Der BFH hat im Fall eines Darlehens an eine später aufgelöste GmbH entschieden, dass nach Geltung der Abgeltungsteuer der endgültige Ausfall einer privaten Kapitalforderung zu einem steuerlichen Verlust führt.
Um den Verlust zu berücksichtigen, muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine weiteren Zahlungen mehr leisten wird. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 27.10.2020 (IX R 5/20) seine Grundsätze, wann der Verlust von privaten Kapitalforderungen steuerlich zu berücksichtigen ist, weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Der Kläger A war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH und gewährte gemeinsam mit seiner Ehefrau der Gesellschaft mehrere Darlehen. Durch Gesellschafterbeschluss wurde die GmbH aufgelöst. Nach Beendigung der Liquidation wurde die GmbH gelöscht.
Einige der gewährten Darlehen wurden nicht oder nicht vollständig zurückgezahlt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger einen Verlust aus der Auflösung der GmbH geltend und berücksichtigten neben dem Stammkapital auch die nicht bzw. nicht vollständig zurückgezahlten Darlehen nebst rückständigen Zinsen zu 60 %.
Sie beantragten die Verlustverrechnung mit anderen Einkünften. Diesem Ansatz folgte das Finanzamt nicht. Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der BFH folgte dem zum Teil.
Berücksichtigung des Forderungsausfalls als Verlust
Zunächst stellt der BFH fest, dass über die Höhe des Verlusts im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr mit Bindungswirkung entschieden wird. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von bestimmten sonstigen Kapitalforderungen.
Dabei gilt als Veräußerung u.a. auch die Rückzahlung. Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust. Zwar fehlt es bei einem Forderungsausfall an dem für eine Veräußerung typischen Rechtsträgerwechsel.
Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung einer Kapitalforderung folgt jedoch, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust i.S.v. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG führen kann.
Ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liegt erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beträge hinaus) keine (weiteren) Rückzahlungen erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür i.d.R. nicht aus.
Etwas anderes gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist. Dies wird im Fall der insolvenzfreien Auflösung einer Kapitalgesellschaft, gegen welche die private Darlehensforderung besteht, regelmäßig erst bei Abschluss von deren Liquidation der Fall sein.
Ausnahmsweise kann der Verlust allerdings schon zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sein, wenn bei objektiver Betrachtung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Rückzahlungen auf die Forderung zu rechnen ist. Während im Fall des § 17 Abs. 4 EStG eine stichtagsbezogene Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfolgt, ist für § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG allein der Ausfall einer einzelnen privaten Kapitalanlage zu beurteilen.
Zudem kommt es auf die Beurteilung der Vermögenslage des Gesellschafters bei der hier allein maßgebenden Frage, ob das Ausbleiben weiterer Rückzahlungen auf die Kapitalforderung durch die Gesellschaft feststeht, nicht an.
Anwendung auf den Besprechungsfall
Mit der Auflösung der GmbH stand für den BFH fest, dass diese nicht mehr in der Lage sein werde, über die bis dahin geleisteten Darlehensrückzahlungen hinaus weitere Tilgungsleistungen zu erbringen. Die Frage der Konkurrenz zwischen § 20 und § 17 EStG stellt sich nicht, soweit es die Klägerin betrifft, denn sie war nicht Gesellschafterin der GmbH. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG gelangt nicht zur Anwendung.
Ein Näheverhältnis im Sinne dieser Vorschrift liegt nicht vor. Ein aus der Ehe abgeleitetes persönliches Interesse reicht dafür nicht aus. Der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen ist daher nicht ausgeschlossen.
Anders als bei der Klägerin ist der Verlustrücktrag beim Kläger bezüglich der Verluste aus Kapitalvermögen nicht ausgeschlossen, denn die (negativen) Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen bei ihm der Regelbesteuerung. Sie könnten deshalb auch zurückgetragen und im Rücktragsjahr abgezogen werden.
Die nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte mindern den Gesamtbetrag der Einkünfte im Rücktragsjahr nicht bis auf null mit der Folge, dass vortragsfähige (nicht ausgeglichene und nicht abgezogene) negative Einkünfte danach nicht mehr verbleiben. Allerdings wird über die Höhe des Verlustrücktrags im Rücktragsjahr entschieden.
Dieses war aber nicht das Streitjahr. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die auf eine gesonderte Verlustfeststellung gerichtete Klage der Klägerin zulässig ist. Der Umstand, dass Klägerin und Kläger im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, führt zu keiner anderen Beurteilung.
Adressatin der gesonderten Verlustfeststellung wäre allein die Klägerin, die die betreffenden Einkünfte erzielt hat – nicht der Kläger. Dementsprechend kann sich aus dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid auch nur für die Klägerin eine negative Bindungswirkung im Hinblick auf ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen ergeben, nicht aber – auch nicht reflexartig – für den Kläger.
Der Kläger kann sein Begehren daher nicht im Rahmen der angestrengten Klage, aber durch seinen (bereits gestellten) Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids im Rücktragsjahr weiter verfolgen.
Praxishinweis: Der BFH hat seine bisherigen Grundsätze nun wie folgt konkretisiert: Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG. Dafür muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine (weiteren) Zahlungen mehr leisten wird. Bei insolvenzfreier Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Forderungsschuldnerin kann davon regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation ausgegangen werden, sofern sich nicht aus besonderen Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt.
BFH, Urt. v. 27.10.2020 - IX R 5/20
RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht