GmbH-Auflösung: Berechnung des Veräußerungsgewinns

Gewinne aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft können Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 17 EStG darstellen. Das gilt grundsätzlich auch für die Befreiung des Gesellschafters von einer Verbindlichkeit, die gegenüber der Gesellschaft besteht. Nach einem BFH-Urteil setzt dies allerdings voraus, dass der Gesellschafter auch tatsächlich zivilrechtlich von der Verbindlichkeit frei geworden ist.

Der BFH hatte darüber zu entscheiden, welchen Veräußerungsgewinn ein Gesellschafter bei der Liquidation der GmbH erzielt hat.

Die GmbH hatte dem Gesellschafter mehrere Darlehen gewährt, die er für private Zwecke verwendete. Für diese Darlehen wurden weder schriftliche Darlehensverträge abgeschlossen noch Sicherheiten vereinbart. Sie wurden wie die sonstigen Ein- und Auszahlungen für private Zwecke des Klägers auf einem Verrechnungskonto verbucht. Später nahm die GmbH auf die Forderungen gegen den Gesellschafter, also das negative Verrechnungskonto, wegen Uneinbringlichkeit Teilwertabschreibungen vor. Dennoch wurden dem Gesellschafter nach den Teilwertabschreibungen weitere Darlehen von der GmbH gewährt.

Das Finanzamt stufte die Teilwertabschreibungen und anschließend ausgereichten Darlehen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) ein, eine Zurechnung als Einkünfte aus Kapitalvermögen beim Gesellschafter unterblieb jedoch. Später wurde über das Vermögen der GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt und die GmbH wegen Vermögenslosigkeit gelöscht. Abweichend von der Einkommensteuererklärung erfasste das Finanzamt einen Veräußerungsgewinn nach § 17 Abs. 4 EStG. Dabei berücksichtige es als fiktiven Veräußerungspreis die infolge des Insolvenzverfahrens weggefallene Forderung auf dem Verrechnungskonto zuzüglich der von der GmbH vorgenommenen Teilwertabschreibungen und abzüglich der bereits als vGA erfassten Auszahlungen. Der BFH folgte dieser Einschätzung des Finanzamts jedoch nur teilweise.

Kein Veräußerungsgewinn wegen der Auflösung der GmbH

Nach § 17 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn, den der Gesellschafter aus der Auflösung der Kapitalgesellschaft erzielt. Auflösungsgewinn i.S.d. § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten sowie seine Anschaffungskosten übersteigt. Gegenstand des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens kann auch die Befreiung des Gesellschafters von einer Verbindlichkeit sein, die gegenüber der Gesellschaft besteht, wenn der Gesellschafter zivilrechtlich tatsächlich von der Verbindlichkeit frei geworden ist. Falls jedoch die Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter zivilrechtlich noch besteht, ist dem Gesellschafter insoweit kein Wirtschaftsgut aus dem Vermögen der Gesellschaft zugeteilt worden.

Allerdings folgt nach Ansicht des BFH allein aus der Auflösung und der folgenden Löschung der GmbH nicht, dass der Gesellschafter nicht mehr mit einer Inanspruchnahme aus der Forderung aufgrund des Verrechnungskontos zu rechnen brauchte und damit einen Vermögensvorteil erhalten hätte, der zu einem Veräußerungspreis i.S.d. § 17 Abs. 4 S. 2 EStG geführt hätte. Der bloße wirtschaftliche Wegfall der Verbindlichkeit führt nicht dazu, dass dem Gesellschafter ein Wirtschaftsgut aus dem Vermögen der Gesellschaft zugeteilt wird. Dazu ist vielmehr erforderlich, dass die Forderung zivilrechtlich erloschen ist. Diese Frage war vom Finanzgericht im Vorfeld nicht geprüft worden.

Ansatz der weggefallenen Forderung im Rahmen eines möglichen Veräußerungsgewinns

Auch wenn kein Veräußerungsgewinn erzielt worden ist, äußert sich der BFH noch zu der Frage, mit welchem Wert eine weggefallene Forderung im Rahmen eines Veräußerungsgewinns anzusetzen ist. Dabei hält der BFH den Ansatz des Nennwerts der Forderungen, wie es das Finanzgericht angenommen hatte, für unzutreffend. Entsprechend dem Veräußerungs- bzw. Auflösungsgewinn i.S.v. § 17 Abs. 1 und 4 EStG ist die Bewertung des Veräußerungspreises bzw. die Ermittlung des gemeinen Werts des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft i.S.d. § 17 Abs. 4 S. 2 EStG in dem Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Entscheidend für den fiktiven Ansatz des Veräußerungspreises ist der gemeine Wert des zugeteilten Vermögens zu diesem Zeitpunkt. Dabei ist eine Kapitalforderung grundsätzlich mit ihrem Nennwert anzusetzen, sofern nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 BewG).

Derartige besondere Umstände sind z.B. gegeben, wenn die Realisierbarkeit einer Forderung nach den Verhältnissen am Bewertungsstichtag aus Sicht der Gesellschaft unsicher erscheint, weil aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners der vollständige Ausgleich der Forderung zweifelhaft ist, oder ob die Forderung wegen Vermögenslosigkeit des Schuldners uneinbringlich ist. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Forderung der Gesellschaft gegen ihren Gesellschafter oder gegen einen Dritten handelt. Entscheidend ist, ob und in welcher Höhe sich die Forderung aus Sicht der Gesellschaft realisieren lässt, weil die Forderung Bestandteil ihres zuzuteilenden oder zurückzuzahlenden Vermögens ist.

Weil im Zeitpunkt der Ablehnung des Eröffnung des Insolvenzverfahrens der GmbH deren Forderung wegen der Vermögenslosigkeit ihres Gesellschafters objektiv wertlos und damit wegen Uneinbringlichkeit nicht anzusetzen war, durfte die Forderung nicht mit dem Nennwert angesetzt werden, sondern betrug 0 €.

Möglicherweise lagen Einkünfte aus Kapitalvermögen vor

Damit geht der BFH zwar davon aus, dass der Gesellschafter keinen Aufgabegewinn nach § 17 EStG erzielt hat, gleichwohl konnte der BFH nicht entscheiden, ob möglicherweise vGA mit der Darlehensgewährung und damit Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlagen. Insoweit nimmt der BFH noch dazu Stellung, wann eine vGA angenommen werden könnte. Dabei vertritt er die Ansicht, dass regelmäßig keine vGA gegeben ist, sofern die Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter etwas leistet und dabei von vornherein feststeht, dass es sich um eine Kreditgewährung seitens der Kapitalgesellschaft handelt, wenn eine Rückzahlungsverpflichtung ernsthaft vereinbart und ausreichend abgesichert worden ist.

Die ausreichende Sicherung sieht der BFH bereits dann als gegeben an, wenn eine Verbuchung auf dem Gesellschafterverrechnungskonto stattfindet. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn von vornherein nicht mit einer Rückzahlung des Gesellschafters wegen seiner Vermögenslosigkeit zu rechnen ist oder wenn der vereinbarte Vertrag mangels Zins- und Tilgungsleistungen tatsächlich nicht durchgeführt wird. Ebenfalls ist eine vGA anzunehmen, wenn die Gesellschaft auf die Rückzahlung gegenüber dem Gesellschafter verzichtet, was sie gegenüber einem fremden Dritten nicht getan hätte.

Ist hingegen die Darlehensgewährung nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis veranlasst, führt ein später eintretender teilweiser oder vollständiger wirtschaftlicher Wegfall der Darlehensforderung wegen Vermögenslosigkeit des Gesellschafters alleine aber nicht zu einer vGA beim Gesellschafter. Dies konnte der BFH anhand des ihm bekannten Sachverhalts nicht entscheiden. Aus diesem Grund hat er dem Finanzgericht aufgegeben, im weiteren Verfahren zu klären, ob und ggf. in welcher Höhe dem Gesellschafter ein Vermögensvorteil aus der Darlehensgewährung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zugeflossen ist.

Praxishinweis: Die Entscheidung des BFH sorgt für Klarheit bei der Frage, ob in der Befreiung vom Ausgleich eines Gesellschafterverrechnungskontos bei Liquidation der Gesellschaft für den Gesellschafter ein Aufgabegewinn i.S.d. § 17 EStG liegt. Insbesondere ist zu begrüßen, dass der BFH, obwohl es nicht darauf ankam, zum Ansatz einer Forderung aufgrund des Verrechnungskontos eine klare Aussage getroffen hat. Die Unternehmen, deren Gesellschafter und auch deren Berater sollten daher diese Entscheidung kennen, weil die Entscheidung zu Rechtssicherheit führt.

BFH, Urt. v. 16.06.2015 - IX R 28/14

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