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Der BFH hat für das „Mannheimer Modell“ zur Finanzierung des Vorruhestands bestimmt, wann Arbeitgeber für Lohnsteuer haften. Demnach fließt Arbeitslohn bei einer Abfindungszahlung auch dann nicht zu, wenn die Vereinbarung über das Wertguthaben oder die Übertragung auf die Rentenversicherung unwirksam sein sollte - soweit alle Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis trotzdem bestehen lassen.
Mit Urteil vom 03.05.2023 (IX R 25/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass, wenn alle Beteiligte das wirtschaftliche Ergebnis eintreten und bestehen lassen wollen, der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer nicht zufließt, wenn die zugrundeliegenden Vereinbarungen unwirksam sein sollten.
Die Entscheidung betrifft das sogenannte „Mannheimer Modell“, durch das ein Steuerstundungseffekt erlangt werden kann, wenn eine Abfindung o.Ä. direkt in eine Rentenversicherung zur Finanzierung des Vorruhestands eingebracht wird.
Die Klägerin ist Arbeitgeberin und soll als Haftungsschuldnerin für Lohnsteuer und sonstige Abzugsbeträge in Anspruch genommen werden.
Die Klägerin schloss im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen mehrere aufeinander aufbauende Rahmenvereinbarungen über Interessenausgleich, Sozialplan, Sozialauswahl und Betriebsvereinbarung sowie erhöhte Entgelte mit dem Betriebsrat ab.
Mitarbeitern im Außendienst, die aus dem Unternehmen ausscheiden, wurden „Freiwilligen-Abfindungen“ nach Maßgabe der Regelungen des Sozialplans und der Betriebsvereinbarung „Erhöhte Entgelte“ angeboten.
Der Abfindungsanspruch entsteht danach mit dem Zugang der Kündigung bzw. mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags und wird mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig.
Zudem vereinbarte die Klägerin mit ihren Mitarbeitern, dass die angesparten Geldbeträge aus Überstunden oder der Umwandlung von Urlaubstagen in eine aufgeschobene Rentenversicherung eingezahlt werden können.
Mehrere Mitarbeiter machten von dieser Wahlmöglichkeit Gebrauch. Die Klägerin unterwarf daher Abfindungszahlungen bei Fälligkeit nicht der Lohnsteuer.
Nach einer Lohnsteueraußenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Zahlungen zu Unrecht nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen worden seien. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätten diese Beträge nicht mehr einem Langzeitkonto zugeführt werden dürfen.
Daraufhin erließ das Finanzamt (FA) einen Haftungsbescheid gem. § 42d Abs. 1 EStG über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge. Der anschließende Einspruch sowie das Klageverfahren blieben ohne Erfolg. Der BFH sah die Revision der Klägerin als begründet an und hob das Urteil des Finanzgerichts daher auf.
Gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und gem. § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG an das FA abzuführen hat.
Der Zeitpunkt des Zuflusses für Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit bestimmt sich nach § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG. Demnach wird Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), gem. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt.
Daraus folgt, dass lediglich Arbeitslohn, der tatsächlich dem Arbeitnehmer zufließt, der Einkommensteuer und dem Lohnsteuerabzug unterliegt. Arbeitslohn gilt mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht als zugeflossen.
Auch die Abfindungen gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit. Sie gelten als Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen aufgrund der vorzeitigen Beendigung eines Dienstverhältnisses.
Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto gelten nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht als dem Arbeitnehmer zugeflossener Arbeitslohn. Vielmehr erwirbt der Arbeitnehmer anstelle des fälligen Lohnanspruchs einen noch nicht fälligen Anspruch auf zukünftige Lohnzahlungen gegen den Arbeitgeber.
Dem steht auch eine Vereinbarung über die Zuführung von Lohnbestandteilen zu einem Wertguthabenkonto nicht entgegen. Zum Zufluss kommt es erst, wenn das Guthaben auch tatsächlich nach den vereinbarten Bedingungen an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird.
Ohne Auswirkungen bleibt auch die unwirksame Vereinbarung über die Abfindungszahlungen. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO ist lediglich maßgeblich, ob ein Rechtsgeschäft unwirksam ist oder unwirksam wird, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen.
Nach diesen Vorgaben fließt der Arbeitslohn somit erst mit tatsächlicher Auszahlung den jeweiligen Arbeitnehmern zu und unterliegt daher auch erst in diesem Zeitpunkt der Besteuerung.
Praxishinweis: Durch die Zuführung von Lohnbestandteilen aus Einmalzahlungen in ein Wertguthaben zur Finanzierung und die darauffolgende Übertragung des Guthabens bei endgültigem Ausscheiden des Arbeitnehmers auf die deutsche Rentenversicherung kann für den Arbeitnehmer ein Steuerstundungseffekt erlangt werden, um Steuersatzspitzen zu vermeiden.
Der BFH hat nun erstmals zu diesem Modell entschieden und es durch Urteil höchstrichterlich legitimiert.
BFH, Urt. v. 03.05.2023 - IX R 25/21
Christian Kappelmann, StB, M.A., Dipl.-Finw. (FH)
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