Individuelle Checklisten zur Einkommensteuererklärung für jeden Mandanten. Damit erhalten Sie direkt alle relevanten Belege von Ihren Mandanten und entlasten damit Ihre Kanzlei!
Welche Kosten können Studenten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung geltend machen? Und wo liegt die „erste Tätigkeitsstätte“, wenn Auslandssemester oder Auslandspraktika absolviert werden? Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass gezahlte Miete und Verpflegungsmehraufwendungen nicht als Werbungskosten abziehbar sind, wenn im Inland kein eigener Hausstand des Studierenden besteht.
Das Finanzgericht Münster (FG) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, wo die erste Tätigkeitsstätte eines Studenten liegt, wenn dieser aufgrund der Studienordnung Auslandssemester absolviert.
Die Klägerin begann nach dem Abschluss einer anderen Ausbildung mit dem Studium an einer Fachhochschule (FH). Nach der einschlägigen Prüfungsordnung sind für ihren Studiengang zwei Auslandssemester sowie ein Auslandspraxissemester vorgesehen. Als Studentin absolvierte die Klägerin die beiden Auslandssemester und das Praxissemester nacheinander. Während des Praxissemesters war sie in Vollzeit bei einer Au-Pair-Agentur tätig, wobei ihr ein Büroarbeitsplatz zur Verfügung gestellt und Arbeitslohn gezahlt wurde.
Darüber hinaus erhielt sie BAföG-Leistungen und ein Stipendium. Während des gesamten Studiums – auch während der Auslandsaufenthalte – behielt die Klägerin ihren Wohnsitz in der Wohnung ihrer Eltern im Inland bei, wo sich auch ihr Lebensmittelpunkt befand. Hierbei handelte es sich um eine Vierzimmerwohnung mit Küche und Bad, deren Miete und Nebenkosten von den Eltern getragen wurden.
In ihren Einkommensteuererklärungen machte die Studentin einen Überschuss der Werbungskosten geltend; u.a. erklärte sie Miete für die Wohnung im Ausland und Mehraufwendungen für Verpflegung. Das beklagte Finanzamt (FA) betrachtete die Orte im Ausland jeweils als erste Tätigkeitsstätte und erkannte daher einen Teil der geltend gemachten Werbungskosten nicht an. Zudem kürzte das FA die Kosten anteilig um die BAföG-Leistungen und das Stipendium, so dass der festzusetzende Verlustvortrag streitig wurde.
Ein Werbungskostenabzug der gezahlten Miete und von Verpflegungsmehraufwendungen setzt eine doppelte Haushaltsführung voraus. Eine solche liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Orts seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Nach dem EStG gilt als erste Tätigkeitsstätte auch eine Bildungseinrichtung, die außerhalb eines Dienstverhältnisses zum Zweck eines Vollzeitstudiums oder einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme aufgesucht wird.
Für die Zeit der beiden ersten Auslandssemester war die Studentin keine Arbeitnehmerin, da sie sich nicht in einem Arbeitsverhältnis befand. Folglich bestimmt sich ihre erste Tätigkeitsstätte nicht nach den nur für Arbeitnehmer geltenden Regeln, sondern nach der Bildungseinrichtung. So war während dieses Zeitraums die Universität im Ausland die erste Tätigkeitsstätte der Studentin, denn unter Bildungseinrichtung ist jede Anstalt und jeder Ort zu verstehen, an dem Wissen oder Bildung vermittelt wird.
Hieran ändert der Umstand, dass die Klägerin weiterhin als Studentin an der deutschen FH eingeschrieben war, nichts. Die FH kann während der Auslandssemester nicht als erste Tätigkeitsstätte angesehen werden, weil die Studentin diese Bildungseinrichtung tatsächlich nicht aufgesucht hat.
Anders als bei der ersten Tätigkeitsstätte eines Arbeitnehmers, bei der in erster Linie die Zuordnung durch den Arbeitgeber entscheidend ist, stellt der Wortlaut des Gesetzes nach Ansicht des FG bei Bildungseinrichtungen allein auf das tatsächliche Aufsuchen ab. Auch wenn die Studentin nach der Studienordnung verpflichtet war, zwei Auslandssemester zu absolvieren, konnte sie sich die ausländische Hochschule selbst aussuchen und unterlag auch keinem Direktionsrecht.
Da sie die deutsche FH nicht regelmäßig, sondern nach eigenen Angaben lediglich gelegentlich zum Absolvieren von Klausuren aufgesucht hat, hat sie diese Bildungseinrichtung während der Auslandssemester nicht – wie erforderlich – „zum Zwecke eines Vollzeitstudiums tatsächlich aufgesucht“.
Da die Studentin während ihres Auslandspraktikums gegen Entgelt bei einer Au-Pair-Agentur tätig war, ist sie für diesen Zeitraum als Arbeitnehmerin anzusehen. Insoweit befand sich ihre erste Tätigkeitsstätte in dem ihr von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Büro, da sie während der gesamten Dauer des Dienstverhältnisses dieser Tätigkeitsstätte zugeordnet war und dort arbeitstäglich tätig wurde.
Die Vorschrift über Bildungseinrichtungen findet auf das Auslandspraktikum keine Anwendung, weil die Studentin während dieser Zeit keine Bildungseinrichtung für Zwecke eines Vollzeitstudiums tatsächlich aufgesucht hat. Daran ändert auch ihre weiterhin fortbestehende Zuordnung zur deutschen FH nichts.
Die Studentin unterhielt außerhalb der Orte ihrer ersten Tätigkeitsstätten laut FG keinen eigenen Hausstand. Das Vorliegen eines eigenen Hausstands setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus. Als eigener Hausstand kann vorliegend allein die elterliche Wohnung im Inland in Betracht kommen.
An den Kosten der Lebensführung für diese Wohnung hat sich die Studentin jedoch nicht in dem erforderlichen Maße finanziell beteiligt. Dass sie weiterhin ihren Lebensmittelpunkt im Inland hatte, genügte dem FG für die Annahme eines eigenen Hausstands nicht.
Ferner sind die Werbungskosten anteilig um die erhaltenen Stipendiumszahlungen zu kürzen. Denn Ausbildungskosten, die als Werbungskosten anzuerkennen sind, sind um unmittelbar damit zusammenhängende steuerfreie Einnahmen zu kürzen. Gleiches gilt im Grundsatz für die BAföG-Leistungen.
Eine Kürzung kommt insoweit nur in Betracht, wie ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem Studium vorliegt, also soweit diese Leistungen für die Ausbildung gewährt werden. Die Kosten sind dementsprechend aufzuteilen, weil die BAföG-Leistungen auch für den Lebensunterhalt gezahlt werden und in diesem Umfang unberücksichtigt bleiben.
Die Entscheidung des FG ist gut begründet und betrifft die geänderte Rechtslage seit 2014. Gleichwohl hätte das FG auch zu einem studentenfreundlichen Urteil kommen können. Die Rechtslage ist insoweit unklar, weil zur Auslegung des Begriffs der ersten Tätigkeitsstätte in Bezug auf Bildungseinrichtungen i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG in der ab 2014 gültigen Fassung noch keine Rechtsprechung existiert. Diese Frage betrifft eine Vielzahl von Steuerpflichtigen. Gleiches gilt für die Frage der Anrechnung von Leistungen nach dem BAföG auf Ausbildungskosten, die als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
Folgerichtig hat das FG die Revision zugelassen. Berater von Studenten, die steuerfreie Leistungen beziehen bzw. Auslandssemester absolvieren, sollten dieses Urteil kennen und gegebenenfalls im Hinblick auf die Revision Einspruch gegen ihre Steuerbescheide einlegen und das Ruhen des Verfahrens beantragen.
FG Münster, Urt. v. 24.01.2018 - 7 K 1007/17 E
Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht
Die fünf Tipps in unserem aktuellen Spezialreport zeigen, was Sie bei den Vermietungseinkünften 2023 beachten sollten.
Individuelle Checklisten zur Einkommensteuererklärung für jeden Mandanten. Damit erhalten Sie direkt alle relevanten Belege von Ihren Mandanten und entlasten damit Ihre Kanzlei!
Topleistung – Topqualität – Tophonorar – 25 % weniger Arbeit. Bewältigen Sie Anforderungen wie gestiegene Mandantenanforderungen, verstärkter Wettbewerbs- und Honorardruck jetzt leichter!
» Häusliches Arbeitszimmer: Einkommensteuerliche Regeln
» Werbungskosten: Ein Überblick für Steuerberatende
» Außergewöhnliche Belastungen im EStG
» Haushaltsnahe Dienstleistungen im Einkommensteuerrecht
» Kindergeld und Einkommensteuer
» Verlustvortrag Einkommensteuer