Wann liegen bei Erbfall und Schenkung Nachlassverbindlichkeiten vor? Der BFH hat klargestellt: Zahlungen des Beschenkten, die Herausgabeansprüche eines Erben oder Nacherben abwenden sollen, können bei der Schenkungsteuer steuermindernd geltend gemacht werden. Denn diese Kosten dienen dazu, das Geschenkte zu sichern. Ein schon erlassener Schenkungsteuerbescheid ist entsprechend zu ändern.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 06.05.2021 (II R 24/19) entschieden, dass die Zahlung eines Beschenkten an die Erben, durch welche verhindert werden soll, dass diese ihre Herausgabeansprüche geltend machen, Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG bei der Besteuerung der Schenkung darstellen. Diese gelten als rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Sachlage im Streitfall
Der Vater des Klägers verstarb im Jahr 1997. Die Mutter wurde nach der Auslegung des Testaments Alleinerbin und der Kläger sowie dessen Brüder wurden Schlusserben.
Die Mutter schenkte zweien der Brüder aus dem Nachlass jeweils ein Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt. Für diese Erwerbe setzte das Finanzamt (FA) entsprechend Schenkungsteuer fest.
Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2011 stellte das Nachlassgericht fest, dass das Testament des Vaters bisher falsch ausgelegt worden sei. Die Mutter sei demnach nur Vorerbin und die Brüder seien Nacherben geworden.
Daraufhin führten die Brüder untereinander einen Zivilrechtsstreit, da durch diese Auslegung des Testaments eine Rückübertragung der Grundstücke erforderlich sein könnte.
Die Verfahren wurden jedoch im Wege eines Vergleichs gegen Zahlung einer Abgeltungssumme von 150.000 € durch den Kläger beendet. Dieser machte nun die Abgeltungssumme als Nachlassverbindlichkeit für die damalige Schenkungsteuerfestsetzung im Wege eines Antrags auf Änderung geltend.
Das FA lehnte den Änderungsantrag ab. Mit der Klage vor dem Finanzgericht hatte der Kläger dagegen Erfolg. Auch der BFH sah die Revision des FA als unbegründet an und wies diese zurück.
Abzugsfähigkeit von Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung von Herausgabeansprüchen
Bei einer Schenkung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt die Bereicherung der Schenkungsteuer. Diese ermittelt sich aus der Differenz zwischen Vermögensanfall und Nachlassverbindlichkeiten.
Gemäß § 10 Abs. 5 ErbStG sind Schulden vorbehaltlich § 10 Abs. 6–9 ErbStG vom steuerpflichtigen Erwerb abzuziehen. Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses entstanden sind.
Dieser Begriff ist nach Auffassung des BFH weit auszulegen. Er umfasst demnach alle Kosten, die der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses dienen, sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.
Dazu gehören auch Zahlungen des Beschenkten an einen Dritten, damit dieser die Schenkung nicht mehr bestreitet.
Die Kosten sind dem Beschenkten somit auch zur Sicherung des Erwerbs entstanden und können als Erwerbsaufwand abgezogen werden. Da die Abfindungszahlung auf den Zeitpunkt des Erwerbs zurückwirkt, stellt diese ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Die Schenkungsteuerfestsetzung kann somit auch nachträglich noch geändert werden.
Praxishinweis
Auch im Nachhinein entstehende Kosten, etwa für einen nachgelagerten Rechtsstreit um das Erbe, können als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, da diese im direkten Zusammenhang mit dem Erwerb bzw. der Sicherung des Erwerbs stehen.
Wenn dem Steuerpflichtigen etwaige Zweifel bzgl. der Erbauseinandersetzung bereits bekannt sind, sollte er seinen Steuerberater kontaktieren, damit etwaige Steuerfestsetzungen offengehalten werden. Nach der Entscheidung des BFH können jedoch auch im Nachhinein aufgrund eines Gerichtsurteils o.Ä. entstehende Auswirkungen berücksichtigt werden.
BFH, Urt. v. 06.05.2021 - II R 24/19