Reform der Pflegeversicherung: Entlastung einerseits, "Bürokratiemonster" andererseits?

Die Bundesregierung will die soziale Pflegeversicherung reformieren. Anlass sind die rasant steigenden Kosten für stationäre und ambulante Pflege, die finanzielle Instabilität der Pflegeversicherung sowie unzureichende Entlastungen von Eltern mit mehreren Kindern. Das Vorhaben soll eine Entlastung in der Pflege ermöglichen, könnte jedoch erhebliche Belastungen für Arbeitgeber und Unternehmer bedeuten. Hier erhalten Sie einen Überblick über die geplanten Neuerungen sowie etwaige Probleme, die mit der Reform einhergehen könnten.

 

Was ändert sich durch die Reform?

Das soll sich künftig ändern: Das Gesetz zur Entlastung und Unterstützung in der Pflege soll die (finanzielle) Stabilität der Pflegeversicherung künftig stärken und sichern. Dabei sind mehr Leistungen für die stationäre und ambulante Pflege geplant. Zusätzlich sollen Eltern mit mehreren Kindern bei der Bemessung der Beiträge zur Pflegeversicherung im Vergleich zu kinderlosen Personen künftig deutlicher entlastet werden. Dazu hatte das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber mit Beschluss vom 7. April 2022 beauftragt.

Geplant ist eine Reform in zwei Schritten:

Zunächst soll zum Juli 2023 die finanzielle Grundlage der Pflegeversicherung reformiert werden. Auf dieser Basis sollen die ersten Verbesserungen des Leistungsumfangs der Pflegeversicherung bereits zum Januar 2024 möglich werden. Eine zweite, umfangreichere Anpassung der Leistungsbeträge soll im Januar 2025 erfolgen.

Diese Regelungen sieht der Entwurf im Einzelnen vor:

Stärkung der häuslichen Pflege, Verbesserung des Leistungsumfangs der Pflegeversicherung, finanzielle Entlastung:

  • Stärkung der häuslichen Pflege durch Erhöhung des Pflegegeldes um 5 Prozent zum 1. Januar 2024
  • Anhebung ambulanter Sachleistungsbeträge um 5 Prozent zum 1. Januar 2024
  • Pflegeunterstützungsgeld soll von Angehörigen ab dem 1. Januar 2024 pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden können. Die Beschränkung auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person entfällt.
  • Zum 1. Januar 2024 werden die  Zuschläge, die die Pflegekasse nach § 43c SGB XI an Pflegebedürftige in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, erhöht. (Anhebung von 5% auf 15% bei 0 - 12 Monaten Verweildauer, von 25% auf 30% bei 13 - 24 Monaten, von 45% auf50 % bei 25 - 36 Monaten und von 70% auf 75% bei mehr als 36 Monaten)
  • Zum 1. Januar 2025 sowie zum 1. Januar 2028 erfolgt jeweils regelhaft eine automatische Anpassung der Geld- und Sachleistungen in Anlehnung an die Preisentwicklungen. Vorschläge für die langfristige Leistungsdynamisierung prüft die Bundesregierung derzeit.
  • Neue Strukturierung und Systematisierung der Regelungen zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI: Trennung von verfahrens- und leistungsrechtlichen Inhalten, um Regelungen transparenter und adressatengerecht zugänglich zu gestalten.

Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege:

  • Stationäre Pflege: Beschleunigung der Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch Vorgabe weiterer Ausbaustufen unter Berücksichtigung der Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt
  • Einrichtigung eines Kompetenzzentrums für Digitalisierung und Pflege zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung durch Potentiale der Digitalisierung
  • Ausweitung und Verlängerung des Förderprogramms für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen

Finanzielle Stabilisierung der Pflegeversicherung:

  • Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes um 0,35 Prozentpunkte zum 1. Juli 2023 zur finanziellen Stabilisierung der Pflegeversicherung sowie als Grundlage für die vorgesehenen Leistungsanpassungen. Berechnungen zufolge sind Mehreinnahmen von 6,6 Mrd. Euro/Jahr zu erwarten.

Finanzielle Entlastungen für Eltern mit mehreren Kindern:

  • Der Beitragssatz wird zum 1. Juli 2023 zur Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 nach der Anzahl der Kinder (unter 25 Jahren) differenziert.
  • Für kinderlose Mitglieder gilt künftig einen Beitragssatz von 4 Prozent; bei Mitgliedern mit einem Kind reduziert sich der Beitragssatz auf 3,4 Prozent; bei Mitgliedern mit zwei Kindern auf 3,15 Prozent; bei Mitgliedern mit drei Kindern auf 2,9 Prozent; bei Mitgliedern mit vier Kindern auf 2,65 Prozent; bei Mitgliedern mit 5 und mehr Kindern auf 2,4 Prozent.
  • Der Arbeitgeberanteil beträgt unabhängig von der Kinderanzahl immer 1,7%.

 

Welche Bedeutung hat die Reform für Arbeitgeber und Unternehmer?

Die Entlastungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit mehreren Kindern könnte jedoch eine erhebliche Mehrbelastung für die Arbeitgeberseite bedeuten. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung ab dem zweiten Kind sinken soll. Unternehmen könnten demnach künftig verpflichtet sein, die Zahl der Kinder ihrer Angestellten zu ermitteln. Die Sorge vor einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand bei der Berechnung der Beiträge zur Pflegeversicherung für die Entgeltabrechnung der Arbeitgeber ist groß. 

Eine aktualisierte Form des Gesetzentwurfs reagiert nun auf diese Bedenken.   Das Verfahren zur Ermittlung der Anzahl der Kinder soll durch eine Meldestelle erleichtert werden. Zeitnah soll ein einheitliches, zentralisiertes und digitales Verfahren zur Ermittlung der Daten installiert werden, das den zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die beitragsabführenden Stellen gering halten soll. Näheres ist derzeit noch nicht bekannt. Jedenfalls sollen Vorschläge zu einer solchen Stelle erst zum 1. Juli 2023 vorliegen, so dass diese voraussichtlich nicht vor Inkrafttreten des Gesetzes Anfang Juli umsetzbar sein werden. Damit ist jedenfalls vorerst mit einem erhöhten bürokratischen Aufwand - etwa durch die Anforderung von Geburtsurkunden und Abspeicherung der Daten - für die Arbeitgeber zu rechnen. Auch datenschutzrechtlich könnte die Abfrage von Geburtsurkunden problematisch werden. 

Mit einem erhöhten Aufwand für die Unternehmerseite könnte auch der Umstand verbunden sein, dass die Entlastung nur noch Kinder bis 25 Jahre berücksichtigen soll. Ursprünglich war eine solche Altersbegrenzung nicht vorgesehen. Damit fällt die Entlastung für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einerseits geringer aus, die Regelung könnte den bürokratischen Aufwand für die Arbeitgeberseite zudem weiter erhöhen, da zusätzlich das Alter der Kinder erfasst werden muss. 

Derzeit bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung mit den aufgeworfenen Problemen umgehen wird. 

 

 

Wichtige Änderungen quer durch alle Steuergesetze

Bringen Sie sich schnell auf den neuesten Stand mit unserem Spezialreport zum JStG 2024 – jetzt zum Download bereit!

» Hier kostenlos downloaden!

2024 wird zum Reformjahr im Steuerrecht - wir halten Sie Up-to-date!

Alle wichtigen Änderungen aus dem „Steuerfortentwicklungsgesetz" und dem „Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024"!

» Hier kostenlos downloaden

Empfehlungen der Redaktion

 

Individuelle Checklisten zur Einkommensteuererklärung für jeden Mandanten. Damit erhalten Sie direkt alle relevanten Belege von Ihren Mandanten und entlasten damit Ihre Kanzlei!

44,95 € mtl. zzgl. USt
Praxispaket Kanzleiorganisation Online
 

Praxispaket Kanzleiorganisation Online

Das Praxispaket Kanzleiorganisation ist Ihre Toolbox zur Optimierung von Arbeitsabläufen und Steigerung der Kanzleieffizienz.
Topleistung – Topqualität – Tophonorar – 25 % weniger Arbeit.

29,95 € mtl. zzgl. USt