Kapitalgesellschaften: Höchstbetrag bei Gewinnübertragung

Wie hoch ist der abziehbare Betrag bei der Übertragung stiller Reserven nach § 6b Abs. 10 EStG? Der BFH hat entschieden: Soweit für einen Gewinn aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen das Teileinkünfteverfahren angewendet wird, ist auf Gebäude der abziehbare Betrag auf 300.000 € begrenzt. Der Höchstbetrag ist nur möglich, wenn der Gewinn nicht dem Teileinkünfteverfahren unterliegt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 10.05.2022 (IV B 47/21) entschieden, dass die Übertragung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft, der dem Teileinkünfteverfahren unterliegt, lediglich bis zu einem sich aus § 6b Abs. 10 Satz 2 EStG ergebenden Höchstbetrag von 300.000 € möglich ist. 

Der vollständige Höchstbetrag von 500.000 € kommt nur zur Anwendung, wenn der Gewinn aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts nicht dem Teileinkünfteverfahren unterliegt.

Sachlage im Streitfall

Dem BFH wurde im Nachgang zu einer noch nicht veröffentlichten Entscheidung des Finanzgerichts Münster (FG) vom 08.07.2021 (8 K 619/20 G, F) eine Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision vorgelegt. 

Die Klägerin hat die Rechtsfrage formuliert, ob nach § 6b Abs. 10 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG die Übertragung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft in voller Höhe des in § 6b Abs. 10 EStG benannten Betrags von 500.000 € möglich ist. 

Das FG hatte bisher entschieden, dass die stillen Reserven aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts lediglich bis zu einem anteiligen Betrag von 300.000 € übertragen werden können, da der Gewinn aus der Veräußerung einer Kapitalgesellschaft dem Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a EStG unterliegt und somit im Ergebnis nur zu 60 % steuerpflichtig ist. 

Der BFH sah die Beschwerde jedoch nicht als klärungsbedürftig an und wies sie zurück.

Übertragbarkeit der Rücklage nach § 6b EStG

Nach § 6b EStG können Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, wie Grund und Boden sowie Gebäude, auf im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschaffte Wirtschaftsgüter übertragen werden. Der entsprechende Veräußerungsgewinn wird sodann von den Anschaffungskosten des neu angeschafften Wirtschaftsguts abgezogen. 

Durch § 6b EStG können die bei der Veräußerung realisierten stillen Reserven auf die neu angeschafften Wirtschaftsgüter verlagert werden, wodurch diese nicht sofort versteuert werden müssen und letztlich ein Steuerstundungseffekt erlangt wird.

Nach § 6b Abs. 10 EStG ist eine Übertragung von stillen Reserven auch aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften möglich. 

§ 6b Abs. 10 Satz 1 EStG sieht vor, dass Steuerpflichtige, die keine Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sind, Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bis zu einem Betrag von 500.000 € auf Kapitalgesellschaftsanteile übertragen können. 

Dies gilt auch für eine Übertragung auf bewegliche Wirtschaftsgüter oder Gebäude. Die Übertragung ist lediglich für Kapitalgesellschaftsanteile und bewegliche Wirtschaftsgüter möglich, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder in den folgenden zwei Wirtschaftsjahren hergestellt worden sind. 

Eine Übertragung auf Gebäude ist möglich, wenn sie im Jahr der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile oder innerhalb von vier Jahren angeschafft worden sind.

Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Der Höchstbetrag von 500.000 € gilt nach Ansicht des BFH in Übereinstimmung mit einem Großteil der Auffassung in der Literatur bei der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft und der anschließenden Übertragung auf ein bewegliches Wirtschaftsgut oder ein Gebäude nur zu einem Anteil von 60 %. 

Der Höchstbetrag wird nach § 6b Abs. 10 Satz 2 EStG bei einer Investition in ein Gebäude oder ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut um den steuerbefreiten Teil gekürzt. Damit können die Anschaffungskosten bis maximal 300.000 € gemindert werden.

Praxishinweis: Der BFH hat mit diesem Beschluss die vorherrschende Meinung in der Literatur folgerichtig bestätigt. Anderenfalls wäre eine Übertragung von einem Veräußerungsgewinn, der dem Teileinkünfteverfahren unterliegt, auf Wirtschaftsgüter möglich, die nicht dem Teileinkünfteverfahren unterliegen. 

 

Steuerpflichtige sollten dennoch die Übertragung von stillen Reserven auf neu angeschaffte Wirtschaftsgüter als Mittel nutzen, um einen Steuerstundungseffekt zu erlangen. Insbesondere Land- und Forstwirte können so die umfangreichen Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Bauland übertragen.

BFH, Beschl. v. 10.05.2022 - IV B 47/21  

Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)

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