Gewerbesteuerpflicht für eine juristische Sekunde?

Der BFH hat klargestellt, dass eine Mitunternehmerschaft auch für nur eine juristische Sekunde bestehen kann, wenn eine Personengesellschaft ausschließlich mit dem Ziel gegründet wurde, ein Wirtschaftsgut zu übernehmen und dieses durch Verkauf der Mitunternehmeranteile weiter zu übertragen. Für diese juristische Sekunde kann die Mitunternehmerschaft dann auch sachlich gewerbesteuerpflichtig sein.

Mit Urteil vom 15.06.2023 (IV R 30/19) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine Personengesellschaft, die ausschließlich zu dem Zweck gegründet wurde, ein einzelnes Wirtschaftsgut zu erwerben und durch Vereinigung weiterzuübertragen, auch für steuerliche Zwecke bestehen kann. 

Zudem kann auch für diese juristische Sekunde eine sachliche Gewerbesteuerpflicht bestehen.

Sachlage im Streitfall

Die Klägerin ist eine KG, die von der X-AG sowie der X-GmbH gegründet wurde. Die X-GmbH fungierte dabei als Komplementärin ohne Vermögensbeteiligung. Die X-AG war Kommanditistin und hielt 100 % der Anteile der KG. 

Die X-AG übertrug rückwirkend ihr Kreditportfolio sowie sämtliche Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit den Geschäftsverbindungen zu den Banken auf die X-KG. Die Übertragung erfolgte zum Zeitpunkt der Registereintragung der KG.

Die X-AG trat daraufhin die Anteile an der X-KG sowie die Anteile an der X-GmbH an die W-GmbH ab. Der Zeitpunkt der Abtretung war aufschiebend bedingt auf den Stichtag der Ausgliederung der X-KG. 

Zum Zeitpunkt der Eintragung der Ausgliederung trat die X-GmbH aus der X-KG aus, so dass die KG vollständig auf die W-GmbH anwuchs. Da die X-KG letztendlich im Zeitpunkt ihrer Eintragung direkt auf die W-GmbH anwuchs, bestand sie lediglich für eine juristische Sekunde.

Die KG gab in der Gewerbesteuererklärung einen Gewerbeertrag von 0 € an. Das Finanzamt (FA) veranlagte zunächst erklärungsgemäß, änderte jedoch später den Gewerbesteuermessbescheid und berücksichtigte den Gewinn aus der Veräußerung des Kommanditanteils im Rahmen des Gewerbeertrags. 

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Nach Auffassung des FG habe die Klägerin im Streitjahr keinen stehenden Gewerbebetrieb unterhalten und sei daher auch nicht gewerbesteuerpflichtig. 

Der BFH sah die Revision des FA als begründet an und hob das Urteil des FG daher auf.

Sachliche Gewerbesteuerpflicht

Ein stehender Gewerbebetrieb unterliegt nach § 2 Abs. 1 GewStG der Gewerbesteuer. Dementsprechend ist jede werbende Tätigkeit einer natürlichen Person oder einer Personengesellschaft gewerbesteuerpflichtig. 

Die sachliche Gewerbesteuerpflicht beginnt nicht bereits mit den vorbereitenden Handlungen für die Errichtung eines Gewerbebetriebs, sondern erst mit der Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs und der Aufnahme des operativen Geschäfts. 

Auch die Tätigkeit einer nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG gewerblich geprägten, vermögensverwaltenden Personengesellschaft führt zu einem stehenden Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG, obwohl diese Gesellschaft keine originär gewerblichen Einkünfte erzielt. 

Eine gewerblich geprägte Personengesellschaft gilt danach auch als gewerbliches Unternehmen, da diese nach der steuerlichen Fiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG auch als Gewerbebetrieb gilt. 

Als Beginn des Gewerbebetriebs einer gewerblich geprägten Personengesellschaft gilt dabei ebenfalls der Beginn der werbenden Tätigkeit.

Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Nach Ansicht des BFH hat das FG die Gewerbesteuerpflicht der KG insoweit falsch beurteilt. Dieses hatte die KG nicht als gewerbesteuerpflichtig betrachtet, da sie nie beabsichtigt hatte, selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilzunehmen. 

Nach den Grundsätzen des BFH ist jedoch zu differenzieren, ob die Personengesellschaft originär gewerblich anzusehen oder vermögensverwaltend tätig ist und lediglich gewerblich geprägt wird. Maßgeblich dafür ist die tatsächliche Tätigkeit der jeweiligen Gesellschaft. 

Nach dem Gesellschaftsvertrag war der Unternehmensgegenstand der KG der Erwerb des Kreditportfolios und nicht - wie es noch das FG beurteilt hatte - die Veräußerung der Anteile der KG an ihre Gesellschafter.

Maßgeblich sei, wann die vermögensverwaltende Tätigkeit begonnen hat. Das Kreditportfolio wurde (wenn auch nur für kurze Zeit) für einen Tag von der KG gehalten. 

Damit hat die KG eine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt. Für diesen Zeitraum bestand eine Mitunternehmerschaft und damit auch die sachliche Gewerbesteuerpflicht. 

Praxishinweis: Für die Beurteilung der Gewerbesteuerpflicht ist die tatsächliche Tätigkeit der jeweiligen Personengesellschaft genau zu prüfen. Es ist dabei zu unterscheiden, ob es sich um eine originär gewerblich tätige Personengesellschaft handelt oder ob diese nur gewerblich geprägt wurde. 

 

Die Unterscheidung kann zu erheblichen Auswirkungen bei der Gewerbesteuerpflicht führen und sollte daher vorab beurteilt werden. Im Streitfall dürfte die Qualifikation des Veräußerungsgewinns aus den Anteilen der KG als gewerbesteuerpflichtig zu einer erheblichen Mehrsteuer geführt haben.

BFH, Urt. v. 15.06.2023 - IV R 30/19

Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)

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