Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft wird vom Finanzamt mit Gebühren belegt, was Bürger und Unternehmer, die für finanzielle Entscheidungen vorab grünes Licht für die geplante steuerliche Gestaltung benötigen, mindestens 121 € und maximal 91.456 € je Anfrage kostet. Kostenfrei ist hingegen, wenn sich der Arbeitgeber oder seine Mitarbeiter zu Lohnsteuerfragen an das zuständige Finanzamt des Betriebs wenden und eine nach dem EStG mögliche Anrufungsauskunft einholen. Diese gesetzliche Möglichkeit beugt Meinungsverschiedenheiten zwischen Firma und Belegschaft vor und schützt Arbeitgeber vor Haftungsrisiken. Bei der Anrufungsauskunft handelt es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt.
Das Betriebsstättenfinanzamt kann eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder ändern. Dabei handelt es sich nicht nur um eine unverbindliche Rechtsauskunft, sondern vielmehr um einen feststellenden Verwaltungsakt. Da die Bestimmungen zur Lohnsteueranrufungsauskunft keine eigene Korrekturbestimmung enthalten, besteht insoweit eine Gesetzeslücke. Die wird dadurch geschlossen, dass die AO-Vorschriften Anwendung finden, die die Möglichkeit eröffnen, eine verbindliche Zusage anlässlich einer Außenprüfung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben oder zu ändern. Dies wird analog auf die Anrufungsauskunft übertragen.
Das hat für Arbeitgeber und -nehmer folgende Auswirkungen in der Praxis:
- Die Erteilung und die Rücknahme der Anrufungsauskunft haben grundsätzlich schriftlich zu erfolgen.
- Sofern die Anrufungsauskunft - was nur mit Wirkung für die Zukunft erlaubt ist - aufgehoben oder geändert wird, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die vom Finanzamt zu begründen ist.
- War die Auskunft hingegen von vornherein - etwa bei Dauersachverhalten - zeitlich befristet, endet die Wirksamkeit des Verwaltungsakts automatisch durch Zeitablauf. Sie muss dann erneut beantragt werden.
- Sofern Rechtsvorschriften, auf denen die Entscheidung der Anrufungsauskunft beruht, geändert werden, tritt diese außer Kraft.
- Da die Finanzverwaltung verfahrensrechtlich die Regelungen zur verbindlichen Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung anwendet, gelten insoweit auch die Anweisungen im Anwendungserlass zur AO sinngemäß.
- Den Antrag auf verbindliche Auskunft können sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber als auch Dritte stellen, die Pflichten des Arbeitgebers erfüllen. Die Anrufungsauskunft wirkt als feststellender Verwaltungsakt nur gegenüber demjenigen, der sie beantragt hat. Erfolgte der Antrag durch den Arbeitgeber, ist das Betriebsstättenfinanzamt nicht gehindert, in der ihm erteilten Auskunft einen für ihn ungünstigeren Rechtsstandpunkt einzunehmen.
- Wollen sich Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gegen die Anrufungsauskunft als feststellenden Verwaltungsakt wehren, ist dies wie gegen einen Steuerbescheid über das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren möglich. Allerdings kommt im Fall der Ablehnung keine Aussetzung der Vollziehung in Betracht, da es sich bei der Anrufungsauskunft nicht um einen vollziehbaren Verwaltungsakt handelt.
Praxishinweis
Zwar kann die Anrufungsauskunft für Rechtssicherheit in den Betrieben sorgen, bei der anschließenden Einkommensteuererklärung der Mitarbeiter ist das Wohnsitzfinanzamt jedoch nicht an die erteilten Auskünfte gebunden. Die Verbindlichkeit gilt nämlich nur für die Bemessung der Lohnsteuer. Haben die Finanzbehörden, die für die Betriebsstätte eines Arbeitgebers zuständig sind, hinsichtlich eines Lohnsteuersachverhalts einen anderen Kenntnisstand als die Wohnsitzfinanzämter der Arbeitnehmer, kann ihnen dieses Wissen nicht zugerechnet werden. Daher liegen für die Finanzämter der Arbeitnehmer neue Tatsachen vor.
Das hat den Nachteil, dass sich Einkommensteuerbescheide der Arbeitnehmer auch dann noch ändern lassen, wenn diese längst bestandskräftig sind. Denn eine Korrektur zuungunsten des Steuerzahlers ist nach der AO bis zur Verjährung eines Steuerfalls möglich, sofern dem Finanzamt eine neue Tatsache bekannt geworden ist.
Das Finanzamt ist grundsätzlich nicht ohne weiteres zur Aufhebung oder Änderung der erteilten Auskunft befugt. Abzuwägen ist insbesondere, ob das Vertrauen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in die Einhaltung der verbindlichen Anrufungsauskunft größeres Gewicht hat als die Durchsetzung des Rechts verlangt. Aus Gründen der Planungs- und Entscheidungssicherheit darf der Rechtsschutz in Form von Zusagen vor der Steuerfestsetzung für Lohnsteuerzwecke nicht schwächer ausfallen als in anderen Bereichen. Da die Zusage in die Zukunft wirkt, darf sich die Finanzbehörde von ihrer eingegangenen Selbstverpflichtung nur nach dem Gebot der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns wieder lösen.
BMF-Schreiben v. 18.02.2011 - IV C 5 - S 2388/0-01
BFH, Urt. v. 30.04.2009 - VI R 54/07
BFH, Urt. v. 02.09.2010 - VI R 3/09
BFH, Urt. v. 09.10.1992 - VI R 97/90, BStBl II 1993, 166
Quelle: Dipl.-Finanzwirt Robert Kracht - vom 08.03.11