Private Selbstorganisation und Eigenverantwortung

Um das geltende Recht sinnvoll zu ergänzen und insbesondere die Lücke zwischen den streng verfahrensgebundenen Sanierungsoptionen des Insolvenzrechts und der freien Sanierung effektiv schließen zu können, wird der zu schaffende Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen nicht als integriertes Verfahren konzipiert und insbesondere nicht als weitere Variante des Eigenverwaltungsverfahrens in die InsO integriert.

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Zwar wäre es vom Standpunkt der Richtlinie aus zulässig, den Rahmen als ein einheitliches Verfahren zu konzipieren, das – etwa nach dem Vorbild der früheren Vergleichsordnung – nach einem verfahrensrechtlich vorgegebenen Schema von der Beantragung über die Eröffnung bis hin zur Aufhebung vor dem gerichtlichen Forum durch einen gerichtlich bestellten Restrukturierungsbeauftragten geführt wird.

Der mit einer solchen Konzeption verbundene Formalismus würde dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen aber von vornherein die Flexibilität nehmen, die er benötigt, um neben den bereits bestehenden Sanierungsoptionen des Insolvenzrechts einerseits und der Praxis der freien und konsensgebundenen Sanierung andererseits praktischen Nutzen stiften zu können.

Der Vielgestaltigkeit der Sanierungs-wirklichkeit entsprechen unterschiedliche Bedürfnisse nach einer verfahrensrechtlichen Flankierung des Sanierungsprozesses. So mag sich in manchen Fällen die Frage nach einer Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht stellen, weil die Beteiligten allein über den Inhalt des Restrukturierungsplans streiten. Und wo zunächst eine Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen erwirkt worden ist, mag die Notwendigkeit einer späteren Bestätigung des Restrukturierungsplans entfallen, wenn sich die Beteiligten zwischenzeitlich auf eine Planlösung einigen.

Diesen unterschiedlichen Bedürfnissen wird am besten Rechnung getragen, wenn die Instrumente des Rahmens den Beteiligten als Optionen eingeräumt werden, von denen sie im Zuge einer möglichst ungebundenen Herrschaft über den Sanierungsprozess Gebrauch machen können.

Denkbar wäre dies zwar auch unter dem Regime eines einheitlichen Verfahrens, doch ist die Konstruktion eines integrierenden Verfahrensrechtsverhältnisses über weite Strecken verzichtbar, wenn die Beteiligten es in der Hand haben sollen, ob und welche Module des Gesamtrahmens sie in Anspruch nehmen wollen und welche Module sie ggf. zu welchem Zeitpunkt benötigen.

Soweit eine verfahrensrechtliche Verklammerung der Einzelmodule zweckmäßig ist, etwa mit Blick auf die Sicherstellung eines einheitlichen Zuständigkeitsregimes, lässt sie sich durch zweckentsprechende Zuständigkeitsregelungen ohne weiteres sicherstellen.

Gegenüber den insolvenzverfahrensrechtlichen Vorbildern wird die Autonomie der Beteiligten damit weiter gestärkt. Die Beteiligten sollen nicht nur, wie im Insolvenzplanverfahren, über den Inhalt des Plans disponieren können, sondern grundsätzlich auch die Möglichkeit haben, die Planabstimmung außergerichtlich nach den von dem Schuldner festgelegten Modalitäten durchzuführen.

Sicherzustellen ist allein, dass alle Beteiligten vom Inhalt des Plans Kenntnis erlangen und eine informierte Entscheidung über die Zustimmung oder Ablehnung des Plans treffen können. Die Festlegung der Modalitäten des Abstimmungsprozesses und vor allem seine Durchführung können aber grundsätzlich dem Schuldner überlassen werden, der von diesen Möglichkeiten eigenverantwortlich Gebrauch zu machen hat.

Fehler und Unzulänglichkeiten im Prozess der Planabstimmungen lassen sich zwar nicht ausschließen, falls es zu solchen kommt, gehen sie aber zulasten des Schuldners und derjenigen, die das Restrukturierungsvorhaben unterstützen. Das mag im Einzelfall unökonomisch wirken, ist aber die Konsequenz der den Beteiligten in diesem Stadium eingeräumten Freiheit, den Prozess eigenverantwortlich zu organisieren und durchzuführen.

Der darin liegende weitgehende Verzicht auf verfahrensrechtliche Formalismen trägt dem Desiderat Rechnung, dass Sanierungen im Idealfall früh, still und schnell vollzogen werden (K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I (1982), S. D 97 ff.). Auch lässt sich auf diese Weise die Kreativität, Flexibilität und Effizienz privatautonomen Handelns fruchtbar machen, die für die Praxis der freien Sanierung prägend ist und zu welcher der zu schaffende präventive Rahmen damit eine Brücke schlägt. Die damit ermöglichte Flexibilität bedarf Einschränkungen allein unter drei Gesichtspunkten.

Erstens müssen Mindestanforderungen statuiert werden, deren Beachtung sicherstellen soll, dass alle Gläubiger, von denen Sanierungsbeiträge eingeholt werden sollen, angemessen am Planabstimmungsprozess beteiligt werden. Insbesondere müssen ihnen die für die Beurteilung des Planvorhabens erforderlichen Informationen rechtzeitig übermittelt werden, und es muss ihnen eine Gelegenheit zur Teilnahme an der Erörterung und Abstimmung über den Plan gegeben werden.

Diese Mindestanforderungen bilden zugleich als Prüfungsmaßstab die Schnittstelle zum gerichtlichen Planbestätigungsverfahren, in dessen Rahmen das Gericht zu prüfen hat, ob die Mindestanforderungen an das Verfahren eingehalten wurden.

Zweitens können insbesondere kleine oder Kleinstunternehmen als Schuldner mit dem Prozess der eigenverantwortlichen Gestaltung eines solchen mitunter komplexen Prozesses überfordert sein. Daher muss es solchen Unternehmen möglich sein, für die Durchführung eines gerichtlichen Abstimmungsverfahrens zu votieren, das sich an den Regelungen zur Planabstimmung im Insolvenzplanverfahren orientiert. Zudem sollte es möglich sein, die Planabstimmung in die Hände eines gerichtlich bestellten Restrukturierungsbeauftragten zu legen, der über die erforderliche Qualifikation und Erfahrungen für die Durchführung solcher Abstimmungen verfügt.

Drittens kann nicht stets unterstellt werden, dass alle Beteiligten eines Sanierungsvorhabens in der Lage sind, ihre Interessen voll zur Geltung zu bringen. In diesem Fall kann auch die Frage nach den Modalitäten des Abstimmungsprozesses nicht den Verhandlungen der Beteiligten überlassen bleiben. Werden kleine oder Kleinstunternehmer oder gar Verbraucher als Gläubiger in das Verfahren einbezogen, können diese mit den Anforderungen, die der Gegenstand der Verhandlungen und das Verfahren an sie stellen, überfordert sein.

Zudem wird in diesem Fall der Wert der den Beteiligten zustehenden Forderungen in einem Missverhältnis zum Aufwand einer aktiven Teilnahme am Prozess und insbesondere des Einsatzes von Beratern stehen. Da die Richtlinie es nicht erlaubt, derartige Fälle aus dem Anwendungsbereich des präventiven Rahmens herauszuhalten, bedarf es eines Korrektivs.

Der Entwurf sieht vor, dass in diesem Fall ein Restrukturierungsbeauftragter zu bestellen ist, der im Interesse der schutzbedürftigen Parteien für die Integrität und Transparenz des Verfahrens sorgt. Dem Beauftragten obliegt insbesondere die Entscheidung über die Modalitäten des Abstimmungsprozesses.

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