Wann entspricht ein Darlehen dem Fremdvergleich? Wann ist ein Darlehen in einem Konzernverbund betrieblich und wann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst? Nach dem BFH kommt es hierbei auf alle objektiven Umstände an, ohne dass einzelne Kriterien unverzichtbare Tatbestandsmerkmale wären. Im Streitfall war einer ausländischen Kapitalgesellschaft ein unbesichertes Darlehen gewährt worden.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 13.01.2022 (I R 15/21) entschieden, dass die Abgrenzung zwischen einem betrieblich veranlassten Darlehen und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Einlagen anhand der Gesamtheit der objektiven Verhältnisse vorzunehmen ist.
Sind lediglich einzelne Kriterien des Fremdvergleichs nicht erfüllt, so ist diesen nicht die Qualität einer unverzichtbaren Tatbestandsvoraussetzung beizumessen.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland. Sie ist zugleich Organträgerin der A-GmbH, einer ebenfalls mit Sitz im Inland ansässigen Kapitalgesellschaft.
Diese war wiederum an einer belgischen Kapitalgesellschaft beteiligt. Die A-GmbH hatte der belgischen Kapitalgesellschaft ein unbesichertes Darlehen gegeben, für das sie einen Zinssatz von 6 % vereinbarten, gezahlt wurde jedoch lediglich ein tatsächlicher Zinssatz von 3,14 %.
Die Parteien schlossen über dieses Darlehen einen Forderungsverzicht mit Besserungsschein ab. Die A-GmbH buchte daraufhin die Darlehensforderung aus. Mit Verweis auf § 1 Abs. 1 AStG erkannte das Finanzamt (FA) den aus der Abschreibung resultierenden Verlust mangels Fremdüblichkeit jedoch nicht an.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Der BFH sah die anschließende Revision des FA nach mündlicher Verhandlung zunächst als begründet an und hob die Entscheidung des FG auf (BFH, Urt. v. 27.02.2019 - I R 73/16).
Das Bundesverfassungsgericht gab der hiergegen eingelegten Verfassungsbeschwerde statt und hob das Urteil des BFH ebenfalls auf (BVerfG, Beschl. v. 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19). Anschließend verwies der BFH die Sache an das FG zurück.
Fremdüblichkeit nach § 1 Abs. 1 AStG
Schließen einander nahestehende Personen im Rahmen von Geschäftsbeziehungen zum Ausland Verträge oder vereinbaren sie Bedingungen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen nicht vereinbart hätten, so sind die hieraus resultierenden Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gem. § 1 Abs. 1 AStG so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.
Auch Darlehensverhältnisse gehören zu derartigen Geschäftsbeziehungen, soweit diese mit im Ausland ansässigen nahestehenden Personen vereinbart werden. Die maßgeblichen Bedingungen für die Beurteilung der Fremdüblichkeit sind neben der Laufzeit, der Art und Weise der Rückzahlung sowie der Zinshöhe auch die Bedingungen über die zu stellenden Sicherheiten.
Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen dem Fremdvergleich entspricht, hängt davon ab, ob auch ein fremder Dritter das Darlehen unter gleichen Bedingungen und bei Gewährung entsprechender Risikokompensationen abgeschlossen hätte.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Der Klägerin sind im Streitfall aufgrund der bestehenden körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft die Einkünfte der A-GmbH gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 KStG zuzurechnen.
Zu der Fremdüblichkeit des Darlehens zwischen der A-GmbH und der belgischen Tochtergesellschaft hatte das FG im Streitfall jedoch keine Feststellungen getroffen, daher hob der BFH das Urteil des FG auf und verwies die Sache mit den nachfolgenden Hinweisen an das FG zurück.
Zunächst ist bei der Beurteilung von Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen maßgeblich, ob tatsächlich eine Kapitalüberlassung auf Zeit beabsichtigt war oder ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der anderen Gesellschaft übergehen sollte und somit eine (verdeckte) Einlage in die empfangende Gesellschaft vorliegt.
Die Beurteilung, ob eine Darlehensvergabe fremdüblich ist, ist in der Folge nach der Gesamtheit der objektiven Verhältnisse mit der Maßgabe vorzunehmen, dass nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltselemente vom Fremdüblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses ausschließt.
Das FG hatte in der Vorentscheidung eine derartige Gesamtbetrachtung nicht vorgenommen und insbesondere die Nichtbesicherung der Rückzahlungsforderung außer Acht gelassen.
Das FG hat somit nun zu prüfen, ob ein fremder Dritter unter gleichen Verhältnissen ebenfalls, insbesondere bei demselben Zinssatz, das Darlehen abgeschlossen hätte.
Praxishinweis: Die fremdübliche Darlehensvergabe im Konzernverbund ist ein in Betriebsprüfungen viel behandeltes Thema, insbesondere wenn die Darlehensvergabe ins Ausland erfolgt.
Die Steuerpflichtigen sollten dabei stets dokumentieren, an welchen fremdüblichen Bedingungen sie sich bei dem Abschluss des Darlehens orientiert haben.
Schlussendlich wird sich für die Darlehensvergabe lediglich eine Bandbreite bestimmen lassen, innerhalb welcher ein Darlehen unter fremdüblichen Bedingungen vergeben werden kann.
BFH, Urt. v. 13.01.2022 - I R 15/21
Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)