Mangelnde Berücksichtigung von künftigen Pflichtteilsansprüchen: So beugen Sie Konflikten schon bei der Schenkung vor

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Jede lebzeitige Zuwendung hat immer auch eine erbrechtliche oder pflichtteilsrechtliche Konsequenz. Der juristische Laie denkt natürlich nicht bei Hingabe eines namhaften Geldbetrags zu Lebzeiten an eines seiner Kinder daran, dass diese Hingabe bei seinem Ableben nochmals erhebliche Bedeutung erlangen kann.

Aber auch in notariellen Urkunden zu lebzeitigen Zuwendungen findet man oft gar nichts zu den erbrechtlichen Bestimmungen oder aber lediglich Floskeln, die den tatsächlichen Umständen nicht gerecht werden. Dabei kann der Schenker selbst bestimmen, welche erbrechtlichen oder pflichtteilsrechtlichen Konsequenzen eine Hingabe zu Lebzeiten haben soll.

Die häufig anzutreffende Anordnung, dass ein Geschenk „auf den Erbteil anzurechnen“ sei, enthält keine Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil. Die Formulierung bedeutet nur, dass die Zuwendung zur Ausgleichung zu bringen ist.

Ausdrückliche Anordnung, worauf die Zuwendung angerechnet werden soll

Es sollte daher immer ausdrücklich angeordnet werden, worauf die Zuwendung angerechnet werden soll. Wenn eine Anrechnung auf den Erb- und Pflichtteil gewünscht ist, muss beides angeordnet werden.

Unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden können erbrechtlich nicht nur Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen, sondern entfalten auch über die §§ 2050, 2315, 2316 BGB Wirkungen auf den Pflichtteil.

Den Notar trifft lediglich dann eine entsprechende Aufklärungs- und Belehrungspflicht, wenn sich aus dem Vorbringen der Beteiligten ergibt, dass auch diese Spätfolgen der Zuwendung geregelt werden sollen.

Für den erbrechtlichen Berater ist es jedoch zwingende Pflicht, die rechtlichen Auswirkungen einer unentgeltlichen Zuwendung mit den Beteiligten von sich aus zu erörtern. Die massivste Maßnahme ist an dieser Stelle, dass alle weichenden Erben generell auf ihre Pflichtteile gegenüber dem Erblasser verzichten, weiter kann ein Verzicht gegenständlich beschränkt auf diese Zuwendung ausgesprochen werden.

Schuldrechtliche Gleichstellungserklärung

Möglich ist bei Mitwirkung aller Pflichtteilsberechtigten bei der Zuwendung auch eine schuldrechtliche Gleichstellungserklärung im Wege des schuldrechtlichen, der notariellen Beurkundung bedürftigen Vertrags über die Pflichtteile am Nachlass eines noch lebenden Dritten unter den Pflichtteilsberechtigten.

Sind jedoch die bei der Zuwendung nicht bedachten Pflichtteilsberechtigten nicht bereit oder in der Lage, bei der Zuwendung mitzuwirken, kann nur versucht werden, den jeweiligen Willen des Erblassers durch Anrechnungsbestimmungen gem. § 2315 BGB, Ausgleichungsanordnungen gem. § 2050 Abs. 3, § 2316 Abs. 1 BGB bzw. Klarstellung der vorhandenen Ausstattungsabsicht gem. §1694 Abs. 1, § 2050 Abs. 1 BGB oder gleichzeitige Anordnung von Anrechnung- und Ausgleichungspflicht (§ 2316 Abs. 4 BGB) Rechnung zu tragen.

Hierbei sind selbstverständlich die verschiedenen Auswirkungen dieser Gestaltungsmöglichkeiten auf die Pflichtteile zu erörtern und zu beachten. Ob dabei allerdings die bloße Anrechnung auf den Pflichtteil (§2315 BGB) oder die zusätzliche Ausgleichungsanordnung (§2316 Abs. 4 BGB) für die Beteiligten günstiger ist, kann im Einzelfall vom Berater kaum entschieden werden, weil insoweit die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls und nicht der Zuwendung maßgeblich sind.

Fest steht insoweit nur, dass die bloße Anrechnung auf den Pflichtteil die Pflichtteilslast des Erben am stärksten mindert und die reine Ausgleichungsanordnung bzw. die Festlegung der Ausstattungsabsicht die Pflichtteilswerte der übergangenen Pflichtteilsberechtigten am stärksten erhöht.

Zeitpunkt der Vereinbarung

Eine Anrechnungsbestimmung bzw. Ausgleichungsanordnung ist nur jeweils vor oder gleichzeitig mit der Hingabe der Zuwendung möglich und nicht mehr nachträglich. Zum Schutz des längstlebenden Elternteils vor den Pflichtteilsansprüchen des Zuwendungsempfängers bei Vorliegen eines Berliner Testaments sollte man jeweils einen Pflichtteilsverzicht des Beschenkten auf den Erbfall des Erstversterbenden für den Fall vorsehen, dass der überlebende Elternteil Alleinerbe wird.

Gegebenenfalls könnte dieser Pflichtteilsverzicht noch dadurch bedingt werden, dass in dem Berliner Testament der Zuwendungsempfänger vom Längstlebenden entsprechend bedacht ist. In jedem Fall muss der erbrechtliche Berater bei lebzeitigen Zuwendungen diese Problematik erfassen und im Detail mit den Beteiligten erörtern.

Kerstin Löbe

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