BMF: Neue Verwaltungsanweisung 2022 für Investitionsabzugsbeträge

Die Finanzverwaltung hat in einem Schreiben vom 15.6.2022 die Zweifelsfragen zu den Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) thematisiert und Stellung bezogen.

 

Bisherige Änderungen beim IAB

Mit BMF-Schreiben vom 20.03.2017 - IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02, BStBl I 2017, 423 klärte die Finanzverwaltung Zweifelsfragen bei der Anwendung von § 7g EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2015 (BGBl I 2015, 1834).

Die Rdnr. 4 und 5 dieses Schreibens wurden im Jahr 2019 neu gefasst (BMF-Schreiben v. 26.08.2019 - IV C 6 - S 2139-b/07/10002-02, BStBl I 2019, 870).

Hintergrund war der Beschluss des BFH vom 15.11.2017 (VI R 44/16, BStBl II 2019, 466). Hiernach lag eine begünstigte Investition auch dann vor, wenn bei einer Personengesellschaft der Investitionsabzugsbetrag (IAB) vom Gesamthandgewinn abgezogen wurde und die geplante Investition innerhalb des dreijährigen Investitionszeitraums von einem ihrer Gesellschafter vorgenommen und in dessen Sonderbetriebsvermögen aktiviert wurde.

Durch diese Rechtsprechung ergaben sich Gestaltungsspielräume, die durch das JStG 2020 allerdings wieder ausgehebelt wurden.

Änderungen beim IAB durch das JStG 2020

Die durch das JStG 2020 (BGBl I 2020, 3096) vorgenommenen Änderungen ziehen sich durch das gesamte BMF-Schreiben. Die nachfolgend aufgelisteten Änderungen gelten für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2019 enden (§ 52 Abs. 16 EStG):

  • Erhöhung der begünstigten Investitionskosten von 40 % auf 50 % der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten;
  • Einführung einer einheitlichen Gewinngrenze von 200.000 € für alle Einkunftsarten als Voraussetzung für die Bildung eines IAB anstelle der bisherigen auf die jeweilige Einkunftsart bezogenen unterschiedlichen Größenmerkmale;
  • Bildung eines IAB auch für vermietete Wirtschaftsgüter (unabhängig von der Dauer der Vermietung); dies gilt auch für die Vermietung an einen anderen eigenen Betrieb.

Darüber hinaus wurden folgende wesentliche Regelungen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 enden, eingeführt:

  • Vermeidung einer Kompensation von Mehrsteuern aufgrund einer Außenprüfung o.Ä. durch nachträgliche Geltendmachung eines IAB, wenn dieser nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung in Anspruch genommen wird. Nunmehr darf das begünstigte Wirtschaftsgut zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des IAB noch nicht angeschafft oder hergestellt sein.
  • Bei Personengesellschaften darf die Hinzurechnung des IAB nur in dem Vermögensbereich erfolgen, in dem auch der Abzug erfolgt ist. Dadurch soll erreicht werden, dass nur derjenige von einer Steuererleichterung profitiert, der auch eine Investition tätigt und eine Verlagerung vom Gesamthands- in den Sonderbereich oder umgekehrt vermeidet.

Personengesellschaften und Gemeinschaften

Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung in § 7g Abs. 7 EStG erfährt auch Rdnr. 5 eine erhebliche Änderung. Vom Gewinn der Gesamthand oder Gemeinschaft abgezogene IAB können nunmehr ausschließlich bei begünstigten Investitionen im Gesamthandvermögen gewinnerhöhend hinzugerechnet werden (§ 7g Abs. 7 Satz 2 EStG).

Vom Sonderbetriebsgewinn eines Gesellschafters oder Gemeinschafters abgezogene IAB können wiederum ausschließlich bei begünstigten Investitionen im Sonderbetriebsvermögen dieses Gesellschafters oder Gemeinschafters sonderbetriebsgewinnerhöhend hinzugerechnet werden (§ 7g Abs. 7 Satz 3 EStG).

Vermietete Wirtschaftsgüter

Die längerfristige Vermietung (länger als drei Monate) wird aufgrund der Änderung des § 7g Abs. 4 EStG nicht mehr als schädliche Verwendung angesehen.

Das BMF erläutert hierzu, dass die Wirtschaftsgüter mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden müssen (Rdnr. 8).

Weitere Erläuterungen zu vermieteten Wirtschaftsgütern sind in Rdnr. 33 bis 44 zu finden. Die Miete muss als Betriebseinnahme erfasst sein, die Angemessenheit der Miete ist bei der Prüfung der betrieblichen Nutzung i.S.v. § 7g EStG jedoch unbeachtlich (Rdnr. 36).

Bei nicht fremdüblichen und unangemessenen Mieten sind aber die allgemeinen Regelungen zu Nutzungsentnahmen und verdeckten Gewinnausschüttungen anzuwenden.

Bei einer wegen sachlicher und personeller Verflechtung bestehenden Betriebsaufspaltung gilt die Verbleibensvoraussetzung grundsätzlich auch dann als erfüllt, wenn das Besitzunternehmen dem Betriebsunternehmen das Wirtschaftsgut unentgeltlich überlässt (Rdnr. 38).

Gewinngrenze

Für die Gewährung eines IAB mussten bisher betriebliche Größenmerkmale in Abhängigkeit von der Einkunfts- und Gewinnermittlungsart geprüft werden. Für nach dem 31.12.2019 gebildete IAB spielen die Einkunftsarten und die Gewinnermittlungsarten keine Rolle mehr, denn es wurde eine einheitliche Gewinngrenze in Höhe von 200.000 € eingeführt.

Hierzu äußert sich das BMF in den Rdnr. 11 bis 16. Die Inanspruchnahme von IAB setzt die Ermittlung des Gewinns durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG bzw. Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG voraus. Bei einer Tonnagebesteuerung (§ 5a EStG) oder einer Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen (§ 13a EStG) ist § 7g EStG nicht anwendbar (Rdnr. 12).

Maßgebender Gewinn

Nach Rdnr. 13 ist als maßgebender Gewinn der Betrag anzusehen, der ohne Berücksichtigung von Abzügen und Hinzurechnungen gem. § 7g Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen ist; außerbilanzielle Korrekturen der Steuerbilanz sowie Hinzu- und Abrechnungen bei der Einnahmenüberschussrechnung sind zu berücksichtigen.

Bei Körperschaften ist der steuerliche Gewinn ohne Berücksichtigung von Abzügen und Hinzurechnungen gem. § 7g Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebend. Die Gewinngrenze ist für jeden Betrieb getrennt zu ermitteln und gilt unabhängig davon, wie viele Personen an dem Unternehmen beteiligt sind.

Wie bisher gilt: Hat der Steuerpflichtige mehrere Betriebe, ist für jeden Betrieb gesondert zu prüfen, ob die Gewinngrenze unterschritten ist. In Rdnr. 15 wurde unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 13.07.2016 - VIII R 56/13, BStBl II 2016, 936 der Hinweis aufgenommen, dass Partnerschaftsgesellschaften, die weder rechtlich selbständige noch im Rahmen der Mitunternehmerschaft einkommensteuerrechtlich gesondert zu betrachtende Kanzleien in verschiedenen Städten betreiben und hieraus ausschließlich Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen, nur einen Betrieb i.S.v. § 7g EStG unterhalten.

Hinweis: Wird eine Steuerfestsetzung oder eine gesonderte Feststellung nachträglich mit der Folge geändert, dass die Gewinngrenze von 200.000 € überschritten wird, können ggf. in diesem Jahr geltend gemachte IAB nicht mehr berücksichtigt werden. Der entsprechende Steuer- oder Feststellungsbescheid ist unter den Voraussetzungen der §§ 164, 165 und 172 ff. AO zu ändern (Rdnr. 16).

 

§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG

Die Bildung eines IAB für Investitionen, die zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits angeschafft oder hergestellt wurden, ist nach der gesetzlichen Neuregelung ausgeschlossen.

In Rdnr. 25 erläutert das BMF diese Regelung näher und verdeutlicht die Ausführungen anhand eines Beispiels. Die Hinzurechnung von IAB, die weder im Rahmen der Steuererklärung noch bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung oder der erstmaligen gesonderten Feststellung (Ablauf der Einspruchsfrist von einem Monat, § 355 Abs. 1 Satz 1 AO) geltend gemacht werden, setzt voraus, dass das betreffende Wirtschaftsgut zum Zeitpunkt der jeweiligen Inanspruchnahme dieser IAB noch nicht angeschafft oder hergestellt worden ist.

So können etwa im Rahmen einer Betriebsprüfung zulässigerweise nachträglich beanspruchte IAB nur für Investitionen verwendet werden, die zeitlich nach der Inanspruchnahme erfolgen. Die Änderung ist erstmalig für IAB, die in nach dem 31.12.2020 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden, anzuwenden.

Wird die erstmalige Steuerfestsetzung oder erstmalige gesonderte Feststellung fristgerecht angefochten, ein IAB aber erst nach Ablauf der Einspruchsfrist gem. § 355 Abs. 1 Satz 1 AO tatsächlich geltend gemacht (z.B. Einspruch gegen eine Steuerschätzung, Abgabe der Steuererklärung mit beanspruchten IAB erst nach der Monatsfrist), liegt kein Fall des § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG vor (Rdnr. 26).

Bilanzänderung

Die gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten stellt nach den Ausführungen in Rdnr. 27 ein steuerrechtliches Wahlrecht dar, das im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG innerhalb der Steuerbilanz ausgeübt wird.

Eine Änderung des ausgeübten Wahlrechts ist nur nach Maßgabe der Regelungen zur Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zulässig. Unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 27.05.2020 - XI R 12/18, BStBl II 2020, 779 gilt diese Aussage auch für die Änderung des im Rahmen einer Überleitungsrechnung ausgeübten Wahlrechts.

Rückgängigmachung

Auch in Rdnr. 29 wurde die aktuelle BFH-Rechtsprechung eingearbeitet (BFH, Urt. v. 03.12.2019 - X R 11/19, BStBl II 2020, 276). IAB sind hiernach auch dann rückgängig zu machen, wenn der Steuerpflichtige zwar fristgerecht begünstigte Investitionen tätigt, es aber unterlassen hat, in einem Vorjahr abgezogene IAB außerbilanziell entsprechend hinzuzurechnen, und das Finanzamt auf dieser Grundlage einen nicht mehr änderbaren Steuerbescheid für das Jahr der Investitionen erlassen hat.

Verbleibens- und Nutzungsfristen

Eine betriebliche Nutzung liegt entweder bei einer Verwendung des Wirtschaftsguts in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs oder bei einer Vermietung (Nutzungsüberlassung gegen Entgelt) vor. Die betriebliche Nutzung ist nach Rdnr. 36 funktional zu prüfen, so dass ein Wirtschaftsgut (z.B. Werkzeug) auch dann einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs zuzurechnen sein kann, wenn es sich räumlich im Betrieb eines anderen befindet (vgl. hierzu BFH, Urt. v. 03.12.2020 - IV R 16/18, BStBl II 2021, 382).

Mit Urteil vom 28.07.2021 - X R 30/19 entschied der BFH (entgegen der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung), dass es für die Erfüllung der Nutzungsvoraussetzungen genüge, wenn der Betrieb im Jahr nach der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts aufgegeben wird und das Wirtschaftsgut nicht für ein volles Kalenderjahr bzw. einen vollen Zwölfmonatszeitraum nach dem Wirtschaftsjahr seiner Anschaffung oder Herstellung, sondern lediglich während des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahres in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird.

Dem schließt sich das BMF in Rdnr. 39 nun an: Wird der Betrieb im Jahr nach der Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsguts aufgegeben oder veräußert, müssen die Nutzungs- und Verbleibensvoraussetzungen (nur) bis zum Schluss des mit der Betriebsaufgabe endenden Rumpfwirtschaftsjahres i.S.v. § 8b EStDV erfüllt sein.

Nachweis der Pkw-Nutzung

Bei Pkw musste - nach Auffassung der Finanzverwaltung - bislang ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch als Nachweis des Umfangs der betrieblichen Nutzung im maßgebenden Nutzungszeitraum vorgelegt werden. Nach Rdnr. 43 kann die Nutzung des Kfz vom Steuerpflichtigen nun "anhand geeigneter Unterlagen" dargelegt werden.

Das BMF folgt damit der BFH-Rechtsprechung (Urt. v. 15.07.2020 - III R 62/19 und v. 16.03.2022 - VIII R 24/19).

Bei Anwendung der sog. 1-%-Regelung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) ist ohne Vorlage ergänzender Belege, die eine ausschließliche oder fast ausschließliche betriebliche Nutzung des Kfz zweifelsfrei dokumentieren, jedoch von einem schädlichen Nutzungsumfang auszugehen.

Verfahrensrechtliche Grundlagen

§ 7g Abs. 3 und 4 EStG enthalten eigene Änderungsvorschriften und Ablaufhemmungen der Festsetzungsfrist zur Rückabwicklung von IAB. In Rdnr. 55 wird beschrieben, dass diese als spezielle Korrekturvorschriften lediglich punktuelle Rückgängigmachungen von IAB ermöglichen, über diesen Rahmen hinausgehende Gewinnänderungen können nur vorgenommen werden, wenn diese durch andere Änderungsvorschriften der AO gedeckt sind. Dies gilt auch für Fehler, die dem Finanzamt im Zusammenhang mit der Rückgängigmachung von IAB unterlaufen sind (BFH, Urt. v. 25.03.2021 - VIII R 45/18, BStBl II 2021, 530).

Zeitliche Anwendung

In Rdnr. 58 bis 59 wird der zeitliche Anwendungsbereich des BMF-Schreibens definiert: Grundsätzlich ist dieses erstmals für IAB anzuwenden, die in nach dem 31.12.2019 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen werden; die abweichenden Anwendungsregelungen werden hier ebenso beschrieben.

Für IAB, die in vor den in Rdnr. 58 genannten endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen wurden, bleiben § 7g EStG a.F. sowie die BMF-Schreiben vom 20.03.2017 (BStBl I 2017, 423) und 26.08.2019 (BStBl I 2019, 870) weiter maßgebend. Das gilt auch für die Frage, ob IAB bis zu 40 % oder bis zu 50 % nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG hinzugerechnet werden können, und ebenso für das Tatbestandsmerkmal der Vermietung i.S.d. § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG.

Hinweis: Existieren mehrere, in unterschiedlichen Wirtschaftsjahren abgezogene IAB, besteht ein Wahlrecht, welcher IAB für eine begünstigte Anschaffung oder Herstellung verwendet werden soll. Durch die Gesetzesänderung kann es in Sonderfällen günstiger sein, bei der Auflösung von der chronologischen Reihenfolge abzuweichen. Aufgrund der Verschiebung von Abschreibungen in einen Zeitraum mit einem höheren Grenzsteuersatz kann sich eine absolute Steuerentlastung ergeben.

 

Die "neue" Nachweismöglichkeit der betrieblichen Nutzung von Fahrzeugen (Rdnr. 43) gilt in allen noch offenen Fällen.

Fazit zum BMF-Schreiben vom 15. Juni 2022

Die Veröffentlichung des BMF-Schreibens ist zu begrüßen, auch wenn dieses in vielen Fällen für die Erklärungsabgabe für das Wirtschaftsjahr 2020 zu spät erfolgt sein dürfte. Die Übernahme der BFH-Rechtsprechung - in vielen Fällen zugunsten der Mandantschaft - führt zu Rechtssicherheit und die aufgenommenen Beispiele erleichtern das Verständnis.

Kerstin Löbe, Steuerberaterin, Dipl.-Finanzwirtin, Steuerreferentin

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