Modernisierung des Besteuerungsverfahrens

Die größte Reform der AO seit 1970

Es ist so weit: Mit der Veröffentlichung im BGBl am 22.7.2016 kann das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (kurz: StModernG) planmäßig am 1.1.2017 in Kraft treten.

+++ UPDATE: StModernG verkündet +++

Am 22.7.2016 wurde das StModernG im BGBl I 2016, S. 1679 verkündet. Zahlreiche Änderungen treten somit am 1.1.2017 in Kraft. Das StModernG kompakt analysiert finden Sie in unserem kostenlosen Spezialreport! Jetzt herunterladen – klicken Sie dazu hier!

 

Das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens bringt nicht nur eine umfangreiche Reform der Abgabenordnung (AO) mit sich, sondern führt durch eine stärkere Fokussierung auf den Einsatz moderner Informationstechnologie im Besteuerungsverfahren zu einer grundlegenden Änderung der Prozessabläufe und rechtlichen Vorgaben für die Finanzverwaltung, aber auch für den Steuerpflichtigen und den Steuerberater.

Um Sie als Steuerberater dabei bestens zu unterstützen, habe ich deshalb diese Informationsseite ins Leben gerufen. Hier bereite ich topaktuelle News zum Gesetzgebungsverfahren sowie werthaltige Praxisinformationen zu den wichtigen Eckpunkten des StModernG für Sie auf.

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Modernisierung des Besteuerungsverfahrens: Die zentralen Punkte im Detail

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens kommt eine ganze Reihe an praxisrelevanten Änderungen, insbesondere in der AO, aber auch in anderen Steuergebieten.

Neufassung des Amtsermittlungsgrundsatzes

Zu den bereits festgeschriebenen Prinzipien der Verhältnismäßigkeit, der Gleichmäßigkeit und der Rechtmäßigkeit wird § 88 AO nun um zwei neue Komponenten erweitert: die Bedingungen der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit werden jetzt explizit im Gesetzestext genannt.

Auswirkungen: Die „allgemeinen Erfahrungswerte“ werden bereits jetzt in Betriebsprüfungen angeführt. Durch eine gesetzliche Festschreibung könnten sie eine noch stärkere Gewichtung bekommen, sodass sie letztendlich von der Finanzverwaltung als ausschlaggebender Faktor bei der Beurteilung eines Sachverhalts und dessen steuerlichen Folgen hingenommen werden müssen.

Infolgedessen wird auch der Stellenwert von internen Richtwerten (z.B. der Lizenzkartei) massiv in der Bedeutung steigen. Allerdings bleibt der Gesetzesentwurf eine Antwort darüber schuldig, inwieweit diese Erfahrungswerte zur Einsicht durch den Steuerpflichtigen und auch den Berater zugänglich gemacht werden.

Ausschließlich automationsgestützte Bearbeitung

Ein zentrales Anliegen des Gesetzgebers ist es, mit dem StModernG die Finanzverwaltung zu entlasten. An „einfache“ Steuerfälle sollen deshalb nur noch möglichst wenig personelle Kapazitäten gebunden werden – dieses Ziel soll mithilfe eines Risikomanagementsystems (RMS) erreicht werden, das zukünftig eine nahezu automatische Bearbeitung bis hin zur Bescheidung solcher Fälle übernimmt.

In § 88 Abs. und 6 AO schafft der Gesetzgeber die Voraussetzungen zum Einsatz eines entsprechenden RMS mit den Zielen:

  • Verhinderung von Steuerverkürzungen,
  • Aufdeckung von Betrugsfällen,
  • Optimierung personeller Fallbearbeitungen,
  • Verbesserung der Bearbeitungsqualität durch Standardisierung von Arbeitsabläufen, und
  • Bundeseinheitliche Abstimmung von Vorgaben.

Die durch den Einsatz des RMS frei gewordenen Kapazitäten sollen dann bei der Prüfung „prüfungsbedürftiger“ Fälle konzentriert werden.

Auswirkungen: Die technische Durchführbarkeit einmal vorausgesetzt, trägt die Einführung eines RMS zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens und insbesondere auch zur Arbeitserleichterung aufseiten der Finanzverwaltung bei.

Jedoch birgt die vollautomatische Prüfung von Steuerfällen auch erhebliches Betrugspotenzial: Sind die Prüfparameter einmal bekannt, droht ein Anpassen des Erklärungsverhaltens der Steuerpflichtigen an die maschinellen Vorgaben. Inwieweit das RMS später auf solche Umstände abgestimmt werden kann, ist bislang noch unklar.

Neue Fristen bei der Steuererklärung

Nach Willen des Gesetzgebers sind durch Berater abzugebende Steuererklärungen zukünftig spätestens bis zum letzten Tag des Februars des Zweitfolgejahrs abzugeben. Diese Änderung kommt in § 149 AO und ersetzt die bisherige Regelung, nach der die Frist bereits am 31. Dezember endete.

Jedoch kommt die Fristverlängerung zu einem Preis: Die Vorgaben, um einen Antrag auf Fristverlängerung zu stellen, werden deutlich verschärft. Das gilt auch für Steuererklärungen, die im Rahmen einer Vorabanforderung bereits früher einzureichen sind. 

Auswirkungen: Erfreulich ist, dass die grundsätzliche Verlängerung der Abgabefrist für Steuererklärungen, die durch Angehörige der steuerberatenden Berufe vertreten werden, analog zum koordinierten Ländererlass der obersten Finanzbehörde eingeführt werden soll. Eine gleichmäßigere Auslastung von Beratern, wie auch der Finanzverwaltung wird damit verfolgt.

Neuregelung beim Verspätungszuschlag

Ergänzt werden die neuen Fristenregelungen durch Änderungen zum Verspätungszuschlag in § 152 AO, der künftig automatisch festgesetzt wird.

Erstmals soll es nun konkrete Vorgaben zur Höhe des Verspätungszuschlags für „unpünktliche“ Steuerzahler geben. Diese belaufen sich auf 0,25 % der festgesetzten Steuer für jeden angefangenen Monat – mindestens jedoch 50 EUR pro Monat.

Für Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und zur Gewerbesteuer soll ein Festbetrag von 50 € pro Monat gelten.

Die Regelung zur Höhe des Verspätungszuschlags bei Anmeldungen bleibt jedoch unverändert.

Ferner sollen die neuen Regelungen auch für eine im Rahmen einer Vorabanforderung angeforderten Steuererklärung gelten. Auch hier wird der Verspätungszuschlag automatisch festgesetzt, ohne Prüfung des Einzelfalls.

Auswirkungen: Natürlich ist zu begrüßen, dass die Finanzverwaltung durch die Änderungen in § 152 AO ein adäquates Mittel zur Bekämpfung von „unpünktlichen“ Steuerbürgen erhält. Denn eine verspätete Abgabe einer Steuererklärung wird zukünftig spürbar teurer.

Jedoch bemängelt der DStV in seiner Stellungnahme zum Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.1.2016 das aus den Änderungen zu § 149 und § 152 AO entstehende Ungleichgewicht zugunsten der Finanzverwaltung: Steuerberater sind demnach bei einer Vorabanforderung der Steuererklärung verpflichtet, diese innerhalb einer viermonatigen Frist abzugeben.

Gelingt dies nicht, wird automatisch und ohne jede Prüfung des Einzelfalls ein Verspätungszuschlag festgesetzt. (Anm. der Redaktion: Zwischenzeitlich einigte sich der Bundestag auf eine neue Regelung. Hiernach wird in Fällen, in denen die Steuer auf null gesetzt wird und in Fällen einer Steuererstattung kein automatischer Zuschlag festgesetzt.) Fristverlängerungen werden – gemäß des Gesetzentwurfs und im Unterschied zur aktuellen Rechtslage – nur noch gewährt, wenn sowohl den Steuerpflichtigen als auch den Berater keinerlei Verschulden an der verspäteten Abgabe trifft. Ausgeschlossen davon ist, laut Gesetzestext, eine Arbeitsüberlastung des Steuerberaters.

Im Sinne einer gleichmäßigeren Risiko- sowie Lastenverteilung macht sich der DStV deshalb für eine Aufweichung der geplanten Fristenregelungen zur Vorabanforderung stark.

Inkrafttreten: Zum überwiegenden Teil sollen die Regelungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens bereits am 1.1.2017 in Kraft treten. Im Spezialreport sind abweichende Termine kenntlich gemacht.

Einige der geplanten Maßnahmen benötigen jedoch eine umfangreichere Vorlaufzeit, sodass das gesamte Maßnahmenpaket schrittweise bis zum Jahr 2022 in Kraft treten wird.

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StModernG: Gesetzestexte

Hier finden Sie eine Zusammenstellung aller wichtigen zum Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens veröffentlichten Gesetzestexte und Stellungnahmen:

StModernG: Verkündung im BGBl I 2016, S. 1679 am 22.7.2016

StModerG: Der aktuelle Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens in der vom Bundestag und Bundesrat angenommenen Fassung vom 27.5.2016

StModerG: Gegenäußerung und geänderter Gesetzesentwurf der Regierung zur Stellungnahme vom 3.2.2016 https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2015/0601-0700/631-1-15.pdf?__blob=publicationFile&v=1

StModernG: Stellungnahme des Bundesrats vom 29.1.2016

StModernG: Regierungsentwurf vom 9.12.2016:

StModernG: Referentenentwurf vom 27.8.2015

StModernG: Weitere Informationen

Weitere Informationen und Artikel zum Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens habe ich für Sie auf www.jahressteuergesetz.de/modernisierung-des-besteuerungsverfahrens zusammengestellt.

Sebastian Hohenbild,
Online-Redakteur beim Deubner Verlag

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