Die Korrektur des Steuerbescheids wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel (§ 173 AO) hat in der Praxis eine außerordentliche große Bedeutung. Doch die Norm bereitet auch häufig Schwierigkeiten. Wo die Knackpunkte im Detail liegen und wie Sie § 173 AO richtig anwenden, erfahren Sie auf den folgenden Seiten.
Von Steuerberater Marian Schildhorn, LL.B.
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Sachlicher Anwendungsbereich § 173 AO
Zunächst einmal ist der sachliche Anwendungsbereich zu definieren:
- Steuerbescheide und diesen gleichgestellten Bescheiden
- bestandskräftige Verwaltungsakte
- keine Festsetzungsverjährung
Tipp: Sie haben bereits konkrete Fragen rund um § 173 AO? Schauen Sie sich hier unsere Beispielgutachten zu folgenden Themen an:
Bilanzberichtigung als neue Tatsache?
Nachträgliches Bekanntwerden von neuen Tatsachen – grobes Verschulden oder nicht?
Beweise bei Betriebsprüfung und Fahrtenbuch als nachträglich bekannte gewordene Beweismittel
Kann im Rahmen einer Betriebsprüfung der PKW mangels ausreichender betrieblicher Nutzung unter Hinweis auf § 173 AO entnommen werden?
Einkünfte nach § 17 Abs. 4 EStG versehentlich nicht erklärt – Änderung Steuerbescheid nach § 178 AO?
Grobes Verschulden bei der Erstellung Einkommensteuererklärung
Voraussetzungen für § 173 AO
Nach dem Anwendungsbereich schauen wir uns im Einzelnen die Voraussetzungen für die Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel an.
I. Tatsachen / Beweismittel
Tatsachen
- Tatsache ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines steuergesetzlichen Tatbestands sein kann
- Sachverhalte oder Sachverhaltsausschnitte, die eine Besteuerungsgrundlage bilden
- Innere wie äußere Merkmale
- Keine Tatsachen sind Schlussfolgerungen und rechtliche Subsumtionen
II. nachträgliches Bekanntwerden
Eine Tatsache ist nachträglich bekannt geworden, wenn sie das Finanzamt bei Erlass des geänderten Steuerbescheides noch nicht kannte (BFH – Urteil vom 13.01.2011 – VI R 61/09).
Der Inhalt der in der zuständigen Dienststelle geführten Steuerakte gilt als bekannt (Nichtzurechnung der BP – Akte der Veranlagungsakte, aber Akte Rechtsbehelfsstelle der Veranlagungsakte, BFH – Urteil vom 03.05.1991 – V R 36/90).
III. Rechtserheblichkeit
Die nachträglich bekannt gewordene Tatsache muss rechtserheblich sein:
- Ein Steuerbescheid wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen nur aufgehoben oder geändert werden, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anders entschieden hätte.
- Eine Änderung scheidet aus, wenn das FA auch bei Kenntnis der Tatsachen im Zeitpunkt der Steuerfestsetzung nicht anders entschieden hätte. Dieser Rechtsauffassung folgt die Finanzverwaltung (BMF AEAO § 173 Nr. 3.1 ).
Sehen Sie hier Detail-Fragen und Beispiele zum Vorliegen der Rechtserheblichkeit.
IV. Grobes Verschulden
Grobes Verschulden umfasst Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.
1. Vorsatz
Vorsätzliches Handeln liegt bei Absicht, der intensivsten Vorsatzform vor. Entsprechend der strafrechtlichen Normierung umfasst das grobe Verschulden auch den dolus directus I. Grades, dolus directus II. Grades und den dolus eventualis. Vorsatz liegt auch noch vor, wenn sich der Steuerpflichtige den Erfolg seines Handelns vorgestellt hat und ihn seiner Pflichtwidrigkeit gleichwohl in seinen Willen aufgenommen hat (von Groll in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 253. Lieferung 07.2019, § 173 AO). Er muss den pflichtwidrigen Erfolg nicht notwendig beabsichtigt, aber zumindest billigend in Kauf genommen haben (FG Hamburg, Urteil vom 23.09.1997 – II 88/97).
2. Grobe Fahrlässigkeit
Grob fahrlässig handelt, wer die ihm persönlich zuzumutende Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt, d.h. unbeachtet lässt, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen, und auch die nächstliegenden, einfachsten Überlegungen nicht anstellt.
Sehen Sie hier Detail-Fragen und Beispiele zum Vorliegen eines groben Verschuldens.