Wann greift bei Aufgabe des inländischen Wohnsitzes die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG? Nach dem BFH gilt: Die Wegzugsbesteuerung entfällt bei einer nur vorübergehenden Abwesenheit, wenn der Steuerpflichtige innerhalb des gesetzlichen Zeitrahmens von fünf Jahren nach dem Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Ob zuvor eine Rückkehrabsicht vorlag, ist in diesem Fall nicht relevant.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 21.12.2022 (I R 55/19) festgestellt, dass - unabhängig von einer beim Wegzug nicht bestehenden Rückkehrabsicht - bei einer tatsächlichen Rückkehr und Begründung einer unbeschränkten Steuerpflicht innerhalb von fünf Jahren nach dem Wegzug nur eine vorübergehende Abwesenheit bestand. Die Wegzugsbesteuerung entfällt daher.
Sachlage im Streitfall
Der Kläger zog (unter Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes) im Jahr 2014 in eine Eigentumswohnung in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
In Deutschland verfügte der Kläger bis Ende 2015 weder über einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Zum Zeitpunkt des Wegzugs hielt der Kläger mehrere Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in einer Höhe von 50 % bis 100 %.
In einem Schreiben aus dem Jahr 2016 teilte der Kläger dem Finanzamt (FA) mit, dass er im Jahr 2014 aus Deutschland weggezogen sei, jedoch zum 01.01.2016 wieder einen Wohnsitz in Deutschland begründet habe.
Er reichte die entsprechende Steuererklärung nach den Maßgaben der beschränkten Steuerpflicht für das Jahr 2014 ein. Auf die Wegzugsbesteuerung verzichtete er jedoch, da aufgrund seiner zwischenzeitlichen Rückkehr nur eine vorübergehende Abwesenheit bestand.
Die Beteiligungen an den Gesellschaften übertrug er unentgeltlich auf seinen Bruder, um ab dem Folgejahr endgültig in die Vereinigten Arabischen Emirate auszuwandern.
Das FA war der Auffassung, dass er im Jahr des Wegzugs 2014 unbeschränkt steuerpflichtig war und zudem die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG ausgelöst habe.
Eine lediglich vorübergehende Abwesenheit nach § 6 Abs. 3 AStG bestehe nicht. Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieben ohne Erfolg. Der BFH sah die eingelegte Revision des Klägers jedoch als begründet an und hob das Urteil des FG auf.
Wegzugsbesteuerung bei lediglich vorübergehender Abwesenheit
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts endet, auf Anteile i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht ein Veräußerungsgewinn festzusetzen.
Ersatzweise ist zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns der gemeine Wert zum Zeitpunkt des Wegzugs anzusetzen.
Wird die unbeschränkte Steuerpflicht jedoch nur vorübergehend beendet und begründet der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren nach dem Wegzug erneut die unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland, so entfällt nach § 6 Abs. 3 AStG die Wegzugsbesteuerung rückwirkend.
Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall
Nach Ansicht des BFH ist es nicht erforderlich, dass zum Zeitpunkt des Wegzugs eine Rückkehrabsicht besteht. Diese muss nach der Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 3 AStG nur bestehen, wenn die Verlängerung des Rückkehrzeitraums von grundsätzlich fünf Jahren beantragt wird.
Bei einer Rückkehr innerhalb der regulären fünfjährigen Frist ist somit die Glaubhaftmachung einer Rückkehrabsicht nicht erforderlich. Die Wegzugsbesteuerung ist somit im vorliegenden Fall durch die Rückkehr tatsächlich entfallen.
Praxishinweis
Die Wegzugsbesteuerung kann somit bei einer Rückkehr innerhalb von fünf Jahren nach dem Wegzug vollständig vermieden werden. Bei einer zwischenzeitlichen Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht kann somit eine Rückkehr erfolgen und können - wie im Streitfall - Maßnahmen zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung getroffen werden.
BFH, Urt. v. 21.12.2022 - I R 55/19
Erstellt von Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)