Gesetzlicher Mindestlohn: Anspruch auf Mindestlohn

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Nach § 1 Abs. 2 MiLoG gilt ein Mindestlohn i.H.v. inzwischen 9,82 € brutto „je Zeitstunde“. Das MiLoG legt damit den Entgeltfaktor für eine bestimmte Zeiteinheit fest.

Die Vereinbarung einer leistungsbezogenen Vergütung wie etwa eines Stück- oder Akkordlohns, von Leistungsprämien, Boni, Tantiemen, Erfolgsbeteiligungen, Provisionen und anderen Formen der erfolgsabhängigen Vergütung ist hierdurch nicht ausgeschlossen.

Es muss jedoch sichergestellt sein, dass „der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird“;d.h., es reicht nicht aus, dass (nur) für eine Normalleistung“ der Mindestlohn pro Stunde erreicht werden kann.

Bruttovergütung

Der gesetzliche Mindestlohn wird stets brutto geschuldet. Haben die Arbeitsvertragsparteien eine Nettolohnvereinbarung getroffen, muss allerdings netto erfüllt werden, wobei der sich aus der Umrechnung ergebende Bruttolohn (mindestens) den gesetzlichen Mindestlohn erreichen muss.

Arbeitszeitrechtliche Betrachtung

Was unter einer Zeitstunde i.S.d. MiLoG zu verstehen ist, wird nicht legaldefiniert. Grundsätzlich ist jede Zeitstunde, die arbeitszeitrechtlich als Arbeitszeit zu bewerten ist, in Höhe des Mindestlohns zu vergüten.

Vollarbeit

Als Arbeitszeit i.S.d. MiLoG ist daher zunächst die Vollarbeit zu verstehen, also die Zeit, in der der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet. Pausenzeiten sind nicht eingeschlossen, sie sind grundsätzlich nicht zu vergüten.

Rüstzeiten, d.h. Zeiten, in denen Arbeitsgeräte durch den Arbeitnehmer einsatzfähig gemacht werden (z.B. das Hochfahren eines Kassensystems), gehören grundsätzlich zur Arbeitszeit.

Zeiten des Waschens und Umkleidens zählen zur Arbeitszeit, wenn diese Tätigkeiten zum Inhalt der geschuldeten Arbeitsleistung gehören oder wenn sie der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dienen.

So z.B. dient das Tragen von Berufskleidung im OP-Bereich primär hygienischen Zwecken und damit betrieblichen Belangen, ebenso verhält es sich bei Müllwerkern.

Bereitschaftszeiten

Zeiten der Arbeitsbereitschaft und des Bereitschaftsdiensts sind ebenfalls Arbeitszeit. Bei Arbeitsbereitschaft ist der Arbeitnehmer am Arbeitsort und in der Lage, die Arbeit jederzeit aufzunehmen („Bereithalten zur Arbeitstätigkeit, um ggf. von sich aus tätig zu werden“).

Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer außerhalb seiner regulären Arbeitszeit an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufzuhalten hat, um auf Anweisung unverzüglich seine Arbeit aufnehmen zu können.

Von Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst ist die Rufbereitschaft zu unterscheiden. Bei ihr ist keine Anwesenheit am Arbeitsplatz gefordert. Der Arbeitnehmer kann sich auch zu Hause oder sonstwo aufhalten. Er muss aber erreichbar sein und innerhalb einer bestimmten Zeitspanne die Arbeit aufnehmen können.

Solange der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit gerufen wird, liegt keine Arbeitszeit i.S.d. MiLoG vor. Bereitschaftszeiten sind (mindestens) mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.

Das gilt auch für den Fall, dass Bereitschaftszeiten tariflich oder arbeitsvertraglich nur anteilig als Arbeitszeit berücksichtigt werden.

Wegezeiten

Wege- und Dienstreisezeiten innerhalb der Arbeitszeit sind als Arbeitszeit zu vergüten. Dazu gehören Zeiten, die der Arbeitnehmer für den Weg vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle benötigt sowie für Fahrten des Arbeitnehmers zu einem außerhalb des Betriebs des Arbeitgebers liegenden Arbeitsplatz und zurück.

Bei Fahrten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit kommt es i.d.R. auf den Grad der Beanspruchung während der Reise an.

Die Wegezeit, die der Arbeitnehmer für Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte benötigt, ist nicht als Arbeitszeit zu verstehen, so dass hierfür kein Mindestlohn geschuldet wird.

Mindestlohn bei stundenunabhängigen Vergütungssystemen

Bei einem nicht nach Stunden, sondern nach anderen Zeitabschnitten – z.B. Wochen oder Monaten – vereinbarten Zeitlohn, bei denen ein fester Betrag („Monatsgehalt“) vereinbart ist, ist die Vergütung unter Berücksichtigung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden in einen Bruttostundenlohn umzurechnen:

Bruttovergütung – Regelarbeitszeit/Monat = Bruttostundensatz

Entsprechend ist zu rechnen, wenn keine konkrete Arbeitszeit vereinbart ist und der Umfang der Arbeitszeit jeweils durch Anweisungen des Arbeitgebers – z.B. wie bei Abrufarbeit nach § 12 TzBfG – festgelegt wird:

Bruttovergütung – geleistete Arbeitsstunden = Bruttostundensatz

Der errechnete Bruttostundensatz muss wenigstens dem Mindestlohn entsprechen.

Mindestlohn bei Vollzeittätigkeit

Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich und einer durchschnittlichen Monatsarbeitszeit von 173,33 Stunden besteht damit ein monatlicher Mindestlohnanspruch i.H.v. 1.702,10 € brutto (9,82 € × 173,33 Stunden/Monat).

Grundvergütung und Leistungslohn

Setzt sich die Vergütung aus einem festen Grundentgelt und erfolgsabhängigen variablen Zahlungen zusammen, sind für die Feststellung, ob der Mindestlohn gewahrt ist, beide Entgeltelemente zusammenzurechnen.

Ein Fixum, das unterhalb der Mindestlohnschwelle des § 1 Abs. 2 MiLoG liegt, kann daher durch variable Vergütungsbestandteile kompensiert werden, sofern beide Vergütungsteile zusammen einen über der Mindestlohnschwelle liegenden Stundensatz ergeben.

Machen die erfolgsabhängigen variablen Vergütungsbestandteile einen Großteil der Vergütung aus, besteht die latente Gefahr, dass der Mindestlohn monatsweise unterschritten wird.

Um dieses zivilrechtlich sowie bußgeldrechtlich sanktionierte Risiko zu vermeiden, sind Arbeitgeber gut beraten, die erfolgsunabhängige Zeitlohnkomponente auf der Mindestlohnschwelle zu fixieren und den variablen Vergütungsanteil entsprechend abzusenken.

Alternativ kann eine monatliche Vorauszahlung auf eine in längeren Zeitabschnitten abzurechnende Variable erfolgen, so dass die Mindestlohnschwelle in der Gesamtschau erreicht wird.

Stellt sich bei Abrechnung der Variablen heraus, dass die Vorauszahlungen den Anspruch nicht erfüllen, ist die Differenz nachzuzahlen.

Ist die Variable hingegen geringer zu bemessen als die geleisteten Vorauszahlungen, müssten Letztere beim Arbeitnehmer verbleiben.

Anrechenbare Leistungen

Welche Leistungen des Arbeitgebers zum Mindestlohn zählen und welche Leistungen zusätzlich zu gewähren sind, legt das MiLoG nicht ausdrücklich fest.

In Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zählen Leistungen zum Mindestlohn, wenn sie das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers und der Gegenleistung, die er dafür erhält, nicht verändern.

Das wiederum ist der Fall, wenn die Leistungen funktional gleichwertig sind und die Normalleistung des Arbeitnehmers abgelten sollen.

In diesem Sinne mindestlohnwirksam sind alle im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen mit Ausnahme der Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen.

Maßgeblich ist der Charakter der Leistung, nicht die von den Tarif- oder Arbeitsvertragsparteien gewählte Bezeichnung.

Sonderzahlungen können demgemäß berücksichtigt werden, wenn sie die tatsächliche Arbeitsleistung vergüten, also Entgeltcharakter haben. Zahlungen des Arbeitgebers hingegen, die unter einem Widerrufs- oder Rückzahlungsvorbehalt stehen, wie es insbesondere bei Gratifikationen oft der Fall ist, sollen den Arbeitnehmer binden, sind nicht als Entgelt für die Tätigkeit zu verstehen und sind daher auch nicht mindestlohnwirksam.

Zulagen und Zuschläge

Nicht mindestlohnwirksam sind:

  • Schmutz-/Gefahrenzulagen
  • Nachtarbeitszuschläge
  • Überstundenzuschläge
  • Urlaubsgeld, das akzessorisch an das Entstehen des Anspruchs auf Erholungsurlaub anknüpft und nicht an die tatsächlich geleistete Arbeit
  • Urlaubsentgelt, Feiertagsvergütung
  • vermögenswirksame Leistungen
  • Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung
  • Spesen, Aufwandsentschädigungen, Fahrtkostenerstattungen, Verpflegungsmehraufwendungen i.S.d. § 3 Nr. 16, § 9 Abs. 4a EStG, Reise- und Fortbildungskosten
  • Qualitätsprämien
  • Weihnachtsgeld, das an die Betriebstreue anknüpft

Durch die vorgenannten Zulagen und Zuschläge werden zusätzliche Leistungen des Arbeitnehmers ausgeglichen, sei es wegen eines überobligatorischen Arbeitsumfangs oder wegen besonderer Erschwernisse.

Dagegen sind Zulagen, die der Arbeitgeber gerade für die tatsächliche Arbeitsleistung erbringt, auf den Mindestlohn anrechenbar. Mindestlohnwirksam sind:

  • Sonn- und Feiertagszuschläge, wenn die Sonn- und Feiertagsarbeit nicht zur vertraglich vereinbarten Normalleistung gehört
  • Erschwerniszulagen, wenn die Arbeitsleistung wegen der besonderen Arbeitsbedingungen als zulagenpflichtig angesehen wird, der MTV dieselbe Tätigkeit aber mit dem Grundgehalt als hinreichend vergütet bewertet
  • Leistungsprämien, Funktions- und Wechselschichtzulagen
  • Ordnungs- und Sauberkeitsprämien
  • Besitzstandszulagen
  • Treueprämie
  • Akkordzulagen
  • Anwesenheits- und Immerda-Prämien
  • Zuschläge für Arbeit auf Abruf i.S.d. § 12 TzBfG
  • monatlich geleistete Jahressonderzahlungen
  • Urlaubsgeld, das an die tatsächlich geleistete Arbeit anknüpft
  • Entgeltumwandlung

Einmalzahlungen sind, da der Mindestlohn spätestens im Folgemonat fällig wird (§ 1 Abs. 1 MiLoG), zeitanteilig auf die Monate umzurechnen, für die sie bezahlt werden; sie können dabei aber nur für zwei Monate zur Anrechnung kommen:

Wird eine jährliche Sonderzahlung mit Entgeltcharakter einmalig z.B. mit dem Novembergehalt ausgezahlt, ist sie mit je 1/12 für den Kalendermonat und den vorangehenden Monat – hier Oktober und November – mindestlohnwirksam.

Wird die Sonderzahlung nicht in einem bestimmten Monat in einer Summe, sondern jeweils monatlich anteilig gezahlt, wird sie in voller Höhe auf den Mindestlohnanspruch des jeweiligen Monats angerechnet.

Sachbezüge

Sachbezüge (z.B. die Nutzung von Werks- oder Dienstwohnungen, die kostenfreie oder verbilligte Überlassung von Waren sowie die Gewährung freier Kost und Logis) können Entgeltcharakter haben, sofern sie die reguläre Arbeitsleistung honorieren und einen geldwerten Vorteil darstellen.

Da nach dem MiLoG aber ein Geldbetrag geschuldet ist, können z.B. die Privatnutzung eines Dienstwagens, die Ausgabe von Tankgutscheinen oder ein dem Arbeitnehmer überlassenes Jobticket nicht angerechnet werden.

Ausfall der Arbeitsleistung

Das MiLoG regelt nicht, was passiert, wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet, aber einen Anspruch auf Vergütung hat, z.B. bei Krankheit, Feiertagen oder Urlaub. Richtigerweise ist darauf abzustellen, welcher Risikosphäre die Nichtarbeit zuzuordnen ist.

Feiertag, krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, Urlaub

Fällt die Arbeit wegen eines gesetzlichen Feiertags aus, gilt das Lohnausfallprinzip, und der Arbeitnehmer hat Anspruch auf die Fortzahlung des Arbeitsentgelts, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (§ 2 EFZG).

Ebenso verhält es sich im Fall einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Der Arbeitnehmer hat dann einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 3 Abs. 1 EFZG. In diesen Fällen ist der Mindestlohn ebenso zu zahlen wie im Urlaubsfall, in dem das Referenzprinzip und ein Referenzzeitraum von 13 Wochen gelten (§ 11 BUrlG).

Dadurch wird das Entgeltniveau des MiLoG auch für den Urlaubszeitraum aufrechterhalten, und es kommen alle Entgeltbestandteile, die nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen, zur Auszahlung.

Das gilt allerdings nicht für Zulagen, die – wie etwa Gefahrenzulagen – während des Urlaubs nicht anfallen können. Auch Überstundenentgelte, die im Referenzzeitraum angefallen sind, sind beim Urlaubsentgelt nicht zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG).

Sonstige Ausfallzeiten

Entsprechendes gilt für Ansprüche auf Annahmeverzug nach § 615 BGB, wegen vorübergehender Verhinderung nach § 616 BGB sowie nach §§ 18, 19 MuSchG. Ist § 615 BGB nicht abbedungen worden, muss der Arbeitnehmer so gestellt werden, als hätte er gearbeitet.

Dann hätte er wenigstens den gesetzlichen Mindestlohn verdient.

Fälligkeit

Damit der Arbeitnehmer rasch auf den seinen Lebensunterhalt sichernden Mindestlohn zugreifen kann, sieht § 2 MiLoG Sonderregelungen zur Fälligkeit vor: Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 MiLoG ist der Mindestlohn für sämtliche tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt zu entrichten.

Spätester Fälligkeitstermin ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG der letzte Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

Fehlende Fälligkeitsvereinbarung

Fehlt eine Fälligkeitsvereinbarung, bleibt § 614 BGB unberührt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 MiLoG), der eine Nachfälligkeit im Anschluss an den vereinbarten Entgeltzeitraum vorsieht. Danach ist z.B. eine nach Monaten berechnete Vergütung am ersten Tag des Folgemonats fällig. In der Praxis gilt für den Mindestlohnanspruch daher regelmäßig der gleiche Fälligkeitstermin wie für den den Mindestlohnsockel übersteigenden Vergütungsanteil.

Verspätete Zahlung

Zahlt der Arbeitgeber den Mindestlohn später, stellt dies nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar.

Arbeitszeitkonten

Über- und Mehrarbeitsstunden, die auf Grundlage einer schriftlichen Arbeitszeitkontenregelung in Arbeitszeitkonten eingestellt werden, sind nach § 2 Abs. 2 MiLoG in Höhe des auf die Vergütung entfallenden Mindestlohnanteils spätestens zwölf Monate nach der Übertragung in das Arbeitszeitkonto durch Freistellung von der Arbeit oder durch Auszahlung auszugleichen.

Wird das Arbeitsverhältnis beendet, ist der Ausgleich in dem die Beendigung folgenden Kalendermonat vorzunehmen. Zudem dürfen die in das Arbeitszeitkonto eingestellten Stunden monatlich jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.

Hierdurch wird für Überstunden, die in ein Arbeitszeitkonto eingestellt werden können, eine Obergrenze geschaffen: Überstunden, die 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit übersteigen, können durchaus anfallen, sie werden dann allerdings nach § 2 Abs. 1 MiLoG fällig.

Wertguthaben gem. § 7b SGB IV

Von diesen Fälligkeitsregelungen ausgenommen sind Vereinbarungen, die Wertguthaben i.S.d. SGB IV zum Gegenstand haben. Gemeint sind Alterszeitvereinbarungen und Langzeitkontenregelungen gem. § 7b SGB IV, die zu ihrer Wirksamkeit einer ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung bedürfen.

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