für jeden getrennt vorzunehmen.

 

Tipp 4:  Abfindung für die Nichtgeltendmachung des Pflichtteils

Eine Pflichtteilsstrafklausel lässt sich im Einvernehmen der Beteiligten „heilen“. Der Berechtigte kann auf den mit dem Eintritt des Erbfalls entstandenen Pflichtteilsanspruch (§ 2317 Abs. 1 BGB) durch einen formlosen Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB) verzichten. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG muss der Pflichtteilsberechtigte nach seinem Verhältnis zum Erblasser versteuern, was als Abfindung (Surrogat) für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gewährt wird. Erhält der Pflichtteilsberechtigte als Abfindung einen Nachlassgegenstand, so geht in die Bemessungsgrundlage der Wert dieses Gegenstands und nicht der Nennwert des Pflichtteilsanspruchs ein. Der Erbe kann die Abfindungszahlung nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abziehen. Der Vorteil, den der Verpflichtete erlangt, weil der Berechtigte ganz oder zum Teil auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs verzichtet, ist steuerfrei (§ 13 Nr. 11 ErbStG).

Die Erbschaftsteuer entsteht beim Pflichtteilsberechtigten im Zeitpunkt des Verzichts (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f) ErbStG). Wann die Abfindung tatsächlich gezahlt wird, ist für die Entstehung der Steuer unerheblich. Eine hinausgeschobene Fälligkeit kann sich jedoch auf die Höhe der Steuer auswirken, weil die Forderung auf Zahlung der Abfindung ggf. abgezinst werden muss. Anders ist es hingegen zu beurteilen, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch verzögert geltend macht. Dann tritt erst mit Geltendmachung bzw. zeitnahem Verzicht die Steuerpflicht ein. Dies kann sich z.B. in Zusammenrechnungsfällen mit Vorschenkungen des Erblassers (§ 14 ErbStG) als vorteilhaft erweisen, wenn durch ein Zuwarten die Zehnjahresfrist überschritten wird.

Hinweis: Vorsicht! Verzichtet der Berechtigte ganz oder teilweise unentgeltlich auf den bereits geltend gemachten Pflichtteil, kann das eine nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerpflichtige freigebige Zuwendung an den Verpflichteten sein. Hinsichtlich der bereits entstandenen Steuer aufgrund des geltend gemachten Pflichtteils ergeben sich dadurch jedenfalls keine Änderungen. Denn der spätere Verzicht ist für die Besteuerung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs ebenso ohne Bedeutung wie spätere Erfüllungsabreden den einmal entstandenen Steueranspruch nicht mehr aufheben oder verändern können. Im Ergebnis ergibt sich demnach – je nach Umfang des Verzichts – eine doppelte Besteuerung: zunächst in Form der Erbschaftsteuer für den erworbenen Pflichtteil und sodann aufgrund der für den unentgeltlichen Verzicht (Zuwendung des Verzichtenden an den Erben) anfallenden Schenkungsteuer.

 

3. Ausschlagung des Erbes

Häufig wird an die Ausschlagung nur bei Überschuldung oder Wertlosigkeit des Nachlasses gedacht, obwohl die Ausschlagung auch als Gestaltungsinstrument genutzt werden kann. Hierdurch kann es (auch) zu haftungsbegründenden Beratungsfehlern kommen.

Tipp 5

Der Erbe kann die Ausschlagung nämlich als Mittel einsetzen, um einem Dritten seine Stellung zukommen zu lassen. Ein solches Vorhaben setzt voraus, dass der Rechtsberater die sich bei Ausschlagung gem. § 1953 Abs. 1, 2 BGB ergebende Erbfolge zuvor genau überprüft hat, da eine Ausschlagung zugunsten einer anderen Person, abweichend von der vorgegebenen Erbfolge, nicht möglich ist. Die Ausschlagung ist nicht nur bei Verfügungen von Todes wegen, sondern auch bei gesetzlicher Erbfolge möglich.

Bei der Überprüfung der Möglichkeiten, die eine Ausschlagung eröffnet, sind verschiedene Aspekte in Betracht zu ziehen. Eine vorteilhafte steuerliche Gestaltung kann durch Ausschlagung dann erreicht werden, wenn der Nächstberufene einer günstigeren Besteuerung unterliegt als der Ausschlagende. Dies mag seine Ursache in einem höheren Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 ErbStG, einer günstigeren Steuerklasse gem. § 15 Abs. 1 ErbStG oder in einer niedrigeren Steuerprogression gem. § 19 Abs. 1 ErbStG – indem das Vermögen durch Ausschlagung etwa auf mehrere Personen aufgeteilt wird – haben.

Grund kann darüber hinaus sein, dass der persönliche Freibetrag des Erben innerhalb des Zeitraums des § 14 ErbStG vor dem Erbfall bereits ausgeschöpft wurde. Zudem kann es bei Aufteilung auf mehrere Ersatzerben zu einer Senkung der Steuerbelastung durch die dann mögliche mehrfache Ausnutzung der Freibeträge des § 16 ErbStG kommen, insbesondere bei einem „Generationensprung“.

Wichtig: Die Ausschlagung hat durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen. Die Erklärung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben (§ 1945 Abs. 1 BGB). Die Ausschlagungsfrist beträgt grundsätzlich sechs Wochen ab Kenntnis der Erbenstellung (§ 1944 Abs 2 BGB). Die Frist verlängert sich auf sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.

Tipp 6: Ausschlagung des Ehegatten

Im Rahmen der Erbfolge bei im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten kann der überlebende Ehegatte die Ausschlagung auch nutzen, um die Abwicklungsmethode zu bestimmen. Ist der überlebende Ehegatte gesetzlicher Erbe, so erhält er neben seinem Erbteil gem. § 1931 BGB ein weiteres Viertel als Ausgleich des Zugewinns gem. § 1371 Abs. 1 BGB, unabhängig davon, ob ein Zugewinn erzielt wurde. Zu dieser erbrechtlichen Lösung kommt es aber nur, wenn der überlebende Ehegatte Erbe wird. Schlägt er die Erbschaft aus und ist ihm auch kein Vermächtnis zugewandt, so bestimmt sich die Abwicklung nach § 1371 Abs. 2, 3 BGB (güterrechtliche Lösung). Danach kann der überlebende Ehegatte den sogenannten kleinen Pflichtteil, der die Hälfte des sich nach § 1931 BGB ergebenden Erbteils ausmacht, und den Zugewinnausgleich verlangen.

Entscheidungsschwierigkeiten ergeben sich nur dann, wenn Abkömmlinge gem. § 1924 BGB vorhanden sind. In der Beratungssituation ist das Wertverhältnis der beiden Möglichkeiten herauszufinden. Die besondere Schwierigkeit liegt darin, dass nicht nur eine genaue Bewertung des Nachlasses, sondern auch die Bestimmung der Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs vorgenommen werden muss, und zwar innerhalb der Ausschlagungsfrist. Bei diesen Berechnungen ist zudem § 5 Abs. 1 ErbStG zu beachten. Ferner gilt es zu bedenken, dass der überlebende Ehegatte im Rahmen der güterrechtlichen Lösung von möglichen Ansprüchen gem. § 1371 Abs. 4 BGB befreit wird, aber auch den Anspruch auf den Voraus gem. § 1932 BGB verliert.

Beispiel:

Die Ehefrau hat mit ihrem verstorbenen Mann zwei Kinder. Die Eheleute waren im gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft) verheiratet. Der Ehemann hat kein Testament, das Nachlassvermögen umfasst 1 Mio. € (ausschließlich Zugewinn).

Lösung:

Die Ausschlagung der Erbschaft bringt der Ehefrau einen Vorteil. Ihr Anspruch als Erbin beläuft sich auf die Erbquote von ½ =
500.000 €. Bei Ausschlagung stehen ihr insgesamt 562.500 € zu: zum einen der Zugewinn von 1 Mio. € ./. 2 = 500.000 € und zum anderen der kleine Pflichtteil nach § 1371 Abs. 3 BGB i.H.v. ⅛ von dem um den Zugewinnausgleich geminderten Nachlass (1 Mio. € – 500.000 € = 500.000 €./. 8) = 62.500 €.

Abwandlung:

Der Zugewinn des Ehemannes beträgt nur 500.000 €.

Lösung:

Hier erhält die Ehefrau bei Annahme der Erbschaft mehr Vermögen. Ihr Anspruch als Erbin beträgt 500.000 € (Erbquote ½). Der Anspruch bei Ausschlagung der Erbschaft beträgt 343.750 €. Sie erhält zunächst den Zugewinn von 500.000 € ./. 2 = 250.000 €. Hinzu kommt der Wert des kleinen Pflichtteils i.H.v. ⅛ von dem um den Zugewinnausgleich geminderten Nachlass (1 Mio. € – 250.000 € = 750.000 € ./. 8) = 93.750 €.

Hinweis: Der in Zugewinngemeinschaft lebende und zugunsten des Kindes (bzw. der Kinder) ausschlagende Ehegatte hat einen Pflichtteilsanspruch (§ 1371 Abs. 3 BGB). Wird der Anspruch nicht geltend gemacht, verstirbt der zunächst überlebende Ehegatte und wird allein von dem gemeinsamen Kind beerbt, so erlischt zivilrechtlich der Pflichtteilsanspruch zwar durch Konfusion. Denn das Kind ist als Erbe des erstversterbenden Elternteils Gläubiger und als Erbe des Letztversterbenden Pflichtteilsschuldner. Trotzdem kommt es gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1erste Alternative i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu einer Besteuerung des nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs.10 § 3 Abs. 1 Nr. 1 dritte Variante ErbStG, wonach nur ein geltend gemachter Pflichtteilsanspruch der Besteuerung unterliegt, gilt nicht bei einem derivativen Erwerb desselben.

 

Tipp 7: Ausschlagungsmöglichkeit des Erblassers

Stand dem Erblasser seinerseits ein noch ausschlagbares Erbe zu und sind seine Erben gleichzeitig die Ersatzerben nach dem Erstverstorbenen (so z.B. beim Berliner Testament), so kann mittels Ausschlagung der Erbschaft, die der Nachverstorbene nach dem Vorverstorbenen erlangt hat (§ 1952 BGB), eine steuerlich vorteilhafte Lage herbeigeführt werden.11

Beispiel:

Die Eltern A und B versterben nach einem Unfall innerhalb von zwei Tagen nacheinander. Sie hatten sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben eingesetzt.

Lösung:

Die Kinder können als Erben des Nachverstorbenen die Erbschaft nach dem Erstverstorbenen gem. § 1952 BGB ausschlagen. Nach dieser Ausschlagung sind sie nicht mehr nur an einem Erbfall, sondern an zwei getrennt zu bewertenden Erbfällen beteiligt. Sie werden also nicht Schlusserben des gesamten Nachlasses, sondern Erben nach jedem Elternteil. Dies bewirkt, dass jedes Kind hinsichtlich jedes Erbfalls den Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Anspruch nehmen kann. Da es infolge der Ausschlagung nicht zur Bildung eines Gesamtnachlasses kommt, kann auch der maßgebliche Steuersatz (§ 19 Abs. 1 ErbStG) hinsichtlich des die Freibeträge übersteigenden Vermögens – je nach Höhe des Elternvermögens – günstiger sein.

Tipp 8: Ausschlagung gegen Abfindung

Mit Ausschlagung der Erbschaft entfällt die beim Erben entstandene Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit. Wenn für die Ausschlagung eine Abfindung gewährt wird, ist der Vorgang nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG steuerbar. Da die Abfindung als Erwerb vom Erblasser gilt, bei dem auch die gesetzlichen Freibeträge genutzt werden können, und der Anfallberechtigte die Abfindungszahlung vom Nachlass abziehen kann, kann sich eine interessante Möglichkeit ergeben, die Steuerlast zu reduzieren.

Sogar wenn mit der Ausschlagung eine unentgeltliche Bereicherung des durch die Ausschlagung Begünstigten bezweckt wird, liegt keine freigebige Zuwendung seitens des Ausschlagenden vor.12 Die Wertung des § 517 BGB wird bei § 7 ErbStG übernommen, wonach keine Schenkung vorliegt, wenn jemand zum Vorteil eines anderen einen Vermögenserwerb unterlässt oder auf ein angefallenes, noch nicht endgültig erworbenes Recht verzichtet. Deshalb ist auch kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO anzunehmen, wenn die Ausschlagung allein zu dem Zweck erfolgt, Erbschaftsteuer zu sparen.13

Für die Gestaltungspraxis hat die Ausschlagung gegen Abfindungsleistung insofern an Bedeutung verloren, als durch die Anpassung der Steuerwerte an die Verkehrswerte z.B. die Überlegung, an die Stelle eines Geldvermächtnisses eine Grundstücksabfindung treten zu lassen, die früheren Bewertungsvorteile nicht mehr gegeben sind. Interessant bleibt allerdings die Ausschlagung gegen eine Teilabfindung, weil sich damit im wirtschaftlichen Ergebnis das Ziel einer zivilrechtlich nicht zulässigen Teilausschlagung erreichen lässt.

Durch Ausschlagung gegen Abfindung kann auch der für die Steuerberechnung entscheidende Stichtag des § 11 ErbStG verändert werden, denn die Erbschaftsteuer auf die Abfindung entsteht erst zum Zeitpunkt der Vereinbarung.

4. Ausschlagung eines Vermächtnisses

Tipp 9

Der Vermächtnisnehmer erfüllt den Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Macht der Vermächtnisnehmer jedoch von seinem Ausschlagungsrecht Gebrauch, so entfällt bei ihm rückwirkend die Erbschaftsbesteuerung des Vermächtnisses. Ebenso wie ein Erbe die ihm angefallene Erbschaft ausschlagen kann, steht auch dem Vermächtnisnehmer das Recht zu, das mit dem Erbfall angefallene Vermächtnis auszuschlagen. Wird das Vermächtnis ausgeschlagen, gilt der Vermächtnisanfall als nicht erfolgt.

Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist – anders als beim Erbe – weder an eine Form noch an eine Frist gebunden. Sie ist gegenüber demjenigen zu erklären, der mit dem Vermächtnis beschwert ist (§ 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB). § 1944 BGB, wonach die Ausschlagung grundsätzlich nur binnen sechs Wochen erfolgen kann, findet auf das Vermächtnis keine Anwendung, da in § 2180 Abs. 3 BGB auf sie gerade nicht verwiesen wird.

Hinweis: Der beschwerte Erbe kann dem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer aber eine angemessene Erklärungsfrist setzen (§ 2307 Abs. 2 BGB). Ohne fristgerechte Erklärung gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen. Mehrere beschwerte Miterben müssen die Fristsetzung gemeinschaftlich ausüben, die nachträgliche Billigung einer bereits ausgesprochenen Frist durch einen beschwerten Miterben ist jedoch ausreichend.

 

Wurde ein Ersatzvermächtnisnehmer eingesetzt, so erhält dieser das Vermächtnis. Mit der Ausschlagung des Vermächtnisses fällt ihm das Vermächtnis zu. Damit hat er das Vermächtnis der Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Steuertatbestand ist hier ebenso § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Ist kein Ersatzvermächtnisnehmer berufen worden, so fällt das Vermächtnis grundsätzlich weg. Dies hat zur Folge, dass bei dem mit dem Vermächtnis belasteten Erben die entsprechende Belastung wegfällt. Hierdurch kommt es bei dem Erben zu einer Erhöhung der Bereicherung, die auch seine Erbschaftsteuer erhöht.

Tipp 10

Besonderheiten gelten in dem Fall, dass ein Vermächtnisnehmer zugleich pflichtteilsberechtigter Erbe ist. Dieser kann zwischen vier Varianten wählen:

  • Sowohl der Erbteil als auch das Vermächtnis werden angenommen. Ein eventuell bestehender Pflichtteilsrestanspruch aus § 2305 Satz 1 BGB wird unter Anrechnung des Vermächtnisses gem. § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend gemacht.

Hinweis: Nach § 2305 Satz 2 BGB werden die Beschränkungen und Beschwerungen i.S.d. § 2306 BGB bei der Berechnung des Wertes des Erbteils außer Betracht gelassen, also nicht mehr wertmindernd (und damit pflichtteilsrestanspruchserhöhend) abgezogen. Insoweit übernimmt § 2305 Satz 1 BGB das in § 2307 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BGB für Vermächtnisse geregelte Abzugsverbot.

  • Sowohl der belastete Erbteil als auch das Vermächtnis werden ausgeschlagen, und gem. § 2306 Abs. 1, § 2307 BGB wird der volle Pflichtteil verlangt. In Anbetracht der Regelungen in § 2305 Satz 2 BGB und in § 2307 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz BGB bietet sich diese Variante bei wertmäßig besonders intensiven Belastungen des Erbteils bzw. des Vermächtnisses an.
  • Nur der Erbteil wird ausgeschlagen und der Pflichtteilsanspruch gem. § 2306 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Das Vermächtnis wird nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz BGB auf den Pflichtteilsanspruch angerechnet.
  • Nur das Vermächtnis wird – unter Annahme des Erbteils – ausgeschlagen. In diesem Fall verliert der Erbe den Vermächtnisanspruch, ohne dass er die Möglichkeit gewinnt, den vollen Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können. Gemäß § 2306 Abs. 1 BGB bleiben die Beschränkungen bzw. Beschwerungen bestehen. Der Erbe kann allerdings den Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 Satz 1 BGB geltend machen, wenn der hinterlassene Erbteil geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

5. Testamentsauslegung: Vorausvermächtnis oder Teilungsanordnung?

Tipp 11

Der Erblasser hat es in der Hand, durch letztwillige Verfügungen auch Anordnungen für die Auseinandersetzungen über seinen Nachlass zu treffen. Er kann verfügen, dass bestimmte Nachlassgegenstände bestimmten Erben zugewiesen werden. Diese Auseinandersetzungsanordnungen werden im Sprachgebrauch „Teilungsanordnung“ genannt, sind vom Inhalt her allerdings Anweisungen, wie der Nachlass auseinanderzusetzen ist. Ob es sich in einem solchen Fall um Vorausvermächtnisse oder eine Teilungsanordnung handelt, lässt sich oft nicht eindeutig feststellen. Bei der Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis kommt es nicht auf die formale Bezeichnung, sondern auf das tatsächlich Gewollte an.

Hat der Erblasser Erbquoten festgesetzt, so verändert die Auseinandersetzungsanordnung diese nicht. Die sich aus einer Auseinandersetzungsanordnung ergebende Konsequenz ist, dass Gegenstände, die einzelnen Erben zugewiesen werden, wertmäßig auf den jeweiligen Erbanteil angerechnet werden müssen. Erhält der Erbe aufgrund der Teilungsanordnung wertmäßig mehr als seiner Erbquote entspricht, so ist er – im Unterschied zum Vorausvermächtnis – zur Ausgleichung verpflichtet. Die Teilungsanordnung erschöpft sich in der Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände innerhalb des Rahmens des Erbteils, sie beschränkt sich auf die Verteilung der Nachlassgegenstände bei der Erbauseinandersetzung.

Stellt die Anordnung einen Miterben hingegen besser oder schlechter als die übrigen, so liegt ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB; Besserstellung) oder eine Auflage (Schlechterstellung) vor, sofern dies vom Erblasser beabsichtigt war. Die Vorstellung des Erblassers, dem Begünstigten einen zusätzlichen Vermögensvorteil zukommen zu lassen, steht im Vordergrund.
Dogmatisch lässt sich ein Vorausvermächtnis von einer Teilungsanordnung klar trennen, in der Praxis ist dies regelmäßig schwieriger. Auch die Motive, die den Erblasser bewegen, bleiben nicht selten unbekannt. Gerade hierin liegt allerdings das Abgrenzungsproblem bei der praktischen Anwendung: Soweit der Erblasser mit seiner Verfügung keine Anrechnung auf den Erbteil anordnet, liegt im Zweifel ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) vor, ansonsten ist immer eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) gegeben.

1 Grundlegend zu § 41 AO BFH, Urt. v. 07.10.1981 - II R 16/80, BStBl II 1982, 28; FG München, Urt. v. 02.02.1994 - 4 K 3425/89, BeckRS 1994, 13276; FG Köln, Urt.v. 05.04.2005 - 9 K 7416/01, EFG 2005, 1133.

2 BFH, Urt. v. 07.10.1981 - II R 16/80, BStBl II 1982, 28.

3 BFH, Urt. v. 15.03.2000 - II R 15/98, BStBl II, 588; BFH, Urt. v. 14.02.2007 - XI R 18/06, BStBl II 2009, 957; BFH, Urt. v. 28.03.2007 - II R 25/05, BStBl II, 461.

4 Zu einem Einzelfall mit umfangreichem Sachverhaltsvortrag vgl. FG Nürnberg, Urt. v. 14.01.2016 - 4 K 747/15, ZEV 2016, 227.

5 BFH, Urt. v. 22.09.2010 - II R 46/09, BFH/NV 2011, 261.

6 BFH, Urt. v. 07.10.1981 - II R 16/80, BStBl II 1982, 28.

7 Kepper, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 3 RdNr. 183 m.w.N. (04/2023)

8  BFH, Urt. v. 07.10.1998 - II R 52/96, BStBl II 1999, 23.

9  Fischer, in: Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 8. Aufl. 2023, § 9 RdNr. 46.

10 BFH, Urt. v. 07.12.2016 – II R 21/14, BFHE 256, 381.

11 Vgl. FG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.1964 – III 8/63 Erb, EFG 1965, 183.

12 BFH, Urt. v. 22.12.1976 - II R 58/67, BStBl II 1977, 420

13 FG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.1964 - III 8/63 Erb, EFG 1965, 183; Weinmann, in: Moench/Weinmann, ErbStG, § 3 RdNr. 44 (09/2024); Gebel, in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 3 RdNr. 27 (03/2024).

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