Kindergeldrechtliche Ausschlussfrist bei Wanderarbeitnehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten

  1. Die Regelung des § 66 Abs. 3 EStG vom 23.06.2017 (EStG a.F.) ist europarechts- und verfassungskonform.
  2. Stellt ein Wanderarbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch im Inland erfüllt, seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der in § 66 Abs. 3 EStG a.F. vorgesehenen sechsmonatigen Ausschlussfrist, kann die Ausschlussfrist auch durch einen nach dem Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung (Art. 81 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) zu berücksichtigenden, im Ausland gestellten Antrag gewahrt werden.
  3. Eine Antragsgleichstellung erfolgt jedoch nicht, wenn der Antrag im Wohnmitgliedstaat zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, zu dem noch kein Auslandsbezug vorlag (EuGH, Urt. v. 29.09.2022 - C-3/21, The Chief Appeals Officer u.a.). Liegt ein Auslandsbezug vor und teilt der Antragsteller den grenzüberschreitenden Sachverhalt weder den entsprechenden Behörden im Wohnmitgliedstaat noch im Tätigkeitsstaat mit, stellt allein der Umstand, dass der Wanderarbeitnehmer wiederkehrende Leistungen erhalten hat, keinen Antrag dar (EuGH, Urt. v. 29.09.2022 - C-3/21, The Chief Appeals Officer u.a.; v. 25.04.2024 - C-36/23, Familienkasse Sachsen).

BFH, Urt. v. 11.07.2024 - III R 31/23

Kurzfassung

Der Kläger, ein rumänischer Staatsbürger und Vater dreier Kinder, war zwischen August und Dezember 2018 nichtselbständig in Deutschland beschäftigt. Seine weiterhin in Rumänien lebende Ehefrau erhielt Kindergeldleistungen nach rumänischem Recht, die pro Monat rund 20 € je Kind betrugen.

Den erst Mitte 2019 in Deutschland gestellten Antrag auf Kindergeld des Klägers lehnte die Familienkasse aufgrund von § 66 Abs. 3 EStG ab, weil die Festsetzung für einen längeren Zeitraum als die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen sei, ausgeschlossen sei. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Der BFH hielt die Revision nicht für begründet. Darüber hinaus sah er in § 66 Abs. 3 EStG keinen Verstoß gegen Unionsrecht. Insbesondere werde der Anspruch eines Antragstellers durch die Frist von sechs Monaten nicht ausgeschlossen; es liege auch keine unverhältnismäßige Erschwerung vor. Zwar sei dem Kläger als Wanderarbeitnehmer zuzugestehen, dass er das Kindergeld durch seinen nicht dauerhaften Wohnsitz im Inland schwerer beantragen könne, eine Frist von sechs Monaten reiche aber dennoch - auch bei dieser Gruppe von Steuerpflichtigen - aus, um den Anspruch rechtzeitig geltend machen zu können.

Die Frist diene außerdem dazu, eine mögliche Doppelzahlung familienbezogener Leistungen - einmal in Deutschland und einmal im anderen EU-Staat - zeitnah zu erkennen und zu unterbinden. Vor dem Hintergrund dieses Interesses des nationalen Gesetzgebers sei die Festlegung einer Frist von sechs Monaten angemessen.

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