- Die Voraussetzungen der Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung werden im Verfahren über die Anfechtung des hierauf gestützten Festsetzungs- oder Feststellungsbescheids inzident geprüft.
- Eine tatsächliche Verständigung stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 41 Abs. 2 Satz 2 FGO, § 118 Satz 1 AO dar.
- Hat der Steuerpflichtige die auf eine tatsächliche Verständigung gestützten Festsetzungs- und Feststellungsbescheide mangels Einlegung eines Einspruchs bestandskräftig werden lassen, ist bei einer auf Feststellung der Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung gerichteten Klage auch dann die Subsidiaritätsklausel des § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO zu beachten, wenn der Steuerpflichtige die tatsächliche Verständigung mit einem Einspruch angreift und das Finanzamt diesen als unzulässig verwirft.
Der Kläger betrieb einen Gebrauchtwagenhandel. Mitte 2013 fanden eine Steuerfahndungs- und eine Betriebsprüfung statt, in deren Folge verschiedene Entwürfe einer tatsächlichen Verständigung erarbeitet und mit dem Kläger und seinem Berater besprochen wurden. Am 13.06.2014 kam es zu einer erneuten Besprechung, an der nur noch der Kläger persönlich und drei Finanzbeamte teilnahmen. Man einigte sich für 2009 bis 2013 auf verschiedene Besteuerungsgrundlagen. Die Ergebnisse der tatsächlichen Verständigung wurden in geänderten Bescheiden zur Einkommensteuer, zum Gewerbesteuermessbetrag und zur Umsatzsteuer umgesetzt, die mangels Einsprüchen bestandskräftig wurden. Im September 2014 legte der Kläger Einspruch gegen die tatsächliche Verständigung ein, den er damit begründete, dass ihm von den Finanzbeamten eine Steuernachzahlung von 1 Mio. €, eine Vernichtung seiner Existenz und eine Haftstrafe angedroht und er zur Unterschrift erpresst worden sei. Das Finanzamt verwarf den Einspruch mangels Verwaltungsaktqualität der tatsächlichen Verständigung als unzulässig.
Mit der dagegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, die tatsächliche Verständigung sei infolge seiner Anfechtung (§ 123 BGB) unwirksam. Zudem komme sie zu einem objektiv völlig unzutreffenden Ergebnis. Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Es hielt sowohl den auf Feststellung der Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung gerichteten Hauptantrag als auch den Hilfsantrag, der auf eine Verpflichtung gerichtet war, die angefochtenen Bescheide dahingehend zu ändern, dass der Besteuerung nicht die tatsächliche Verständigung zugrunde gelegt werde, für unzulässig und ließ die Revision nicht zu.
Die Beschwerde beim BFH hatte keinen Erfolg. Der BFH hebt hervor, dass der Kläger die Bescheide nicht mit einer Klage angefochten hat. Mit einer solchen Anfechtungsklage hätte er sein Rechtsschutzziel, dass die tatsächliche Verständigung der Besteuerung wegen der geltend gemachten Unwirksamkeit nicht zugrunde gelegt werden darf, erreichen können. Denn es entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH, dass die Voraussetzungen der Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung im Verfahren über die Anfechtung des Festsetzungs- oder Feststellungsbescheids inzident geprüft werden.
Der BFH weist ferner darauf hin, dass die Anfechtungsklage das Rechtsschutzziel des Klägers mindestens ebenso gut und sogar rechtsschutzintensiver verwirklicht hätte als die Feststellungsklage, da nur mit der Anfechtungsklage die letztendlich vom Kläger begehrte Absenkung der mit den Änderungsbescheiden festgesetzten oder festgestellten Beträge erreicht werden konnte.
BFH vom 12.06.2017- III B 144/16