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Wann können Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (agB) steuerlich geltend gemacht werden?
Das Finanzgericht Düsseldorf hat Prozesskosten im Zusammenhang mit einem familienrechtlichen Umgangsverfahren als agB anerkannt - Hintergrund war eine Kindesentziehung.
Damit hat das Gericht die Frage näher geklärt, wann ein Rechtsstreit hinreichend die immaterielle Existenzgrundlage berührt. Das Finanzgericht Düsseldorf (FG) hat in einer Entscheidung zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung (2018) Stellung genommen.
Ein geschiedener Steuerpflichtiger setzte in seiner Einkommensteuererklärung u.a. Kosten für einen Zivilprozess als außergewöhnliche Belastungen an. Die Kosten entstanden durch Klagen über das Umgangsrecht mit seiner Tochter, nachdem die frühere Ehefrau die gemeinsame Tochter nach einer Urlaubsreise nicht nach Deutschland zurückgebracht, sondern in Südamerika behalten hatte.
Wegen der Widerrechtlichkeit der Kindesentziehung blieb dem Vater nur die Möglichkeit, zu klagen. Das Finanzamt wies den Einspruch ab, woraufhin der Steuerpflichtige das FG anrief. Zwangsläufigkeit von Prozesskosten Prozesskosten können als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden, wenn sie zwangsläufig sind.
Zwar fehlt es im Allgemeinen bei einem Zivilprozess an der Zwangsläufigkeit des Ereignisses, das die Zahlungspflicht der Prozesskosten auslöst. Jedoch gilt dies nicht generell, sondern es gibt Ausnahmen, etwa wenn der Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich berührt und der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr im üblichen Rahmen befriedigen zu können.
Eine weitere Ausnahme gilt, wenn die Streitigkeit einen Kernbereich menschlichen Lebens berührt, wie es beim Umgangsrecht der Eltern mit ihren Kindern der Fall ist. Die Verweigerung des Umgangs mit den eigenen Kindern könne laut FG zu einer tatsächlichen Zwangslage führen, die die Anrufung eines Gerichts unabweisbar mache.
Um einen solchen Fall, in dem der Kernbereich menschlichen Lebens berührt ist, handelt es sich nach Auffassung des FG auch vorliegend bei dem Rechtsstreit, den der Vater nach der Entführung seiner Tochter durch die Kindesmutter in Südamerika wegen seines Umgangsrechts und der Rückführung der Tochter nach Deutschland führte.
Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift das grundsätzliche Abzugsverbot für Prozesskosten allerdings ebenfalls dann nicht ein, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine notwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Nach Ansicht des FG sichern auch Prozesskosten im Zusammenhang mit einem Rechtsstreit über das Umgangsrecht eines Vaters mit seinem Kind und die Rückkehr des bei der Mutter im Ausland lebenden Kindes nach Deutschland die Existenzgrundlage des Vaters.
Der Begriff der Existenzgrundlage in § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ist nicht gesetzlich definiert. Er kann in einem immateriellen Sinn gedeutet werden, etwa als Summe der Überzeugungen und Wertvorstellungen einer Person oder als die Eingebundenheit einer Person in eine Familie.
So hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) im Zusammenhang mit dem Abzug von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen für eine Auslegung als materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen entschieden.
Das FG gelangt für den vorliegenden Fall im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht für seine von der Kindesmutter nach Südamerika entführte, im Streitjahr rund zwei Jahre alte Tochter und deren Rückkehr nach Deutschland jedoch zu der Erkenntnis, dass ohne ein Umgangsrecht mit der Tochter und deren Rückführung nach Deutschland die (immaterielle) Existenzgrundlage des Vaters gefährdet wäre.
Er folgt damit im Ergebnis den Stimmen in der Literatur, die die Betroffenheit des Kernbereichs menschlichen Lebens als Bedrohung der Existenzgrundlage begreifen. Vor diesem Hintergrund hält das FG vorliegend eine verfassungskonforme Auslegung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG für erforderlich.
Eine gesetzliche Regelung der Zwangsläufigkeit von Prozesskosten aus tatsächlichen Gründen dahingehend, dass eine solche bejaht wird, wenn die materielle Lebensgrundlage des Steuerpflichtigen ohne den Rechtsstreit gefährdet wäre, nicht aber wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine immaterielle Lebensgrundlage zu verlieren, indem er seine ins Ausland entführte Tochter nicht wiedersehen würde, wäre im Hinblick darauf, dass Art. 6 Abs. 1 GG Ehe und Familie unter einen besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, nicht gerechtfertigt.
Das FG sieht sich zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 6 GG berechtigt und verpflichtet, § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG im Wege einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend zu deuten, dass die Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen auch dann gefährdet ist, wenn er ohne den Prozess keine (legale) Möglichkeit hat, seine von der Kindesmutter ins Ausland entführte Tochter nach Deutschland zurückzuholen.
Praxishinweis: Das FG hat für einen weiteren Bereich den Abzug von Prozesskosten zugelassen: das Umgangsrecht zwischen Eltern und Kindern. Allerdings handelte es sich im Besprechungsfall um einen Extremfall, bei dem eine Kindesentführung auf einen anderen Kontinent drohte. Gleichwohl kann bei Rechtsstreiten wegen des Umgangsrechts mit Kindern unter Hinweis auf die zugelassene Revision, sofern diese eingelegt werden sollte, zunächst Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH beantragt werden.
FG Düsseldorf, Urt. v. 13.03.2018 - 13 K 3024/17 E Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
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