Der BFH hat die Regeln zur Bewertung von Immobilien näher bestimmt. Demnach ist im Ertragswertverfahren grundsätzlich die vereinbarte Miete maßgeblich, soweit diese „üblich“ ist.
Ob eine vertragliche Miete noch als üblich angesehen wird, hängt davon ab, wie stark sie vom untersten oder obersten Wert der Spanne des verwendeten Mietspiegels abweicht. Die Grenze liegt insoweit bei 20 % Abweichung.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil vom 05.12.2019 (II R 41/16) dazu Stellung genommen, ob eine vertraglich vereinbarte oder die ortsübliche Miete im Ertragswertverfahren anzusetzen ist.
Sachverhalt im Besprechungsfall
D und seine Mutter waren Miteigentümer eines bebauten Grundstücks, welches zu privaten Wohnzwecken und für gewerbliche Tätigkeit vermietet wurde. Nach dem Tod der Mutter erbte D deren Miteigentumsanteil.
Im Rahmen seiner Erbschaftsteuererklärung setzte D für die Ermittlung des Gebäudeertragswerts für vier Einheiten die vertraglich vereinbarten Nettokaltmieten und für die restlichen Einheiten die in dem Mietspiegel ausgewiesenen Mittelwerte an, weil die tatsächliche Miete diese Mittelwerte zu mehr als 20 % überschritt.
Das Finanzamt (FA) wich von diesem Ansatz ab und setzte als „übliche Miete“ nicht den Mittelwert, sondern den obersten Wert der im Mietspiegel ausgewiesenen Spanne an. Das FA kam dadurch bei lediglich zwei vermieteten Einheiten zu Abweichungen von der üblichen Miete um mehr als 20 % und setzte den Mittelwert des Mietspiegels an.
Im Übrigen blieb es bei dem Ansatz der (höheren) vertraglich vereinbarten Miete. Einspruch und Klage blieben erfolgreich. Der BFH bestätigte dies im Wesentlichen.
Ortsübliche Miete als Bewertungsmaßstab
Grundsätzlich ist die vertraglich vereinbarte Miete anzusetzen, es sei denn, diese weicht mehr als 20 % von der ortsüblichen Miete ab. Für den BFH ist das Tatbestandsmerkmal der „übliche(n) Miete“ ein unbestimmter Rechtsbegriff, der individuell auszulegen ist.
Alle Mietwerte innerhalb der Spannbreite eines Mietspiegels sind nach Ansicht des BFH als üblich anzusehen. Erst die Überschreitung bzw. Unterschreitung der jeweiligen Grenzwerte führt zu einer Unüblichkeit.
Das entspricht bereits dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach als „üblich“ das bezeichnet wird, was sich „im Rahmen des Üblichen“, also innerhalb einer gewissen Spanne, bewegt.
Für den BFH entspricht es auch dem Zweck der Vorschrift: Es sollen unzutreffende Bewertungsergebnisse vermieden werden, welche sich bei einer ausschließlichen Abhängigkeit des Grundbesitzwerts von einer zufällig oder gezielt vereinbarten tatsächlichen Miete ergeben würden.
Insbesondere soll bei einer Abweichung nach unten einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten durch Vereinbarung einer zu geringen Miete vorgebeugt werden. Umgekehrt soll nach dem Verständnis des BFH vermieden werden, dass im Einzelfall überhöhte Mietzinsen zu einer nicht realitätsgerechten Bewertung führen.
Die Vorschrift ist jedoch nach Auffassung des BFH so auszulegen, dass sie auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt. Die Grundbesitzbewertung erfolgt in einem von Typisierung geprägten Verfahren.
Abweichungen von der Regelbewertung dürfen nicht zum Regelfall werden. Nach alldem kann nicht auf den Mittelwert abgestellt werden.
Das begründet der BFH damit, dass es andernfalls zu dem dann denkbaren, aber sinnwidrigen Ergebnis führen könnte, dass ein Mietpreis, der noch innerhalb der Spannbreite des Mietspiegels liegt, wegen einer Abweichung von mehr als 20 % vom Mittelwert zu einer Verwerfung der vereinbarten Miete führt.
Diese Wertung wird dadurch bestätigt, dass im Steuerrecht auch an anderen Stellen als übliche Miete jede Miete verstanden wird, die sich innerhalb der in einem Mietspiegel ausgewiesenen Spanne zwischen mehreren Mietwerten bewegt.
Für den BFH verkompliziert es die Bewertung auch nicht, wenn als Vergleichsmaßstab statt des Mittelwerts ein äußerer Wert dient. Denn ebenso wie der Mittelwert ist auch der äußere Wert einfach aus dem Mietspiegel abzulesen.
Außerdem stellt der Mittelwert keine verlässlichere Größe dar als die Mietpreisspanne. Als gewogenes Mittel ist er hieraus statistisch abgeleitet und deshalb von gleicher inhaltlicher Plausibilität.
Praxishinweis: Der BFH hat mit dieser Entscheidung die Vorgehensweise der Finanzverwaltung bestätigt und für Rechtsklarheit gesorgt: Im Ertragswertverfahren ist grundsätzlich die vertraglich vereinbarte Miete anzusetzen. Nur wenn die vertraglich vereinbarte Miete nicht mehr als üblich angesehen werden kann, ist die übliche Miete anzusetzen: Eine vertraglich vereinbarte Miete kann nicht mehr als üblich angesehen werden, wenn sie mehr als 20 % niedriger ist als der unterste Wert der Spanne des verwendeten Mietspiegels oder wenn sie mehr als 20 % höher ist als der oberste Wert der Spanne. Auf den Mittelwert kommt es dabei nicht an. Die übliche Miete kann aus Vergleichsmieten oder Mietspiegeln abgeleitet, mit Hilfe einer Mietdatenbank geschätzt oder durch ein Mietgutachten ermittelt werden.
BFH, Urt. v. 05.12.2019 - II R 41/16
RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht