Darlehen: Wann gelten Zinsen als zugeflossen?

Wann ist von einem „Zufluss“ von Einnahmen nach § 11 EStG auszugehen? Der BFH hat geklärt, wann firmenintern verbuchte Zinsen eines Darlehens Kapitaleinkünfte darstellen. Demnach liegt bei einem nur buchmäßigen Festhalten der Schuldverpflichtung kein Zufluss vor, wenn nicht zum Ausdruck gebracht wird, dass der Gläubiger den Betrag von nun an jederzeit nach eigenem Belieben abrufen kann.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch seine Entscheidung vom 12.07.2022 (VIII R 18/19) die Grundsätze zum Zufluss i.S.d. § 11 EStG weiter konkretisiert.

 

Sachverhalt im Besprechungsfall

Der Kläger K war zu 20 % an der X-GmbH beteiligt und für diese als Geschäftsführer tätig. Die X-GmbH hatte mit der H-GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen.

K war an der H-GmbH weder als Gesellschafter beteiligt noch war er Mitglied in deren Geschäftsführung. Nach dem Gewinnabführungsvertrag sollte K zur Abgeltung seines Gewinnanteils an der X-GmbH (Organgesellschaft) Ausgleichszahlungen von der H-GmbH (Organträgerin) erhalten.

Die Ausgleichszahlungen wandelten K und die H-GmbH in Darlehensansprüche um, die jeweils jährlich verzinst werden sollten. Die Zinsen verbuchte die H-GmbH auf einem firmeninternen Buchungskonto mit der Bezeichnung „Darlehen Y“. In seinen Steuererklärungen erklärte K keine Zinseinnahmen aus den Darlehen.

Das Finanzamt berücksichtigte die Zinseinnahmen aber als Kapitaleinkünfte. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg, in der Revision sah der BFH dies aber teilweise anders.

 

Entscheidung im Besprechungsfall

Einnahmen aus Kapitalvermögen sind einer Person zugeflossen, wenn diese die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat. Das ist i.d.R. im Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs gegeben.

Das Innehaben von (fälligen) Ansprüchen oder Rechten führt regelmäßig noch nicht zum Zufluss der Kapitaleinkünfte, da dieser grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben ist. Zu klären ist das im jeweiligen Einzelfall.

Basierend auf diesen Grundsätzen sieht der BFH keinen Zufluss der streitigen Zinsen. Eine tatsächliche Auszahlung der Zinsen an K in bar oder mittels Gutschrift auf einem Konto bei einem Kreditinstitut ist unstreitig nicht erfolgt.

Die Darlehenszinsen sind auch nicht aufgrund der bloßen Gutschrift auf dem in der Buchhaltung der H-GmbH geführten Konto „Darlehen Y“ zugeflossen.

Eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten kann den Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur (jederzeitigen bzw. beliebigen) Verwendung zur Verfügung steht.

Dazu genügt eine Gutschrift des leistungsbereiten und -fähigen Schuldners, der den für die Zahlung vorgesehenen Betrag von seinem Vermögen so separiert, dass der Gläubiger den Betrag „ohne weiteres“ abholen, abrufen oder verrechnen kann, etwa indem der Betrag auf einem für den Gläubiger gesondert geführten Konto gutgeschrieben wird.

Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht des BFH hier nicht erfüllt. K konnte ohne das Zutun der Verantwortlichen der H-GmbH nicht auf das Konto „Darlehen Y“ zugreifen.

Auch sind die Zinsen nicht in Form einer Schuldumwandlung (Novation) zugeflossen. Bleibt die Schuld im Interesse des Schuldners bestehen, liegt wirtschaftlich gesehen trotz einer Novation lediglich eine Stundung der ursprünglichen Schuld vor.

Schließlich führt das bloße Unterlassen der Geltendmachung eines fälligen Zinsanspruchs nicht zu einer Schuldumschaffung im Sinne einer Novation.

 

Praxishinweis: Der BFH hat mit der Entscheidung im Besprechungsfall Folgendes klargestellt: Ist in der Gutschrift von fälligen Zinsen in den Büchern des Verpflichteten nur das buchmäßige Festhalten der Schuldverpflichtung zu sehen und wurde nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Gläubiger den entsprechenden Betrag von nun an jederzeit abrufen kann, liegt kein Zufluss i.S.d. § 11 EStG vor.

Das bloße Nichtgeltendmachen von gutgeschriebenen und nicht ausgezahlten Zinsen bei Fälligkeit gegenüber dem Darlehensnehmer begründet keinen Zufluss der Zinsen beim Darlehensgeber.

 

BFH, Urt. v. 12.07.2022 - VIII R 18/19

Axel Scholz, RA und StB, FA für Steuerrecht

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