Steuersatz in einer Kantine und Zurechnung von Umsätzen

Welchem Steuersatz unterliegen die Umsätze einer Kantine? Das hängt davon ab, wie stark beim Verkauf von Speisen und Getränken das Dienstleistungselement ausgeprägt ist. Der BFH hat im Fall einer Betriebskantine wegen des hohen Serviceanteils den Regelsteuersatz von 19 % angenommen. Für die Frage, wer bei Ehepartnern Leistungen ausführt oder bezieht, ist ausschlaggebend, wer nach außen auftritt.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 20.10.2021 (XI R 24/20) entschieden, dass die Umsätze eines Pächters einer Betriebskantine aufgrund des hohen Serviceanteils der Leistungen mit einer Dienstleistung in einem Restaurant zu vergleichen sind und daher dem Regelsteuersatz unterliegen.

Die Umsätze der Kantine sind demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Betreiber der Kantine auftritt.

Sachlage im Streitfall

Der Kläger betreibt mit seiner Ehefrau auf Basis eines Dienstleistungskonzessionsvertrags eine Kantine für die Dauer von zwei Jahren in einem Institut. Neben den Beschäftigten des Instituts können auch andere Gäste das Angebot der Kantine nutzen.

Der Pächter musste nach den Bedingungen des Vertrags die Versorgungssicherheit der Kantine zu gewissen Qualitätsstandards gewährleisten. Dazu gehörte die Zurverfügungstellung eines Frühstücks, eines Mittagsessens sowie eines Imbissangebots.

Im Kantinenraum standen Tische und Stühle zur Einnahme der Mahlzeiten oder Snacks zur Verfügung. Die Reinigung der Küche, der Theken, des Mobiliars sowie von Besteck und Geschirr wurde vom Kantinenpersonal durchgeführt.

Der Kläger wandte für den Verkauf sowohl der Mahlzeiten als auch der Imbisse, wie belegte Brötchen, den ermäßigten Steuersatz von 7 % an. Dies wurde im Rahmen einer Außenprüfung beanstandet.

Auf den Verkauf von Mittagessen sei nicht der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, sondern der Regelsteuersatz von 19 %, da das Zurverfügungstellen von Tischen und Stühlen für das Vorliegen des Dienstleistungscharakters ausreiche.

Gegen den Änderungsbescheid erhob der Kläger ohne Durchführung eines Vorverfahrens Klage. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet zurück. Die Revision vor dem BFH führte aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Anwendung des ermäßigten Steuersatzes

Der Verkauf von Speisen und Getränken kann sowohl als Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG als auch als sonstige Leistung i.S.d. § 3 Abs. 9 UStG angesehen werden.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Abgabe von Speisen und Getränken als Dienstleistung anzusehen, wenn das Dienstleistungselement „bei weitem“ überwiegt, was i.d.R. bei Gaststätten und Restaurants, aber auch Hotelbetrieben der Fall ist.

Bei Imbissständen, die frisch zubereitete Speisen oder Nahrungsmittel anbieten, steht dagegen die einfache standardisierte Zubereitung im Vordergrund. Derartige Umsätze gelten daher als Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG, wodurch nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 UStG der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist.

Durch das Corona-Steuerhilfegesetz wurde zwar für Gastronomiebetriebe ebenfalls der ermäßigte Steuersatz eingeführt, dies gilt jedoch zunächst nur befristet vom 01.07.2020 bis 31.12.2022. Die im Streitfall betroffenen Veranlagungszeiträume sind hiervon nicht umfasst.

Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Der BFH tendiert nach den Feststellungen des FG über die Ausgestaltung des Betriebs des Klägers dazu, dass sonstige Leistungen vorliegen und die strittigen Umsätze somit im Streitjahr zum Regelsteuersatz zu versteuern sind.

Die vom Kläger erbrachten unterstützenden Dienstleistungen neben der Abgabe der Speisen erforderten mehr als nur einen geringfügigen personellen Einsatz, weshalb die Grenze zur Dienstleistungstätigkeit dadurch überschritten ist.

Insbesondere die Bereitstellung des Geschirrs und das Abräumen der Tische durch das Personal der Kantine sind ein wichtiges Kriterium bei der Prüfung, ob eine Dienstleistung oder lediglich eine Lieferung von Speisen und Getränken vorliegt.

Der BFH verwies den Fall an das FG zurück, u.a. damit dieses weitere Feststellungen im Hinblick auf den Umfang des Betriebs sowie die vertragliche Ausgestaltung treffen kann.

Zudem sind nach der Auffassung des BFH noch weitere Feststellungen zum Vertragsverhältnis zwischen dem Institut und dem Kläger erforderlich, um zu klären, ob der Kläger überhaupt selbst als Unternehmer aufgetreten ist oder es sich lediglich um ein Dienstverhältnis des Klägers und seiner Ehefrau zu dem Institut handelte.

Praxishinweis: Die Unterscheidung zwischen dem Regelsteuersatz von 19 % und dem ermäßigten Steuersatz von 7 % dürfte insbesondere nach dem Auslaufen der Begünstigungsregelung für Gastronomiebetriebe wieder relevant werden.

Insbesondere Imbissbetriebe und ähnliche Abgabestellen sollten diesbezüglich darauf achten, dass ihr Dienstleistungsangebot nur einen eingeschränkten Rahmen umfasst, da die nachträgliche Anwendung des Regelsteuersatzes zu einem erheblichen Liquiditätsverlust führen kann.

 

BFH, Urt. v. 20.10.2021 - XI R 24/20

Erstellt von Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)

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