Wann liegt ein Leistungsaustausch vor, bei dem ein umsatzsteuerbares Entgelt gezahlt wird? Der BFH hat es im Fall einer Erzeugergenossenschaft abgelehnt „Marktgebühren“ als Entgelt für eine eigenständig steuerbare Vermarktungsleistung einzustufen. Im Streitfall kaufte die Genossenschaft Lebensmittel von den Erzeugern an und lieferte sie dann in eigenem Namen und auf eigene Rechnung weiter.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 13.09.2022 (XI R 8/20) entschieden, dass die von einer Erzeugergenossenschaft an ihre Mitglieder berechneten Marktgebühren keine separate sonstige Leistung darstellen.
Die Marktgebühren stehen im vordergründigen Interesse der Erzeugergenossenschaft, da diese zur Erhöhung des Weiterverkaufspreises der Erzeugnisse führen.
Sachlage im Streitfall
Die Klägerin ist eine Genossenschaft, zu deren Mitgliedern diverse landwirtschaftliche Betriebe gehörten.
Diese waren verpflichtet, alle in ihrer Wirtschaft anfallenden marktfähigen und zum Absatz über die Erzeugerorganisation geeigneten Obst- und Gemüseerzeugnisse (mit Ausnahme der für ihren Haushalt benötigten Mengen) an die Klägerin zu liefern.
Die Genossenschaft verwertete die angelieferten Erzeugnisse gemeinschaftlich. Diese wurden bereits gewaschen, sortiert und verpackt bei der Genossenschaft angeliefert, so dass sie ohne großen Aufwand weitergeliefert werden konnten.
Die Klägerin vermarktete die Erzeugnisse auf eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die landwirtschaftlichen Betriebe veräußerten wiederum ihre Erzeugnisse an die Klägerin und erhielten dafür den Verkaufspreis abzgl. Abschläge für Verpackungskosten, Werbebeiträge, Kühlkosten sowie Marktgebühren.
Das Finanzamt (FA) sah die Marktgebühren als eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung der Klägerin an die Erzeuger an und erhöhte die Umsatzsteuerzahllast entsprechend. Der gegen diese Behandlung eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage dagegen statt. Denn für die Annahme eines Leistungsaustauschs sei es unerheblich, ob die Klägerin nur die entstanden Kosten weiterberechnete oder ob sie eine Marge erzielte.
Das FA rügte mit seiner Revision, dass der wirtschaftliche Gehalt der Tätigkeit der Klägerin über einen bloßen Weiterverkauf hinausgehe und die Mitglieder einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen würden. Der BFH sah dies anders und wies die Revision als unbegründet zurück.
Dienstleistungen einer landwirtschaftlichen Genossenschaft
Die Annahme eines steuerbaren Umsatzes i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt voraus, dass der Leistungsempfänger identifizierbar ist und einen Vorteil erhält, der zu einem Verbrauch i.S.d. gemeinsamen Mehrwertsteuersystems führt.
Der jeweilige Leistungsempfänger muss aus der Leistung einen konkreten Vorteil erhalten. Ein einem Dritten entstehender Vorteil ist als nebensächlich einzustufen, wenn er sich aus einer Leistung ergibt, die im überwiegenden Interesse des Steuerpflichtigen selbst liegt.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit der Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse keine sonstige Leistung an die Erzeuger ausgeführt hat.
Die Vermarktung der Erzeugnisse lag zwar auch im Interesse der landwirtschaftlichen Betriebe, ein vordergründiges Interesse hatte jedoch die Klägerin selbst. Die Vermarktung führte sowohl zur Erhöhung der Verkaufspreise der Klägerin selbst als auch der Erzeuger, was zu einer höheren Umsatzsteuer auf die Ausgangsumsätze führt.
Die Besteuerung des Mehrwerts erfolgte somit bei Weiterverkauf der landwirtschaftlichen Erzeugnisse durch die Erhöhung der Bemessungsgrundlage, die sich gegenüber der ursprünglichen Lieferung der Erzeuger um die Marktgebühren erhöht hatte.
Praxishinweis: Bei der Beurteilung, ob ein Leistungsaustausch vorliegt, ist zunächst festzustellen, ob der Steuerpflichtige selbst einen Vorteil aus der Leistung erhält. Tut er das nicht oder überwiegt der Vorteil, den der potentielle Leistungsempfänger aus dieser Leistung bezieht, so kann eine steuerbare sonstige Leistung angenommen werden.
BFH, Beschl. v. 13.09.2022 - XI R 8/20
Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)