Folgen einer Insolvenz für eine Organschaft

Welche Folgen hat eine Insolvenz für eine Organschaft? Der BFH hat klargestellt, dass eine körperschaftsteuerliche Organschaft nur anzuerkennen ist, wenn der Gewinnabführungsvertrag auch tatsächlich durchgeführt wird. Ist ein vorläufiger Jahresabschluss der Organgesellschaft wegen Insolvenz nicht mehr korrigierbar, kann die Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags nicht „geheilt“ werden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 02.11.2022 (I R 29/19) dazu Stellung genommen, ob die Insolvenz der Organgesellschaft zur Korrektur des Jahresabschlusses berechtigt.

 

Sachverhalt im Besprechungsfall

Der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Holding-GmbH hielt sämtliche Geschäftsanteile der X-GmbH. Beide Gesellschaften gehörten zu demselben Konzern. Die X-GmbH war u.a. Alleingesellschafterin der Y-GmbH. 

Rund drei Jahre vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schlossen die Holding-GmbH als Organträgerin und die X-GmbH als Organgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (EAV), der in das Handelsregister der X-GmbH eingetragen wurde und für die Dauer von fünf Zeitjahren vereinbart war. 

Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung lagen die festgestellten Jahresabschlüsse für zwei Jahre sowie der Entwurf des Jahresabschlusses für das Vorjahr vor. 

Mit dem Finanzamt entstand Streit darüber, ob die Organschaft steuerlich anzuerkennen sei. Das Finanzgericht (FG) verneinte dies, der BFH folgte dem nicht.

 

Entscheidung im Besprechungsfall

Zunächst stellt der BFH fest, dass zwischen der Holding-GmbH als Organträgerin und der X-GmbH als Organgesellschaft eine wirksame Organschaft begründet wurde. 

Die tatsächliche Durchführung des EAV setzt aber voraus, dass er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Dies bedeutet auch, dass die ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden. 

Die Erfüllung der sich aus dem EAV ergebenden Verpflichtungen und damit letztlich die Durchführung des EAV fehlt aber für das letzte Streitjahr, weil das Ergebnis wegen der Insolvenz tatsächlich nicht an die Holding-GmbH abgeführt wurde.

Diese Nichtdurchführung des EAV kann auch nicht mehr geheilt werden. Zwar stellt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch über das Vermögen der Organgesellschaft einen wichtigen Grund für eine Kündigung des EAV dar. 

Jedoch ist nur die „vorzeitige Beendigung des Vertrags durch Kündigung“ unschädlich, nicht aber die fehlende tatsächliche Durchführung des EAV. Damit liegt die Nichtdurchführung des EAV innerhalb der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren und führt somit für die Streitjahre zur rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft. 

Welche konkreten Folgen die Nichtanerkennung der Organschaft in den Streitjahren hat, konnte der BFH nicht abschließend klären, so dass er die Entscheidung des FG aufhob und die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwies.

 

Praxishinweis: Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Grundsätze für die ertragsteuerliche Organschaft weiter konkretisiert: Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags ist Voraussetzung für die Anerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG).

Kann ein vorläufiger Jahresabschluss der Organgesellschaft wegen Insolvenz nicht mehr korrigiert werden, und wäre bei zutreffender Anwendung der handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze im endgültigen Jahresabschluss ein anderes Ergebnis auszuweisen, kann diese Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags ungeachtet der Insolvenz nicht in (analoger) Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG „geheilt“ werden.

Kommt es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führt dies nicht nur zu einer Unterbrechung für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.

 

 

BFH, Urt. v. 02.11.2022 - I R 29/19

Axel Scholz, RA und StB, FA für Steuerrecht

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