Diese Regelungen sieht der Entwurf im Einzelnen vor:
Stärkung der häuslichen Pflege, Verbesserung des Leistungsumfangs der Pflegeversicherung, finanzielle Entlastung:
- Stärkung der häuslichen Pflege durch Erhöhung des Pflegegeldes um 5 Prozent zum 1. Januar 2024
- Anhebung ambulanter Sachleistungsbeträge um 5 Prozent zum 1. Januar 2024
- Pflegeunterstützungsgeld soll von Angehörigen ab dem 1. Januar 2024 pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden können. Die Beschränkung auf einmalig insgesamt zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person entfällt.
- Zum 1. Januar 2024 werden die Zuschläge, die die Pflegekasse nach § 43c SGB XI an Pflegebedürftige in vollstationären Pflegeeinrichtungen zahlt, erhöht. (Anhebung von 5% auf 15% bei 0 - 12 Monaten Verweildauer, von 25% auf 30% bei 13 - 24 Monaten, von 45% auf50 % bei 25 - 36 Monaten und von 70% auf 75% bei mehr als 36 Monaten)
- Zum 1. Januar 2025 sowie zum 1. Januar 2028 erfolgt jeweils regelhaft eine automatische Anpassung der Geld- und Sachleistungen in Anlehnung an die Preisentwicklungen. Vorschläge für die langfristige Leistungsdynamisierung prüft die Bundesregierung derzeit.
- Neue Strukturierung und Systematisierung der Regelungen zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI: Trennung von verfahrens- und leistungsrechtlichen Inhalten, um Regelungen transparenter und adressatengerecht zugänglich zu gestalten.
Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege:
- Stationäre Pflege: Beschleunigung der Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens durch Vorgabe weiterer Ausbaustufen unter Berücksichtigung der Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt
- Einrichtigung eines Kompetenzzentrums für Digitalisierung und Pflege zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung durch Potentiale der Digitalisierung
- Ausweitung und Verlängerung des Förderprogramms für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen
Finanzielle Stabilisierung der Pflegeversicherung:
- Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes um 0,35 Prozentpunkte zum 1. Juli 2023 zur finanziellen Stabilisierung der Pflegeversicherung sowie als Grundlage für die vorgesehenen Leistungsanpassungen. Berechnungen zufolge sind Mehreinnahmen von 6,6 Mrd. Euro/Jahr zu erwarten.
Finanzielle Entlastungen für Eltern mit mehreren Kindern:
- Der Beitragssatz wird zum 1. Juli 2023 zur Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 nach der Anzahl der Kinder (unter 25 Jahren) differenziert.
- Für kinderlose Mitglieder gilt künftig einen Beitragssatz von 4 Prozent; bei Mitgliedern mit einem Kind reduziert sich der Beitragssatz auf 3,4 Prozent; bei Mitgliedern mit zwei Kindern auf 3,15 Prozent; bei Mitgliedern mit drei Kindern auf 2,9 Prozent; bei Mitgliedern mit vier Kindern auf 2,65 Prozent; bei Mitgliedern mit 5 und mehr Kindern auf 2,4 Prozent.
- Der Arbeitgeberanteil beträgt unabhängig von der Kinderanzahl immer 1,7%.
Welche Bedeutung hat die Reform für Arbeitgeber und Unternehmer?
Die Entlastungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit mehreren Kindern könnte jedoch eine erhebliche Mehrbelastung für die Arbeitgeberseite bedeuten. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Beitragssatz zur Pflegeversicherung ab dem zweiten Kind sinken soll. Unternehmen könnten demnach künftig verpflichtet sein, die Zahl der Kinder ihrer Angestellten zu ermitteln. Die Sorge vor einem erheblichen bürokratischen Mehraufwand bei der Berechnung der Beiträge zur Pflegeversicherung für die Entgeltabrechnung der Arbeitgeber ist groß.
Eine aktualisierte Form des Gesetzentwurfs reagiert nun auf diese Bedenken. Das Verfahren zur Ermittlung der Anzahl der Kinder soll durch eine Meldestelle erleichtert werden. Zeitnah soll ein einheitliches, zentralisiertes und digitales Verfahren zur Ermittlung der Daten installiert werden, das den zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die beitragsabführenden Stellen gering halten soll. Näheres ist derzeit noch nicht bekannt. Jedenfalls sollen Vorschläge zu einer solchen Stelle erst zum 1. Juli 2023 vorliegen, so dass diese voraussichtlich nicht vor Inkrafttreten des Gesetzes Anfang Juli umsetzbar sein werden. Damit ist jedenfalls vorerst mit einem erhöhten bürokratischen Aufwand - etwa durch die Anforderung von Geburtsurkunden und Abspeicherung der Daten - für die Arbeitgeber zu rechnen. Auch datenschutzrechtlich könnte die Abfrage von Geburtsurkunden problematisch werden.
Mit einem erhöhten Aufwand für die Unternehmerseite könnte auch der Umstand verbunden sein, dass die Entlastung nur noch Kinder bis 25 Jahre berücksichtigen soll. Ursprünglich war eine solche Altersbegrenzung nicht vorgesehen. Damit fällt die Entlastung für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen einerseits geringer aus, die Regelung könnte den bürokratischen Aufwand für die Arbeitgeberseite zudem weiter erhöhen, da zusätzlich das Alter der Kinder erfasst werden muss.
Derzeit bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung mit den aufgeworfenen Problemen umgehen wird.